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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Konfliktlinien zum Gewaltenteilungsprinzip<br />

„…Die Abhängigkeit, aber auch die Abweichung des durch die Charte und die <strong>deutschen</strong> Verfassungen<br />

repräsentierten Verfassungstypus von den Gedankengängen Montesquieus ist deutlich.<br />

Dieser Typus gibt den einen Leitsatz Montesquieus, die Lehre von der gemischten Staatsform,<br />

auf: er baut den konstitutionellen Staat auf, nicht als halbe Demokratie, sondern als ganze<br />

Monarchie. Das andere Gedankenelement der konstitutionellen Theorie dagegen, die Teilung der<br />

Gewalten, ist nicht verworfen, vielmehr adoptiert worden, nur freilich nicht derart, daß die gesetzgebende,<br />

vollziehende und richterliche Gewalt als drei Staaten <strong>im</strong> Staate, sondern so, daß sie als<br />

drei organisatorisch getrennte Grundfunktionen einer und derselben Gewalt, der Staatsgewalt<br />

erscheinen, welche theoretisch, dem ‚Rechte und der Innehabung nach‛ wie zu Zeiten des Absolutismus<br />

in der Hand des Monarchen vereinigt ist und bleibt. …“ 1100<br />

Wenn demnach aber alles <strong>im</strong> konstitutionellen Staatsrecht lediglich auf organisatorische<br />

Trennung hinausläuft, so ist ein vetogleiches Interzedieren in dieser D<strong>im</strong>ension<br />

der Gewaltenteilung nicht angelegt.<br />

Dies macht allerdings den Grundansatz nicht zunichte, dass das Zust<strong>im</strong>mungserfordernis<br />

als solches ein Aspekt der Gewaltenteilung sein kann. Das montesquieusche<br />

Prinzip der Gewaltenbalance kann dahingehend interpretiert werden,<br />

dass an die Stelle gegenseitiger Unabhängigkeit ein System von Abhängigkeiten<br />

gesetzt wird. Die einzelnen Gewalten wirken aufeinander ein, müssen zusammenwirken<br />

und sich dadurch ausgleichen. Daraus kann auch der Gedanke entwickelt<br />

werden, dass es möglich ist, die <strong>Exekutive</strong> mittels Zust<strong>im</strong>mungsvorbehalt in das<br />

Gesetzgebungsverfahren eingreifen zu lassen. Falsch wird es aber ab der Stelle, wo<br />

man dieses monarchische Zust<strong>im</strong>mungserfordernis als Veto bezeichnet 1101 und<br />

dann auch noch meint, dass Montesquieu den englischen „Royal Assents“ als<br />

Vetovorbild verstanden wissen wollte. Es werden ab diesem Punkt nämlich genau<br />

jene gedanklichen Oberflächlichkeiten fortgesetzt, die dem sprichwörtlichen Vermischen<br />

von Äpfeln und Birnen entsprechen.<br />

Es ist nicht die hier gestellte Aufgabe zu entscheiden, ob es tatsächlich system<strong>im</strong>manente<br />

Brüche <strong>im</strong> Gewaltenteilungssystem als Modell oder in der Umsetzungsform<br />

des Grundgesetzes geben kann oder darf. Fakt ist jedoch, dass Roman<br />

Herzog zur Begründung dieser These auf monarchische <strong>Vetorechte</strong> verweist, wie<br />

sie Montesquieu selbst in sein Gewaltenteilungskonzept einkalkuliert haben soll.<br />

Die Quintessenz Herzogscher Systembruchtheorie könnte daher sein: Dadurch,<br />

dass Montesquieu die monarchische Gesetzgebungsbeteiligung in sein Modell<br />

<strong>im</strong>plizierte, öffnete er die ‚Büchse der Pandora‛ mittels derer noch heute der Systembruch<br />

gegenüber der formal autarken Gesetzgebung der Volksvertretung als<br />

1100 Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 42.<br />

1101 Leider ist diese sprachliche Bezeichnung der monarchischen Partizipationsansprüche an der Gesetzgebung<br />

des konstitutionellen Staates als <strong>Vetorechte</strong>, nicht nur zu finden bei R. Herzog, sondern auch <strong>im</strong> weiteren Schrifttum<br />

durchaus üblich. So schreibt E.-W. Böckenförde: „…Der König war nicht nur Inhaber der vollziehenden Gewalt, er war<br />

zugleich auch voller Teilhaber der gesetzgebenden Gewalt; er hatte nicht nur ein suspensives, sondern ein absolutes Veto. …“. – Vgl.<br />

E.-W. Böckenförde, Der deutsche Typ der konstitutionellen Monarchie <strong>im</strong> 19. Jahrhundert, in: Conze, Beiträge<br />

zur <strong>deutschen</strong> und belgischen Verfassungsgeschichte <strong>im</strong> 19. Jahrhundert, S. 77.<br />

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