Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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388 E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung setzung mit Mouniers Beiträgen. Er verengt die gesamte Fragestellung darauf, ob dieses Vetorecht nun ein Unbedingtes oder Bedingtes sein sollte. Gerade weil die Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Vetos durch die Gleichsetzung mit dem Zustimmungserfordernis im Gesetzgebungsverfahren beantwortet schien, konzentrierte sich Murhard in seiner Abhandlung im Wesentlichen auf die von ihm als maßgeblich empfundene Fragestellung nach der Intensität des Vetos als absolutes und unbedingtes oder als suspensives Recht zum Dazwischentreten. Die thematische Verengung auf die Vetointensität durchzieht Murhards Werk „Das Königliche Veto“ (1832) in fundamentaler Art und Weise und stellt dabei ein flammendes Plädoyer gegen das unbedingte königliche Veto im konstitutionellen Staatsrecht dar: „…Darum kann ich auch Mounier selbst darin nicht beistimmen, daß es die Würde des Throns erfordere, dem Fürsten das Recht zuzusichern Gesetze durch ein Veto pure und ohne alle Angabe der Beweggründe seiner Verwerfung, zu verwerfen. Er meint nämlich, daß, wenn der Fürst sich dazu herablassen müsste, diese seine Beweggründe der Versammlung der Volksvertreter bekannt zu machen, letzte sich im Besitze des Rechts glauben würde, sie zu beurtheilen und folglich keine Achtung dafür zu haben. 1061 […] Uebrigens gesteht Mounier selbst ein, daß auch das absolute Veto in den Händen des Königs nur eine sehr unzureichende Schutzwehr für die Konstitution darbietet und wenn es als Mittel dienen soll, die Unabhängigkeit der königlichen Macht zu erhalten… 1062 […] Wenn die Volksvertreter die Meinung der Menge auf ihrer Seite hätten, dann würde die Anwendung des Veto das Ansehn der Krone sogar in Gefahr stellen. Ueberhaupt – haben mit Mounier auch andere Monarchisten geurtheilt – würde das Veto auch in seiner Unbedingtheit immer nur eine ohnmächtige Waffe abgeben, wenn die Volksrepräsentation in einer einzigen Versammlung dem Könige gegenüberstände… 1063 […] Ich glaube, daß in keinem wohlgeordneten Staate, wo die öffentliche Freiheit gesichert sein soll, irgend eine Autorität vorhanden sein dürfe, welcher grundgesetzlich eine Machtübung ohne alle Einschränkung und Bedingung zustände. In der konstitutionellen Monarchie müssen Regent und Volksrepräsentation das Recht haben, gegenseitig einander gegenüber ein Veto bei der Gesetzgebung geltend zu machen; allein bei beiden darf dieses Veto nicht von der Art sein, daß gar keine Hülsfmittel gegen dessen Wirkungen möglich wären, selbst wenn auch eine Remedur noch so nothwendig erschiene. Der konstitutionelle Monarch hat das Mittel, das Veto der Volksre- 1061 A.a.O., S. XXV/XXVI. 1062 A.a.O., S. XXVI/XXVII. 1063 A.a.O., S. XXVIII.

I. Konfliktlinien zum Gewaltenteilungsprinzip präsentation, wenn er dasselbe für nachtheilig hält, dadurch unwirksam zu machen, daß er die Versammlung auflöst und eine neue beruft, der er das von der vorigen verworfene Gesetz von neuem vorlegt. 1064 […] Allein welches Hülfsmittel hat die Nation gegen das Veto des Monarchen, falls dieses kein suspensives, sondern ein unbedingt absolutes ist? – Hier ist also die Ungleichheit der Gewichte in der Wagschale der Gewalten, die eine Abhülfe in der Verfassung erfordert, wenn die Erhaltung eines gewissen Gleichgewichts möglich sein soll. 1065 […] So oft also der Regent einen Zweifel hat, daß der vernünftige Wille der Staatsgesellschaft in den Beschlüssen der Volksvertretung nicht ermittelt vorliege, kann und muß er sich alsbald in verfassungsmäßiger Weise Aufklärung zu verschaffen suchen, ob sein Zweifel begründet ist oder nicht, und im letztern Falle hat er kein vernünftiges Motiv, seine Zustimmung zu verweigern. Denn dies könnte er alsbald nur thun, wenn er seine Bestimmung durchaus verkennte d. i. nicht das wäre oder sein wollte, was er sein soll. Man sieht mithin, daß der wahre Regent immer nur höchstens vorübergehend des Rechts zur Anwendung oder Geltendmachung eines Veto bedarf, folglich ein bedingtes Vetoprärogativ für ihn vollkommen hinreicht, seinen hohen Beruf zu erfüllen. 1066…“ bb. Manifestation der begrifflichen Ungleichheit Der Frage, was denn dieses Vetorecht überhaupt darstellt und wie es im Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative wirken solle, wurde in der Abhandlung Murhards nur wenig Platz eingeräumt. Gedanken nach Dimension und staatsrechtlicher Einpassung konnten in jenem Manifest gegen die Absolutheit des Vetos kaum Raum greifen. Murhard beschränkte sich vielmehr eher auf die Beweisführung im Zitatverfahren, in welcher er allen voran Mounier als Herold aus der Vergangenheit, die Gedankenwelt der konstituierenden französischen Nationalversammlung darstellen ließ. Das Mounier, der erklärter „monarchiens“ 1067 war, zur Bekämpfung des aufstrebenden Parlamentarismus und zur Sicherung der königlichen Stellung zum Doktrinär einer apodiktischen Gewaltenteilungslehre wurde, verschweigt Murhard genauso beflissentlich, wie den Umstand, dass es in der französischen Debatte primär weniger um das königliche Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren an sich ging, als vielmehr um die parlamentarische Verantwortlichkeit der königlichen Minister und damit um diejenige des sie ernennenden 1064 A.a.O., S. XXIX. 1065 A.a.O., S. XXX. 1066 A.a.O., S. XXXII/XXXIII. 1067 Als „monarchiens“ wurden die Fraktion der Monarchisten, also der Anhänger eines starken Königs, in der Verfassung bezeichnet, welche zusammen mit politisch gleichgerichteten oder diametral anders denkenden gesellschaftlichen Interessengruppen die französische Konstitution von 1791 ausarbeiteten. 389

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E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />

setzung mit Mouniers Beiträgen. Er verengt die gesamte Fragestellung darauf, ob<br />

dieses Vetorecht nun ein Unbedingtes oder Bedingtes sein sollte.<br />

Gerade weil die Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Vetos<br />

durch die Gleichsetzung mit dem Zust<strong>im</strong>mungserfordernis <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren<br />

beantwortet schien, konzentrierte sich Murhard in seiner Abhandlung <strong>im</strong><br />

Wesentlichen auf die von ihm als maßgeblich empfundene Fragestellung nach der<br />

Intensität des Vetos als absolutes und unbedingtes oder als suspensives Recht zum<br />

Dazwischentreten. Die thematische Verengung auf die Vetointensität durchzieht<br />

Murhards Werk „Das Königliche Veto“ (1832) in fundamentaler Art und Weise<br />

und stellt dabei ein flammendes Plädoyer gegen das unbedingte königliche Veto<br />

<strong>im</strong> konstitutionellen Staatsrecht dar:<br />

„…Darum kann ich auch Mounier selbst darin nicht beist<strong>im</strong>men, daß es<br />

die Würde des Throns erfordere, dem Fürsten das Recht zuzusichern Gesetze<br />

durch ein Veto pure und ohne alle Angabe der Beweggründe seiner<br />

Verwerfung, zu verwerfen. Er meint nämlich, daß, wenn der Fürst sich dazu<br />

herablassen müsste, diese seine Beweggründe der Versammlung der<br />

Volksvertreter bekannt zu machen, letzte sich <strong>im</strong> Besitze des Rechts glauben<br />

würde, sie zu beurtheilen und folglich keine Achtung dafür zu haben.<br />

1061 […]<br />

Uebrigens gesteht Mounier selbst ein, daß auch das absolute Veto in den<br />

Händen des Königs nur eine sehr unzureichende Schutzwehr für die Konstitution<br />

darbietet und wenn es als Mittel dienen soll, die Unabhängigkeit der<br />

königlichen Macht zu erhalten… 1062 […]<br />

Wenn die Volksvertreter die Meinung der Menge auf ihrer Seite hätten,<br />

dann würde die Anwendung des Veto das Ansehn der Krone sogar in Gefahr<br />

stellen. Ueberhaupt – haben mit Mounier auch andere Monarchisten<br />

geurtheilt – würde das Veto auch in seiner Unbedingtheit <strong>im</strong>mer nur eine<br />

ohnmächtige Waffe abgeben, wenn die Volksrepräsentation in einer einzigen<br />

Versammlung dem Könige gegenüberstände… 1063 […]<br />

Ich glaube, daß in keinem wohlgeordneten Staate, wo die öffentliche Freiheit<br />

gesichert sein soll, irgend eine Autorität vorhanden sein dürfe, welcher<br />

grundgesetzlich eine Machtübung ohne alle Einschränkung und Bedingung<br />

zustände. In der konstitutionellen Monarchie müssen Regent und Volksrepräsentation<br />

das Recht haben, gegenseitig einander gegenüber ein Veto bei<br />

der Gesetzgebung geltend zu machen; allein bei beiden darf dieses Veto<br />

nicht von der Art sein, daß gar keine Hülsfmittel gegen dessen Wirkungen<br />

möglich wären, selbst wenn auch eine Remedur noch so nothwendig erschiene.<br />

Der konstitutionelle Monarch hat das Mittel, das Veto der Volksre-<br />

1061 A.a.O., S. XXV/XXVI.<br />

1062 A.a.O., S. XXVI/XXVII.<br />

1063 A.a.O., S. XXVIII.

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