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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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394<br />

E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />

werden, weil er für eine möglichst starke Ausprägung eines exekutiven Vetos des<br />

Staatsoberhauptes in der neu zu kreierenden Reichsverfassung eintrat. Anders als<br />

Murhard, der sich darauf beschränkte das Heil in einer Verfassungsadaption französischer<br />

Verhältnisse zu suchen, um mittels dieser das Parlament in die Prärogative<br />

zu bringen, konnte Stahl daher auch die Unterschiede zu anderen europäischen<br />

Monarchen herausarbeiten, um hierüber festzustellen, dass schon das konstitutionelle<br />

Recht der Fürstenländer ein anderes war, als dasjenige auf dem die<br />

englischen Kronrechte basierten. 1077<br />

Stahl äußerte sich in seiner diesbezüglichen Denkschrift „Das suspensive Veto“<br />

insbesondere zu der Frage, ob dem zukünftigen Deutschen Kaiser auf Reichsebene<br />

ein Vetorecht zustehen und wie es ausgeprägt sein sollte. Er argumentierte<br />

dabei genauso verbissen und emotional für das absolute und unbedingte Veto, wie<br />

es vor ihm Murhard für das suspensive tat. Stahl war jedoch mit dem Vermögen<br />

ausgestattet, den Fehler der murhardschen Vetoargumentation herauszufiltern. So<br />

schrieb er:<br />

„…Der König soll einem Gesetzesvorschlag, den beide Kammern angenommen, zwar zwe<strong>im</strong>al<br />

die Zust<strong>im</strong>mung versagen können; aber wenn sie ihn zum dritten Mal unverändert angenommen,<br />

soll er von selbst (ohne königliche Zust<strong>im</strong>mung) Gesetzeskraft erhalten. Dem entspricht auch die<br />

Best<strong>im</strong>mung, daß der König die Gesetze nicht sanctioniert, nicht sie zu Gesetzen macht durch<br />

seinen Assent nach dem Vorbild des englischen Staatsrechts, sondern nur die Verkündung der<br />

Gesetze (die also ohne ihn schon Gesetze sind) befiehlt…“ 1078<br />

Leider belässt es Stahl bei jener, eher als Nebensatz geäußerten, Bemerkung. Es ist<br />

müßig ergründen zu wollen, warum er nicht weiter ansetzt, um die Unzulänglichkeit<br />

des frühkonstitutionellen Vetoansatzes, wie ihn Murhard aus der französischen<br />

Verfassungsdebatte einführte, schonungslos zu offenbaren. Fraglos wäre es<br />

für einen derartig wortgewaltigen Verfechter der monarchischen Kultur ein Leichtes<br />

gewesen, diesen strukturellen Unterschied aufzuzeigen. Man muss ihm wohl<br />

zugutehalten, dass anders als aus heutiger Sicht, wo alle Schlachten um das Veto<br />

eines exekutiven Staatsoberhaupts, als gegenüber dem Parlament ebenbürtigem<br />

1077 In seiner zusammenfassenden Darstellung zur Abhandlung von Julius Stahls „Das monarchische Prinzip“<br />

(1845) fasst Ellwein die eigentlichen Gegensätze der konstitutionellen Verfassungswelten Deutschlands und<br />

Westeuropas wie folgt zusammen: „…Der eigentliche und spezifische Gegensatz gegen das monarchische Prinzip ist deshalb<br />

vielmehr das parlamentarische Prinzip, […], d. i. die überwiegende Stellung des Parlaments gegenüber dem Könige, die sich in<br />

England ausgebildet hat, und natürlich in den auf Volkssouveränität gegründeten Verfassungen nicht in geringerem sondern in<br />

höherem Maße angestrebt wird. Im Unterschied dazu wird man nach Stahl das wirkliche monarchische Prinzip darin finden müssen,<br />

‚daß die fürstliche Gewalt dem Rechte nach undurchdrungen über der Volksvertretung stehe und daß der Fürst tatsächlich den<br />

Schwerpunkt der Verfassung, die positiv gestaltende Macht <strong>im</strong> Staate, der Führer der Entwicklung bleibe.‛ Das monarchische<br />

Prinzip hat also mit der Souveränität des Monarchen nichts zu tun. Auch der englische König ist souverän,[…], aber er ist kein<br />

Monarch <strong>im</strong> Sinne Stahls. Dagegen waren die Fürsten zur Zeit des alten Reiches nicht souverän. Aber sie waren Fürsten nach dem<br />

monarchischen Prinzip, auch wenn sei sich vor höheren Gerichten zu verantworten hatten. Sie waren der ‚Schwerpunkt der Verfassung<br />

und die Stände hatten keine Landeshoheit‛. …“ Vgl. Ellwein, Das Erbe der Monarchie in der <strong>deutschen</strong> Staatskrise,<br />

S. 86/87.<br />

1078 Stahl, Das suspensive Veto, in: Die Revolution und die constitutionelle Monarchie, S. 36 ff.

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