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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Ursprünge und Entwicklungslinien 27<br />

c. Das narkotisierende Intermezzo des Absolutismus als Wiege<br />

des modernen Vetos<br />

Das sich an jene, die Antike endgültig beendenden historischen Verläufe, anschließende<br />

europäische Mittelalter, enthielt qua Verfassungsstruktur keine sonderlich<br />

fruchtbare Umgebung für das Wiederausschlagen vetorechtlicher ‚Knospen‛,<br />

welche annähernd mit denen der römisch-tribunizischen Interzession vergleichbar<br />

gewesen wären. Erst mit der Überwindung der vor allem despotischen<br />

und wenig verfassungsähnlichen Mittelaltersysteme in Europa kann einem Gedanken<br />

an Vetostrukturen überhaupt wieder Sinnhaftigkeit attestiert werden. Um<br />

diesen Ansatz nachvollziehbar zu machen, bedarf es jedoch zunächst einmal des<br />

Rückgriffs auf die bisherigen Vorstufen der Vetorechtsentwicklung.<br />

Es etablierte sich nämlich <strong>im</strong> 15. und 16. Jahrhundert <strong>im</strong> Übrigen Kontinentaleuropa,<br />

genau wie in Deutschland, die Regierungsform des Absolutismus. Anders<br />

als in den sonstigen europäischen Staaten, vollzog sich diese Entwicklung in<br />

Deutschland allerdings nicht auf nationalstaatlicher Ebene, sondern auf der der<br />

Fürstentümer. 95 Egal, ob man diese deutsche Anomalie nun als „Fürstenaristokratie“<br />

oder als „irregulärer Körper und einem Monstrum ähnlich (iiregulare aliquod<br />

corpus et monstro s<strong>im</strong>ile)“ 96 bezeichnete, wesentlich ist allein die Feststellung,<br />

dass es sich nichtsdestoweniger bei den <strong>deutschen</strong> Kleinstaaten lediglich um Miniaturausgaben<br />

der übrigen europäischen absoluten Monarchien handelte. Während<br />

sich in Frankreich und England der Nationalstaat herausbildete, entwickelten sich<br />

in Deutschland auf Landesebene Territorialstaaten unterschiedlicher Größe und<br />

Qualität, die die Aufgaben des neuzeitlichen Staates übernahmen. 97<br />

Dieser deutsche föderale Absolutismus stellte denselben Typus dar, der die übrigen<br />

Einheitsstaaten Europas zentral regierte und in welchem sich ein Aspekt der<br />

Interzession in ihrem letzten Stadium schnell wiederfinden lässt. Es war nämlich<br />

das gleiche „L' Etat c'est moi“ – Verständnis, mit welchem schon die Römischen<br />

Kaiser ihr Imperium regierten. Die europäischen Monarchien mit ihren aus eigener<br />

Machtvollkommenheit handelnden Herrschern sahen sich oftmals sogar in<br />

direkter Linie zu ihnen stehend. Ohne politische Mitwirkung weiter Teile des<br />

Staatsvolkes, bei in der Regel lediglich kosmetischer Partizipation nicht adliger<br />

ständischer Institutionen, beherrschten sie jahrhundertelang den Kontinent und<br />

hielten es mit ihrem Machtgebaren nicht nur nicht anders als die letzten Römi-<br />

telalter, S. 395 ff; Borst, Arno, in: Propyläen Weltgeschichte Bd. 5, Religiöse und geistige Bewegungen <strong>im</strong> Hochmittelalter,<br />

S. 489 ff; Myers, in: Propyläen Weltgeschichte Bd. 5, Europa <strong>im</strong> 14. Jahrhundert, S. 563 ff; Merzbacher,<br />

Friedrich, in: Propyläen Weltgeschichte Bd. 6, Europa <strong>im</strong> 15. Jahrhundert, S. 373 ff;<br />

95 Maurer, Staatsrecht I, S. 39/40; überdies dazu Schmitt in: Verfassungslehre, S. 47; „… Als Ganzes war das<br />

(Deutsche) Reich <strong>im</strong> 18. Jahrhundert nur noch ein heterogenes Kompositum sich entwickelnder politischer Gebilde und Fetzen…“.<br />

96 Pufendorf, De statu Imperii Germanici (1667), S. 126 (Ausgabe von Fritz Salomon 1910); Eine umfassende<br />

Darstellung der Reichstrukturen liefert: Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, §24, S. 186 ff.<br />

97 Maurer, Staatsrecht I, S. 42, 45.

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