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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Konfliktlinien zum Gewaltenteilungsprinzip<br />

Daran läßt sich die Gültigkeit der landläufigen <strong>deutschen</strong> Vorstellungen ermessen, wonach<br />

Montesquieu aus rein theoretischen Unterscheidungen zu seinen Ergebnissen gekommen, daß er<br />

ein abstrakt juristischer, nicht ein konkret politischer Denker gewesen sei. Die These, daß er die<br />

drei staatlichen Grundfunktionen auch staatsrechtlich-organisatorisch auf je ein Staatsorgan als<br />

Träger habe aufteilen wollen, läßt sich demnach nicht halten. […]<br />

Die landläufige deutsche Auffassung ist noch nicht einmal für das Verhältnis der vollziehenden<br />

zur gesetzgebenden richtig. Montesquieu hat nämlich gar keine echte Teilung zwischen ihnen<br />

vorgeschlagen. Die übliche deutsche Deutung trifft allenfalls zu für die Rechtsprechung und auch<br />

das nur zur Hälfte; sie sollte als ‚Gewalt‛ überhaupt beseitigt werden. Das ist übrigens die einzige<br />

einschlägige Stelle, wo Montesquieu selbst das Wort ‚séparer‛ gebraucht. Für die beiden anderen<br />

Funktionen und ihre drei Träger reduziert sich die vermeintliche Lehre von der Gewalten-<br />

‚teilung‛ auf die Forderung einer Teilung unter wechselseitiger Verschränkung. […]<br />

Dagegen spricht Montesquieu <strong>im</strong> folgenden Kapitel desselben Elften Buches von Gewalten, die<br />

nicht zweckentsprechend ‚aufgeteilt und verschmolzen‛ (distribués et fondus) seien. Wenn er, wie<br />

erwähnt, vor der Gewaltenvereinigung gewarnt hat, so besagt das also keineswegs, daß er eine<br />

starre Gewaltenteilung wollte. Allenfalls ist die wirkliche Gewaltentrennung für ihn der eine Pol<br />

der gegebenen Möglichkeiten, dem der Gegenpol gegenübergestellt wird, so daß ein Ausgleich<br />

gesucht werden muß. Wer die Gewalten rigoros teilen wollte, müßte ihre Träger in der politischen<br />

Wirklichkeit trennen. […]<br />

Gerade darin, daß Montesquieu den Gedanken einer Teilung nicht durchführte, wohl aber einen<br />

Ausgleich durch Verteilung und Verschränkung suchte, zeigt sich sein konkretes politisches<br />

Denken, seine präzise politische Zielsetzung. Sind die drei Staatsfunktionen sinnvoll aufeinander<br />

bezogen und kann ohne diesen Bezug kein Ganzes der Staatsgewalt mehr sein, so würde ihre<br />

Aufteilung auf verschiedene politische Kräfte als Funktionsträger zum Auseinanderfallen nicht<br />

nur der Funktionen, sondern damit auch des Staates treiben. Montesquieu steuert hier mit bemerkenswerter<br />

Sicherheit auf die politische Lösung zu: der König soll bei der Gesetzgebung mitwirken,<br />

er kann es laufend durch sein königliches Veto; umgekehrt sollen die Träger der Legislative<br />

auch bei der Verwaltung mitwirken… […]<br />

Mit dem landläufigen Bild von der angeblichen ‚Teilung‛ und wechselseitigen Unabhängigkeit der<br />

drei Gewalten hat das wenig zu tun. […]<br />

Montesquieu sah klar, daß die politische Verschränkung, die er als Befugnis d‛ arrêter oder<br />

d‛empêcher – aufzuhalten, zu verhindern, kurzum durch Einspruch oder Veto zu blockieren –<br />

bezeichnet, die drei obersten Staatsorgane auf ständiges Zusammenwirken anweist, wenn die<br />

Erledigung der Staatsgeschäfte nicht zum Stillstand kommen soll. […] Montesquieu vertraut<br />

darauf, daß keines der drei obersten Staatsorgane seine Mitwirkung versagen, sondern daß sie<br />

sich zu einem Kompromiß zusammenfinden und demgemäß zusammenwirken würden. […]<br />

Auch das war kennzeichnend für sein politisches Denken, das von unserem undynamischen Bild<br />

einer ‚Balance‛ weit entfernt ist; dies Wort kommt <strong>im</strong> 6. Kapitel des Elften Buches nicht vor,<br />

und seine Art von ‚Gleichgewichts‛-Vorstellung hat Montesquieu höchstens insofern geleitet, als<br />

keines der drei obersten Staatsorgane die anderen sollte niederringen können. …“<br />

Fasst man die Analysen M. Drahts zusammen, kann man sagen: Montesquieu ging<br />

es in seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“ nicht um eine strikte Gewaltentren-<br />

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