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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Konfliktlinien zum Gewaltenteilungsprinzip<br />

Gegenspieler geschlagen scheinen, leichter auf diese staatsrechtliche ‚Unsauberkeit‛<br />

hingewiesen werden kann. Für Stahl war die daraus folgende unrichtige Gewaltenteilungsargumentation<br />

ohnehin nur Mittel zum Zweck, um die Unzulänglichkeit<br />

der Argumente für ein lediglich suspensiv ausgestaltetes Veto aufzuzeigen.<br />

Ihm als überzeugten Monarchisten ging es um die Stellung des Kaisers an sich,<br />

diese versuchte er mit pathetischer Argumentation 1079 zugunsten eines absoluten<br />

Vetos gegenüber der Gesetzgebung des Parlaments zu festigen. Eine terminologische<br />

Deutungsoffensive zur klaren Unterscheidung von Veto und Zust<strong>im</strong>mung<br />

wäre für ihn und sein Ansinnen mithin nicht zielführend gewesen.<br />

Jene hier aufgezeigte Veto-Fehldeutung aus der Zeit der ersten <strong>deutschen</strong> Verfassungsentstehung<br />

setzte sich auch in der Staatslehre des späten Kaiserreichs für<br />

die Reichsverfassung von 1871 fort. Allen voran hatte der Staatsrechtler Laband<br />

erheblichen Anteil an der sich fortsetzenden Begriffsvermengung. Die hitzige<br />

Debatte um die oben aufgezeigte Problemstellung, der fragwürdigen These der<br />

Sanktion als Veto, machte eine Begriffsklarheit fast unmöglich. Was vor allem<br />

daran lag, dass die Sanktionsthese in der Reichsverfassung maßgeblich geprägt war<br />

von der Verquickung des Vetos mit der Zust<strong>im</strong>mung und dieser mit der Sanktion.<br />

Mallmann, einer der schärfsten Kritiker der Sanktionsthese Labands, fragte daher<br />

auch ganz offen, wie von Laband <strong>im</strong> Angesicht der gängigen Auffassung von<br />

Inhalt und Bedeutung der Sanktion <strong>im</strong> Konstitutionalismus, wo die Sanktion als<br />

1079 Gerade die Fragestellung ob ein Einspruch des Kaisers <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren suspensiver oder absoluter<br />

Natur sein sollte, wurde von Stahl zur alles entscheidenden Frage über das Wohl und Wehe der Konstitution<br />

erhoben – diese fulminante Argumentation sei <strong>im</strong> Folgenden auszugsweise dargelegt – entnommen aus: Stahl,<br />

Das suspensive Veto, in: Die Revolution und die constitutionelle Monarchie: „…Denn der Zweck des Königlichen<br />

Vetos, wenn man es nicht von vornherein als einen bloßen Schein betrachtet, soll doch der sein, daß der König ein Gegengewicht bilde<br />

gegen die Volksvertretung, sowohl weil diese nach keinem denkbaren Wahlmodus der sichere adäquate Ausdruck des Volkswillens<br />

ist, als weil der Wille der Volksmehrheit selbst dem Irrthum, der Leidenschaft, der Ungerechtigkeit unterworfen ist. Es sollen<br />

mittelst des Veto an König und Volksvertretung zwei selbständige Faktoren der gesetzgebenden Gewalt bestehen, damit der einzelne<br />

Staatsbürger und die Minorität, ja die vorhandenen heilsamen Einrichtungen des Vaterlandes selbst an dem einen Factor einen<br />

Schutz finden gegen den anderen. Das ist seit Montesquieu von allen Anhängern des constitutionellen Systems einst<strong>im</strong>mig und<br />

unbestritten als der Zweck der sogenannten Theilung der Gewalt anerkannt. Wird das nun erreicht durch das suspensive Veto? […]<br />

Es ist in der That der Unterschied zwischen einem suspensiven Veto und gar keinem Veto nicht von großer Bedeutung. S. 36/37<br />

[…] Den deutlichen Beweis von der Unüberlegenheit und Unzulänglichkeit des supensiven Veto gibt das Gebiet der Verfassung.<br />

Denn gesetzt auch, es wäre für alle andere Gesetze mit dem Veto überhaupt nicht ernstlich gemeint, hierfür muß es ernstlich gemeint<br />

sein, und liegt es auf platter Hand, daß bei bloß aufschiebendem Veto die gesamte Verfassung, die Monarchie selbst preisgegeben ist.<br />

(S. 38) […] Es unterliegt daher auch jede künftige Abänderung der Verfassung nur den Grundlagen …, daß die beiden Kammern<br />

unter nur zwe<strong>im</strong>aliger Verschiebung des Königs erfolge, und der König, der diese Verfassung ann<strong>im</strong>mt und beschwört, darf, wenn<br />

dereinst dieser Beschluß gefaßt werden sollte, nach Recht und Gewissen nicht anders als gehorsam vom Throne steigen, nachdem er<br />

zuerst noch die Verkündung des Gesetzes, das die Republik einführt… befohlen. Es scheint also man richtet sich darauf ein, in<br />

jedem Augenblick die Republik auf völlig loyalem Wege einführen zu können. Sieht man nun vollends nicht auf den bloßen Zweck<br />

und Erfolg des Veto, sondern auf Zweck und Wirkung des Königthums überhaupt, und nicht auf seine bloße mechanische Stütze,<br />

sondern auf seine ganze sittlich-geistige Wirkung, so erhellt, daß durch das suspensive Veto alles das fällt, was man von der Monarchie<br />

erwartet. Denn es ist dadurch geradezu die Königliche Macht und Würde vernichtet; ohne diese aber giebt es keine Monarchie.<br />

Der König, dem nur ein suspensives Veto zusteht, hat eine gesetzgebende Gewalt außer und über sich. Es besteht eine Macht, deren<br />

Faktor er selbst nicht ist, welche die Gesetze macht, die er befolgen und ausführen muß. (S. 39) […] Der König mit seinem zwe<strong>im</strong>aligen<br />

Veto ist daher Unterthan unter der absoluten Gewalt der republicanischen Versammlung. Er ist nichts Anderes als Exekutivbehörde<br />

– denn Exekutivgewalt kann man nicht sagen von einem blos untergebenen Organ […] Was ist das nun aber für eine<br />

Verfassung, die einen König aufstellt und ihn zugleich rechtlich und gesetzlich als Unterthan seiner Unterthanen erklärt (S. 39/40)<br />

[…] Unendlich besser ist darum die Republik, als eine Monarchie, in der man den König unter sich sieht. … (S. 41)“.<br />

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