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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />

nicht durchsetzen konnten, führte deren Fauxpas der Gleichsetzung des „Royal<br />

Assent“ mit einem Veto der Krone <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren für die zukünftigen<br />

staatsrechtlichen Vetobetrachtungen zu einer verhängnisvollen terminologischen<br />

Verquickung. Murhard, der sich in seiner fulminanten Argumentation gegen<br />

das absolute Vetorecht <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Konstitutionalismus maßgeblich auf<br />

Mounier stützte, <strong>im</strong>portierte nämlich jene Fehlvorstellung mit fatalen Folgen unreflektiert<br />

in die deutsche Konstitutionalismusdebatte.<br />

Man wird am ehesten eine Antwort auf die Frage nach dem Grund für die fehlende<br />

Reflektion der Grundverschiedenheit eines Vetos von einem Zust<strong>im</strong>mungserfordernis<br />

finden, wenn man die Verbissenheit betrachtet, welche nicht nur<br />

Mounier, sondern auch den anderen seiner französischen Zeitgenossen, wie z.B.<br />

Mirabeau, innewohnte. Auch Mirabeau, der, wie v. Beyme feststellt, „mit theoretischem<br />

Scharfsinn“ ausgestattet war, verlor <strong>im</strong> Rahmen des Kampfes zwischen Monarchisten<br />

und Anhängern einer parlamentarischen Regierung den inhaltlichen Überblick<br />

und konnte sich dieser Gleichsetzung nicht entgegenstellen. Sein zynischer Ausspruch,<br />

‚dass er ohne königliches Veto in Frankreich lieber in der Türkei leben wollte‛ 1074 ,<br />

mag als Menetekel der Gesamtsituation gelten, in welcher das englische Kronrecht<br />

des „Royal Assent“, zum H<strong>im</strong>melreich der <strong>Vetorechte</strong> stilisiert wurde, ohne zu<br />

erkennen, dass das dortige Zust<strong>im</strong>mungserfordernis <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren<br />

schon systembedingt gar nicht mit einem Veto gleichsetzbar sein konnte.<br />

Insoweit gilt es also zunächst zu erkennen, dass die französische Verkennung<br />

des englischen „Royal Assent“ gleichsam dem fehlerhaften Gebrauch <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />

Verfassungsrecht Tür und Tor geöffnet. Im Kontext jener weit mehr als<br />

nur terminologischen Verquickungskultur erwies sich aus heutiger Sicht betrachtet<br />

allein der Rechtsgelehrte Julius Stahl 1075 als dermaßen abstraktionsfähig, dass er<br />

jenes Missverständnis aufzudecken vermochte. Er befasste sich, auf der anderen<br />

Seite des politischen Spektrums befindlich, zur Zeit des Frankfurter Paulskirchenverfassungsentwurfs<br />

mit der Frage des königlichen Vetos <strong>im</strong> konstitutionellen<br />

Staatsrecht. Gerade weil er nicht der damals zwar sozialadäquaten, aber wie aufge-<br />

reich und England so groß sei, dass man die beiden Systeme niemals angleichen könnte. In England sei die Machtfülle des Parlaments<br />

gefährlich, weil es neben der legislativen Gewalt auch den ‛pouvoir constituant‛ in den Händen habe. Daher habe in England<br />

das königliche Veto eine nützliche Funktion. In Frankreich aber sei es überflüssig: König und <strong>Exekutive</strong> hätten von der legislativen<br />

Versammlung nichts zu befürchten, da <strong>im</strong> Falle eines ‛désordre public‛ noch <strong>im</strong>mer der Appell an den ‛pouvoir constituan‛ als<br />

Heilmittel zur Verfügung stehe. …“<br />

Letzten Endes führte die Diskussion, welche überdies mit vielerlei anderen Fragen, wie der um ein monarchisches<br />

Parlamentsauflösungsrecht vermischt wurde, zu einem wenig system-konsequenten suspensiven Veto in der<br />

ersten französischen Nachrevolutionsverfassung von 1791. Dieses suspensive Veto wurde dergestalt ausgeformt,<br />

dass jedes Gesetz der königlichen Zust<strong>im</strong>mung bedurfte. Wurde diese verweigert, sah man dies als suspensives<br />

Veto an, da in derselben Wahlperiode dem König dieses Gesetz nicht wieder vorgelegt werden durfte. Erst wenn<br />

das Gesetz in zwei aufeinander folgenden Wahlperioden dem König durch die Nationalrepräsentation unverändert<br />

vorgelegt wurde, trat es trotz des königlichen Dissenses in Kraft.<br />

1074 Zitiert bei: Stahl, Was ist ein constitutioneller König?, in: Die Revolution und die constitutionelle Monarchie,<br />

S. 58.<br />

1075 Maßgeblich sei hier auf Stahls <strong>im</strong> Jahr 1848 erschiene Reihe ineinander greifender fünf Abhandlungen verwiesen,<br />

die unter dem Titel „Die Revolution und die constitutionelle Monarchie“ erschienen und auf die <strong>im</strong> Folgenden<br />

maßgeblich Bezug genommen wird.

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