22.01.2013 Aufrufe

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

420<br />

E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />

sem Staatsstrukturprinzip ergibt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts<br />

die Notwendigkeit, dass jede Tätigkeit der staatlichen Organe und Amtswalter auf<br />

den Willen des Staatsvolkes zurückführbar sein müsse 1124 und mithin ein Zurechnungszusammenhang<br />

zwischen Volk und staatlicher Herrschaft zu bestehen<br />

hat. 1125 Diese ununterbrochene demokratische Legit<strong>im</strong>ationskette 1126 führt dazu,<br />

dass alles staatliche Handeln notwendiger Weise demokratisch legit<strong>im</strong>iert sein<br />

muss. Für die Beurteilung, ob mittels des Zurechnungszusammenhangs ein hinreichender<br />

Gehalt an demokratischer Legit<strong>im</strong>ation erreicht wird, werden durch das<br />

Bundesverfassungsgericht, basierend auf dem Schrifttum, unterschiedliche Formen<br />

der Legit<strong>im</strong>ation unterschieden. 1127 Das Bundesverfassungsgericht weist jedoch<br />

ausdrücklich darauf hin, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht die Form<br />

der demokratischen Legit<strong>im</strong>ation staatlichen Handelns maßgeblich ist, sondern<br />

allein deren Effektivität über das Legit<strong>im</strong>ationsniveau entscheidet. 1128<br />

Gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG sind die Grundentscheidungen des Art. 20<br />

Abs. 2 GG für die Volkssouveränität und die daraus folgenden Grundsätze der<br />

demokratischen Organisation und Legit<strong>im</strong>ation von Staatsgewalt nicht nur für die<br />

verfassungsmäßige Ordnung des Bundes maßgeblich, sondern sind gleichsam für<br />

diejenige der Länder verbindlich. 1129 Insbesondere für die Notwendigkeit ununterbrochener<br />

Legit<strong>im</strong>ationsketten zwischen Volk und staatlichem Handeln bedeutet<br />

dies, dass sowohl auf der Ebene des Bundes als auch auf der Ebene der Länder<br />

alles staatliche Handeln legit<strong>im</strong>ationsbedürftig ist. Dabei ist es jedoch unwesentlich,<br />

ob das jeweilige staatliche Handeln unmittelbar oder mittelbar vom Volk<br />

legit<strong>im</strong>iert wurde. 1130<br />

1124 So das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung – Vgl. BVerfGE 83, 60 (71 ff); 89, 155 (182);<br />

93, 37 (66).<br />

1125 BVerfGE 93, 37 (66).<br />

1126 Vgl. BVerfGE 47, 253 (275).<br />

Das maßgeblich auf dem Konstrukt der ununterbrochenen Legit<strong>im</strong>ationskette fußende Demokratiemodell des<br />

Bundesverfassungsgerichts ist allerdings nicht unumstritten, sondern hat <strong>im</strong> Schrifttum teilweise recht massive<br />

und polemische Kritik erfahren. Hierauf weist St. Muckel, in NZS 2002, 118 (120 ff) (m.w.N.) hin: „…Von<br />

‚Volksdemokratie‛ ist die Rede, sogar von ‚völkischem Denken‛. Mit seinen ‚einprägsamen Formeln weise das Modell des BVerfG<br />

‚vordergründige Plausibilität‛ auf; es werde ‚gebetsmühlenartig beständig wiederholt‛ und auf diese Weise ein ‚suggestiver Effekt‛<br />

erzeugt. In seiner Rezeption durch das BVerwG nehme das Demokratiekonzept des BVerfG gar ‚fundamentalistische Züge‛ an.<br />

Der vom BVerfG betriebene ‚Legit<strong>im</strong>ationsfetischismus‛ bedeute eine Zementierung des <strong>im</strong> Absolutismus wurzelnden Hierarchieprinzips.<br />

Durch die ‚weltfremde‛ Anknüpfung an einen homogen-statischen Volksbegriff führe das Demokratiemodell des BVerfG<br />

letztlich zu einer ‚Einschränkung von Demokratie durch eine moderne Form des Klassenwahlrechts‛ […] das Denken in Legit<strong>im</strong>ationsketten<br />

(ist) fragwürdig, zumal allzu lange Legit<strong>im</strong>ationsketten auch die Gefahr einer ‚Legit<strong>im</strong>ationsverflüchtigung‛ in sich<br />

bergen. Das Demokratiegebot wird überdehnt, wenn man aus <strong>im</strong>mer spezielleren Vorgaben für jeden einzelnen Bereich der Staatstätigkeit<br />

herausdestilliert; andererseits wird der Gedanke der Demokratie reduziert auf ein formales Zurechnungsschema. …“<br />

1127 Zu den Ausformungen demokratischer Legit<strong>im</strong>ation unter dem Reg<strong>im</strong>e des Grundgesetzes grundlegend: E.-<br />

W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip (§22), in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. I, Rn 10 ff. Im<br />

Wesentlichen wird unterschieden in: ‚funktionell-institutionelle demokratische Legit<strong>im</strong>ation‛, ‚organisatorischpersonelle<br />

demokratische Legit<strong>im</strong>ation‛ und ‚sachlich-inhaltliche demokratische Legit<strong>im</strong>ation‛.<br />

1128 BVerfGE 93, 37 (67).<br />

1129 Vgl. BVerfGE 9, 268 (281); 83, 60 (71).<br />

1130 Vgl. E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip (§22), in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. I, Rn 16.<br />

Böckenförde weist jedoch gleichsam darauf hin, dass mit einer unmittelbaren Legit<strong>im</strong>ation zumindest jedoch eine<br />

höhere demokratische Dignität einhergeht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!