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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

Über den Verlust der landeslegislativen Spielräume hinaus, den die ‚Hochzonung‛<br />

der Landeskompetenzen mit sich bringt, ist noch ein weiterer, die fortschreitende<br />

Entparlamentarisierung auf Landesebene forcierender Trend unübersehbar: Selbst<br />

in den wenigen Gesetzesagenden, die den Ländern geblieben sind, entfaltet jedes<br />

einzelne Land oftmals gar nicht mehr den Anspruch auf eigene politische Gestaltungskraft,<br />

sondern versucht vorrangig einen legislativen Gleichklang mit der Gesetzgebung<br />

der anderen Länder herzustellen. Dieser Gleichklang und der damit<br />

zusammenhängende inhaltliche Einfluss werden aber wiederum nicht auf der<br />

che Definition durch das Bundesverfassungsgericht unterbleibt, so wird doch gefordert, dass wesentliche Entscheidungsbefugnisse<br />

und -hoheiten bei den Ländern verbleiben. Diese lägen in der freien Best<strong>im</strong>mung über<br />

seine Organisation und seiner in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen<br />

sowie der Garantie der Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen des Bundesstaates<br />

(Vgl. BVerfGE 34, 9 (20)).<br />

Zu hinterfragen ist, ob der Erhalt eines relevanten Restes an Gesetzgebungskompetenzen für die Landesparlamente<br />

nicht ebenso zum Hausgut der Länderstaatlichkeit gehören muss. Gerade die Betrachtung der Rolle und<br />

Bedeutung der nationalen Parlamente <strong>im</strong> europäischen Rechtssetzungsprozess macht deutlich, dass ein Parlament<br />

ohne Kompetenz kein Parlament ist und ein Land ohne Landesparlament seine Eigenstaatlichkeit verloren hat, es<br />

ist dann bloße Verwaltungsuntergliederung des Zentralstaats. Der eigene Verfassungsraum erfordert jedoch nicht<br />

nur „constitutio“, sondern auch „actio“ als bedeutsames Mittel politischer Gestaltung (Meißner, Die Bundesländer<br />

und die Europäischen Gemeinschaften, 1996, S. 95/93).<br />

Diese Entwicklung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht zwingend gewesen. Es ist vielmehr geradezu<br />

widersinnig, die Landtage ausgerechnet dort auszuschließen, wo es um ihre ureigenste Kompetenz geht, wo die<br />

ausschließlichen Gesetzgebungsmaterien der Länder berührt sind. Es erscheint als völlige Verkehrung der auf das<br />

Land bezogenen Gewaltenteilung, wenn über das Bundesratsverfahren ausgerechnet in Bezug auf diesen Kernbereich<br />

legislativer Befugnisse der Landesparlamente, ein ausschließliches Vorrangrecht der Landesregierungen bei<br />

der EU-Rechtssetzung konstruiert wird. Die Landtage sind <strong>im</strong> Rahmen der geteilten Gewalt auf Länderebene zur<br />

Gestaltung des politischen Schicksals des Landes berufen. Es ist dem Grundgesetz keine Regel zu entnehmen,<br />

dass dieses Mitwirkungsrecht <strong>im</strong> europäischen Rechtssetzungsprozess auf die innerstaatliche Partizipation an der<br />

Richtlinienumsetzung beschränkt ist. Art. 50 und 51 GG sehen zwar grundsätzlich vor, dass die Länder nur über<br />

ihre Landesregierungen an Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Das gewählte Bundesratsverfahren<br />

nach Art. 23 GG macht deshalb den Ausschluss der Landeslegislativen noch nicht zwingend notwendig.<br />

Vielmehr läuft das Beteiligungsverfahren der Länder an der EU-Rechtssetzung nur deswegen über den Bundesrat,<br />

weil man dieses vorhandene Beteiligungsinstrument als „praktisches Vehikel“ in Anspruch nehmen konnte<br />

(Vgl. Goll, ZParl 4/1989, 587(589)). Art. 50 GG hat eine Entscheidung für das Bundesratsverfahren nicht erzwungen,<br />

er regelt nur den Grundsatz der Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung und Verwaltung des<br />

Bundes, sonst nichts. Die Passage, dass die Länder über den Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen<br />

Union mitwirken, wiederholt letztlich nur Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG. Hingegen manifestiert Art. 50 GG lediglich die<br />

Aussage, dass die Länder in Bereichen der Bundesgesetzgebung und -verwaltung zu beteiligen sind.<br />

Bei der Mitwirkung der Länder an der europäischen Rechtssetzung geht es jedoch, <strong>im</strong> Bereich ausschließlicher<br />

Landesgesetzgebungskompetenzen, gerade um etwas anderes, als um die Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung<br />

des Bundes. Es ist nicht einsehbar, warum in Fällen der Verortung ausschließlicher Landesgesetzgebungsmaterien<br />

auf europäische Ebene, die Landesregierungen am diesbezüglichen Rechtssetzungsprozess beteiligt<br />

sein sollen und nicht der eigentliche Inhaber, der lediglich einem durch die Hoheitsrechtsübertragung verursachten<br />

„Ausübungsverzicht“ (Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (63/66) unterliegt.<br />

Es ist aus Folgenabwägungssicht unwahrscheinlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht dieser Analyse<br />

anschließt, denn es würde den status quo, der mit Art. 23 GG gefunden wurde, paralysieren. Dennoch muss für<br />

Deutschland bezüglich der Rolle und Bedeutung der nationalen Parlamente <strong>im</strong> europäischen Rechtssetzungsprozess<br />

konstatiert werden: Von der Relevanz der regionalen Volksvertretungen ist wenig übrig geblieben ist. Sie<br />

partizipieren weder an der Hoheitsrechtsübertragung auf die Gemeinschaft noch haben sie einen verbrieften<br />

Einfluss auf die sich daraus ergebene europäische Rechtssetzung. Allein der Bundestag konnte seine legislativen<br />

Mitwirkungsrechte <strong>im</strong> europäischen Rechtssetzungsprozess tendenziell stärken. Ansonsten hat sich die exekutive<br />

Dominanz, insbesondere durch das Bundesratsverfahren, weiter verstärkt. Die Rolle der Gliedstaatskomponenten<br />

der nationalen Parlamente tendiert hingegen gegen Null.

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