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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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402<br />

E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />

langen, dass wenn Montesquieu seine Ausführungen zur Gewaltenteilung mit<br />

Bemerkungen über den englischen Konstitutionalismus vermengt, dann muss<br />

dieser Gewaltenteilungslehre auch die englische Parlamentsverfassung zugrunde<br />

liegen.<br />

5. Wenn dann, wie oben aufgezeigt, dem englischen König aufgrund seines „Royal<br />

Assent“ ein Vetorecht in der Gesetzgebung zugewiesen wird und dieses auch<br />

noch Ausdruck der Gewaltenteilung sein soll, kommt man aber nicht um die Frage<br />

herum, wer hier wen oder was falsch versteht. Ist es Montesquieu, der geblendet<br />

von der Überlegenheit des englischen Staatssystems gegenüber dem französischen<br />

Absolutismus falschen Bestandsaufnahmen nahe am Wunschdenken zum<br />

Opfer fällt oder handelt es sich doch nur um die klassische Fehlinterpretation<br />

seiner ‚revolutionsgeschwängerten‛ Leser?<br />

Eine Antwort, die niemandem weh tut, wird sich nicht finden lassen. Es soll<br />

aber auch nicht die hier gestellte Aufgabe sein, diese zu geben 1092 . Vielmehr genügt<br />

es kurz und präzise festzuhalten: Der englischen Parlamentsverfassung lag der<br />

Gedanke der Gewaltenteilung eigentlich nicht zugrunde. Das gesamte <strong>Verfassungssystem</strong><br />

war überhaupt nicht auf checks and balance ausgerichtet. Wie anders<br />

kann die starke Stellung des Premierministers sonst gedeutet werden, der damals<br />

wie heute über die Auflösung des Unterhauses frei disponieren kann. Eines<br />

Volkshauses, das ihm und seinen Gesetzesinitiativen nicht gewogen war, konnte<br />

er sich jederzeit problemlos entledigen oder mittels dieses Rechtes disziplinieren.<br />

Jenes hier exemplarisch vorgeführte Recht deutet an, dass <strong>im</strong> England zur Zeit<br />

Montesquieus vormals monarchische Rechte lediglich exekutiv neu verteilt wurden.<br />

Die Exekutivspitze war nun dem Premierminister zugewiesen, der sie in monarchischer<br />

Manier ausüben konnte. 1093 Wer darin Gewaltenteilung erkennen will,<br />

1092 Im verfassungsrechtlichen Schrifttum gehen die Meinungen über die Möglichkeit einer Fehldeutung des<br />

englischen Systems durch Montesquieu weit auseinander: Zum einen wird Montesquieu vorgeworfen, das Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts in England Vorzufindende nicht richtig wieder zugeben. Vgl. G. Mosca, Die herrschende<br />

Klasse, S. 121: „…Kenner des Verfassungsrechts haben gezeigt, daß die von Montesquieu behauptete absolute Trennung der drei<br />

Gewalten nicht besteht und nicht bestehen kann, und daß es auch nicht gerade drei Gewalten sein müssen. …“; Seignobos, La<br />

séperation des pouvoir, in: Études de politique et d‛histoire, S. 184: „…le nombre trois…“; Mirkine-Guetzévitch,<br />

De L'Esprit des lois au constitutionalisme moderne, in: Revue internationale de droit comparé, Bd. 75 (1952), S.<br />

207: „…L‛Angleterre de Montesquieu c‛est l‛ Utopie…“.<br />

Zum anderen wird jedoch angeführt, dass es Montesquieu in „Esprit des Lois“ um eine Darstellung der großen<br />

Linien des staatlichen Grundgefüges ging, um mit ihnen den <strong>im</strong>manenten Sinn der Verfassungseinrichtungen zu<br />

erhellen. Maßgeblich sei es ihm zu verdanken, dass die gesetzgebende Gewalt als einheitliche wahrgenommen<br />

wird, da er aus dem Haus of ‚Lords‛ und ‚Commons‛ eine einzige Gewalt deutete, was dem englischen <strong>Verfassungssystem</strong><br />

durchaus entsprach. (Vgl. M. Imboden, Montesquieu und die Lehre der Gewaltentrennung, S. 5/6.)<br />

H.-P. Schneider, Gewaltenverschränkung zwischen Parlament und Regierung, in: Gewaltentrennung und Rechtsstaat,<br />

S. 78 ff, stellt klar, dass Montesquieu der vollständig vom französischen Absolutismus geprägt war, nicht in<br />

der Lage gewesen sein kann, die wirklichen Verfassungsverhältnisse <strong>im</strong> England des 18. Jahrhunderts tatsächlich<br />

zu erfassen, sondern lediglich deren Aspekte fragmenthaft wahrnahm und zu einem eigenen Bild zusammensetzte.<br />

1093 Nicht umsonst riet König Friedrich der Große von Preußen in einem seiner politischen Testamente (jedoch<br />

in anderem Zusammenhang) seinen Nachfolgern, die Schaffung des Amtes eines Premierministers nicht zuzulassen.<br />

Er erkannte in diesem den Führer des Volkes, der sich wie ein Volkskönig aufführen würde. – Vgl. Friedrich,<br />

in: Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 30.

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