Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
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418 E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung lässt erkennen, dass die Bestimmung des Artikel 67 der Landesverfassung obsolet ist und als solche aus der Verfassung entfernt werden sollte. …“ 1115 Nach dieser Auffassung erweisen sich die Vetos als undemokratische Rechte der Exekutive, die dem Gesamtkonzept des demokratisch und parlamentarisch ausgestalteten Grundgesetzes widersprechen. Diese Sichtweise wird letztlich auch durch die Intention der den Antrag zur Verfassungsänderung stellenden FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag bestätigt. Auch deren Motivation basierte auf der Sorge um die demokratische Homogenität derartiger Bestimmungen, wie sie die Vetos darstellen: „…Eine im System angelegte Störung des Machtverhältnisses zwischen den Staatsgewalten kann eine Demokratie auf Dauer nicht ertragen. …“ 1116 Ganz offensichtlich werden die Vetorechte also als nicht vereinbar mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und 2 wahrgenommen. Inwieweit dieser Kritikansatz tatsächlich trägt und sich die Irritationen zu einer verfassungsrechtlichen Inhomogenität auswachsen, muss im Folgenden näher untersucht werden. Eine gewisse Brisanz erfährt eine mögliche Diskrepanz der Vetorechte zum Demokratieprinzip dadurch, dass es ebenso wie das Gewaltenteilungskonzept in seinem Kernbereich durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt ist und sich bei einer möglichen Friktion die Frage des verfassungswidrigen Verfassungsrechts stellen würde. 1. Der demokratische Rahmen von Grundgesetz und Länderverfassungen a. Grundaussagen von Art. 20 Abs. 1 und 2 GG Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Bundesstaat. In schnörkelloser Weise wird in Art. 20 Abs. 1 GG somit klargestellt, dass es sich beim Grundgesetz um eine demokratische Verfassung handelt. So klar und deutlich diese Formulierung daher kommt, so umfassend ist das Modell, welches sich hinter dem Stichwort Demokratie verbirgt. Da die im Rahmen dieser Forschungsarbeit zu untersuchenden exekutiven Vetorechte diesen Themenbereich jedoch lediglich tangieren, sind weder die Demokratiemodelle bzw. ihre historischen Determinationen noch die Demokratiedimension des deutschen Grundgesetzes näher zu analysieren. Vielmehr genügt es die für die regierungsamtlichen Einsprüche 1115 NW LT-Drs. 13/3687 Zuschrift v. 05.02.2004, S. 10/11. 1116 LT-Drs. 13/2393 v. 19.03.2002 – Gesetzentwurf der FDP-Fraktion – „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.
II. Das Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip und Parl. Regierungssystem relevanten Demokratieparameter herauszuarbeiten. Um anhand derer die vermeintliche Diskrepanz zwischen dem fundamentalen Staatsstrukturprinzip Demokratie und den latent auftretenden vetoartigen Organrechten im Grundgesetz und den Länderverfassungen zu analysieren. Mit dem in Art. 20 Abs. 2 GG niedergelegten Kernsatz „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ gibt das Grundgesetz die Richtung vor, in welcher sich die deutsche Demokratie 1117 zu bewegen hat. Die deutsche Staatsverfassung erkennt mit jener Formulierung das Prinzip der Volkssouveränität 1118 an. Mit der Grundentscheidung dafür, dass in unserer freiheitlichen Demokratie alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen soll, wird gleichsam festgelegt, dass das Volk nicht nur herrscht, sondern überdies auch regiert. Die Demokratie als Staats- und Regierungsform ist somit maßgebliches deutsches Organisationsprinzip für die Innehabung und Ausübung der Staatsgewalt. Das Prinzip der Volkssouveränität besagt, dass die Errichtung und Organisation der politischen Herrschaftsgewalt auf das Volk selbst rückführbar sein muss. Positiv konstituierend legt das Grundgesetz mit Art. 20 Abs. 1 und 2 fest, dass Innehabung und Ausübung der Staatsgewalt sich konkret vom Volk herleiten lassen müssen. 1119 Das Bundesverfassungsgericht hat, basierend auf diesem Ansatz der Volkssouveränität, als entscheidendes Wesensmerkmal der Demokratie herausgearbeitet, dass der Wille des Volkes über die Bildung und Lenkung des Staates entscheidet. Es entspricht dem demokratischen Prinzip, dass die Willensentscheidung des Volkes die Grundlage jeder Staatsbildung sein muss. 1120 Daher muss jede Ausübung von Staatsgewalt durch staatliche Organe und Amtswalter vom Volk abgleitet sein und wird von diesen nur treuhänderisch für das substanziell Träger der Staatsgewalt bleibende Volk wahrgenommen. 1121 Das Bundesverfassungsgericht hat frühzeitig festgestellt, dass es sich bei der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes um ein „umfassendes Staatsprinzip“ 1122 handelt. 1123 Aus die- 1117 Zu den Entwicklungsstufen der Demokratie, wie sie als Staatslehre von Jean-Jacques Rousseau aus den antiken griechischen Vorbildern destilliert wurde, umfassend: Imboden, Roesseau und die Demokratie, in: Staat und Recht, S. 75 ff. 1118 Zur historischen Entwicklung des Gedankens der Volkssouveränität: Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, S. 51 ff. 1119 Weitergehende Analysen zum Aspekt der Volkssouveränität als zentralem Aspekt des demokratischen Prinzips in Art. 20 Abs. 2 GG: E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip (§22), in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. I, Rn 1-8. 1120 BVerfGE 1, 14 (41). 1121 Vgl. Tettinger/Mann, in: Tettinger/Mann/Salzwedel, Wasserverbände und demokratische Legitimation, S. 6. 1122 Vgl. BVerfGE 3, 58 (118). 1123 In seinem wegweisenden Urteil vom 23. Oktober 1952 beschreibt das Bundesverfassungsgericht zudem die Parameter dieses essentiellen Staatsstrukturprinzips: Es heißt dort, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung eine Ordnung ist, „… die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrheitsprinzip und die Chancengleichheit der Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. …“ (Vgl. BVerfGE 2, 1 (12 ff)) 419
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E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />
lässt erkennen, dass die Best<strong>im</strong>mung des Artikel 67 der Landesverfassung obsolet ist und als<br />
solche aus der Verfassung entfernt werden sollte. …“ 1115<br />
Nach dieser Auffassung erweisen sich die Vetos als undemokratische Rechte der<br />
<strong>Exekutive</strong>, die dem Gesamtkonzept des demokratisch und parlamentarisch ausgestalteten<br />
Grundgesetzes widersprechen.<br />
Diese Sichtweise wird letztlich auch durch die Intention der den Antrag zur<br />
Verfassungsänderung stellenden FDP-Fraktion <strong>im</strong> nordrhein-westfälischen Landtag<br />
bestätigt. Auch deren Motivation basierte auf der Sorge um die demokratische<br />
Homogenität derartiger Best<strong>im</strong>mungen, wie sie die Vetos darstellen: „…Eine <strong>im</strong><br />
System angelegte Störung des Machtverhältnisses zwischen den Staatsgewalten kann eine Demokratie<br />
auf Dauer nicht ertragen. …“ 1116<br />
Ganz offensichtlich werden die <strong>Vetorechte</strong> also als nicht vereinbar mit dem<br />
grundgesetzlichen Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und 2 wahrgenommen.<br />
Inwieweit dieser Kritikansatz tatsächlich trägt und sich die Irritationen zu einer<br />
verfassungsrechtlichen Inhomogenität auswachsen, muss <strong>im</strong> Folgenden näher<br />
untersucht werden. Eine gewisse Brisanz erfährt eine mögliche Diskrepanz der<br />
<strong>Vetorechte</strong> zum Demokratieprinzip dadurch, dass es ebenso wie das Gewaltenteilungskonzept<br />
in seinem Kernbereich durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt ist und<br />
sich bei einer möglichen Friktion die Frage des verfassungswidrigen Verfassungsrechts<br />
stellen würde.<br />
1. Der demokratische Rahmen von Grundgesetz und<br />
Länderverfassungen<br />
a. Grundaussagen von Art. 20 Abs. 1 und 2 GG<br />
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Bundesstaat. In schnörkelloser<br />
Weise wird in Art. 20 Abs. 1 GG somit klargestellt, dass es sich be<strong>im</strong><br />
Grundgesetz um eine demokratische Verfassung handelt. So klar und deutlich<br />
diese Formulierung daher kommt, so umfassend ist das Modell, welches sich hinter<br />
dem Stichwort Demokratie verbirgt. Da die <strong>im</strong> Rahmen dieser Forschungsarbeit<br />
zu untersuchenden exekutiven <strong>Vetorechte</strong> diesen Themenbereich jedoch<br />
lediglich tangieren, sind weder die Demokratiemodelle bzw. ihre historischen Determinationen<br />
noch die Demokratied<strong>im</strong>ension des <strong>deutschen</strong> Grundgesetzes näher<br />
zu analysieren. Vielmehr genügt es die für die regierungsamtlichen Einsprüche<br />
1115 NW LT-Drs. 13/3687 Zuschrift v. 05.02.2004, S. 10/11.<br />
1116 LT-Drs. 13/2393 v. 19.03.2002 – Gesetzentwurf der FDP-Fraktion – „Gesetz zur Änderung der Verfassung<br />
für das Land Nordrhein-Westfalen.