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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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E. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Einpassung<br />

Organe“ faktisch nicht geben konnte. 1037 Insbesondere hatte der Parlamentarische<br />

Rat eines wohl vollkommen falsch eingeschätzt: Anders als vorgesehen agierten<br />

die einzelnen Abgeordneten von Anfang an nicht als Einzelne, sondern als fraktionierte<br />

Konglomerate, die sich insbesondere durch Homogenität und vor allem<br />

Geschlossenheit auszeichneten. Der politische Wettbewerb um die Macht zwang<br />

von der ersten Sekunde parlamentarischer Arbeit zu einem einheitlichen Handeln,<br />

welches zu einer Disziplinierung des einzelnen Abgeordneten führte.<br />

Nur als geschlossene Regierungsmehrheit ist und war eine politische Gruppierung<br />

oder sind verschiedene solcher, die sich entschlossen haben miteinander zu<br />

koalieren, in der Lage, Mehrheitsbeschlüsse herbeizuführen. Nur wenn es dieser<br />

Interessenseite <strong>im</strong> Parlament gelingt, in Personal- und Sachfragen regelmäßige und<br />

dauerhafte parlamentarische Mehrheit zu organisieren, kann sie ihre politische<br />

Agenda durchsetzen. An dieser Stelle tritt also exemplarisch das Parlamentarische<br />

Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland in den Gegensatz zur klassischen<br />

Konzeption der Gewaltenteilung. In einem Parlamentarischen System kann<br />

es die politische Mehrheit nicht zulassen, dass die Besetzung der staatsleitenden<br />

<strong>Exekutive</strong> oder jedes einzelne Gesetzeswerk dem freien Spiel der parlamentarischen<br />

Kräfte ausgesetzt würde. Die Stabilität der politischen Führung in der Bundesrepublik<br />

macht es von Beginn an erforderlich, dass die Normsetzung<br />

antizipierbar ist, genauso wie die Best<strong>im</strong>mbarkeit des staatsleitenden Personals.<br />

Der Parlamentarische Rat übersah offensichtlich, dass die Unterstützung der<br />

von der parlamentarischen Mehrheit gewählten Regierung und die pseudodemokratische<br />

Freigabe des parlamentarischen Raumes sich gegenseitig ausschließen.<br />

Die Richtlinienkompetenz aus Art. 65 GG allein genügt dem Bundeskanzler nicht,<br />

um seinen Anspruch auf politische Führung außerhalb des Kabinetts durchzusetzen.<br />

Gleiches gilt für die Ministerpräsidenten in den Ländern. Hierfür bedarf es<br />

belastbarer kollusiver Beziehungen zur Volksvertretung.<br />

Da es pr<strong>im</strong>äres Ziel der parlamentarischen Minderheit sein muss, bei der<br />

nächsten Wahl die Mehrheit der Abgeordneten zu erringen, sieht sich die Regierungsseite<br />

einem relativ homogenen Oppositionsblock gegenüber. Schafft es die<br />

Mehrheit <strong>im</strong> Parlament nicht, die Agenden der von ihr gewählten exekutiven Führung<br />

in Gesetze zu formen, also parlamentarisch geschlossen zu agieren, wird sie<br />

i.d.R. nach der nächsten Wahl, wegen offenkundig gemachter Durchsetzungsunfähigkeit<br />

nicht mehr über die parlamentarischen Mehrheiten hierfür verfügen. Da<br />

eine legislative Mehrheit einen von ihr gewählten Bundeskanzler oder Ministerpräsidenten<br />

nicht <strong>im</strong> ‚Regen stehen lassen‛ kann, denn dessen Scheitern fiele unweigerlich<br />

auf sie zurück, muss sie sich mit der <strong>Exekutive</strong> verweben, um dieser möglichst<br />

dauerhaften Halt zu geben.<br />

Der Parlamentarische Rat unterschätzte die Folgen seiner Entscheidung zugunsten<br />

des Parlamentarischen Regierungssystems auf ganzer Linie. Dessen Alltag<br />

1037 Vgl. Sternberger, Gewaltenteilung und parlamentarische Regierung in der Bundesrepublik, in: Strukturwandel<br />

der modernen Regierung, S. 186.

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