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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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356<br />

D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

lisieren und einen neuen zu erzwingen. Dies ist auf den ersten Blick mit dem Aussagegehalt<br />

eines demokratischen Parlamentarismus nur schwerlich zu vereinbaren.<br />

Diese Konsequenzen des Vetopotentials müssen <strong>im</strong> Gesamtzusammenhang mit<br />

dem ohnehin labilen Zustand des Landesparlamentarismus gewürdigt werden. Die<br />

bundesstaatliche Ordnung 995 und eine <strong>im</strong>mer weiter fortschreitende Integration<br />

Deutschlands in das supranationale System der Europäischen Gemeinschaft unter<br />

dem Dach der Europäischen Union bringen den Landesparlamentarismus schon<br />

als singuläre Entwicklungen an den Rand der Existenzberechtigung. 996<br />

995 Zur Schwächung der Landesparlamente <strong>im</strong> Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung: Hofmann, in: Schmidt-<br />

Bleibtreu/Klein Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20, Rn 22-24.<br />

996 Über die Länderkompetenzverluste hinaus, die sich aus den innerstaatlichen Unitarisierungstendenzen ergeben,<br />

erfahren die <strong>deutschen</strong> Länder einen zunehmenden Machtverlust auch infolge der durch die fortschreitende<br />

europäische Integration <strong>im</strong>mer stärker ausufernden Rechtssetzung durch den Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber.<br />

Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht hat sich ein dezidierter europäischer Rechtssetzungsprozess entwickelt.<br />

Die Betrachtung von dessen Parametern muss unter der Prämisse erfolgen, dass europäische Rechtssetzung<br />

letztlich ein europäisch determinierter Vorgang ist, dem sich die nationalen Parlamente auch in Deutschland<br />

unterzuordnen haben und der Nationalstaat Deutschland auch für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in<br />

den Ländern Sorge zu tragen hat.<br />

Das Europäisches Gemeinschaftsrecht, dem gegenüber nationalem <strong>deutschen</strong> Recht, aufgrund „einer ungeschriebenen<br />

Norm des pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrechts“ (BVerfGE 75, 223 (244)), basierend auf dem Rechtsanwendungsbefehl<br />

des Art. 23 Abs.1 GG, Anwendungsvorrang (BVerfGE 85, 191(204)/EuGH Costa/ENEL,<br />

Urteil v. 15. Juli 1964 (6/64), Slg. S. 1251) zukommt, hat auch auf das föderale System Deutschlands unmittelbare<br />

Auswirkungen.<br />

Diese lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen:<br />

Soweit der Gemeinschaft ausnahmsweise eine (derzeit gegenständlich noch nicht so benannte) ausschließliche<br />

Gesetzgebungskompetenz zusteht, dürfen weder der Bund noch die Länder von ihren entsprechenden Gesetzgebungskompetenzen<br />

aus Art. 70 ff GG Gebrauch machen. In den übrigen Fällen der konkurrierenden gemeinschaftsrechtlichen<br />

Gesetzgebung wird die Kompetenzabgrenzung über das Subsidiaritäts- und<br />

Erforderlichkeitsprinzip gesteuert. Die Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten und damit Art. 70 ff GG bleiben<br />

folglich unberührt, soweit die Gemeinschaft keine ausschließliche Kompetenz hat, bzw. von ihrer konkurrierenden<br />

Kompetenz nicht durch unmittelbare geltende Vorschriften, insbesondere Verordnungen, Gebrauch gemacht<br />

hat. Für die bei Richtlinien erforderlichen nationalen Umsetzungsakte gelten wiederum allein die Art. 70 ff<br />

GG. (Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 70, Rn 1a.)<br />

Diese Entwicklung hin zur Supranationalität (Für den Begriff Supranationalität wird als übereinst<strong>im</strong>mendes<br />

Kriterium gefordert, dass die Möglichkeit besteht, verbindliche Beschlüsse zu fassen, die die Mitgliedsstaaten<br />

auch gegen ihren Willen zu einem best<strong>im</strong>mten Verhalten verpflichtet [Streinz, Europarecht, Rn 115/116]) kann<br />

nicht ohne Folgen für die bundesstaatliche Ordnung und die Rolle der Landtage in dieser bleiben. Die Übertragung<br />

hoheitlicher Befugnisse auf die supranationale Einrichtung Europäische Gemeinschaft ist zwangsläufig mit<br />

einem Kompetenz- und Machtverlust nationaler Organe verbunden. Ohne teilweisen Verzicht auf nationale<br />

Herrschaftsbefugnisse, gerade auch durch die Gesetzgebungsorgane, ist weder eine Wirtschaftsgemeinschaft<br />

noch eine politische Union denkbar (Zuleeg, DVBl 1992, 1329(1330)). Der innerstaatliche Gesetzgeber verliert<br />

somit in dem Maße, wie Gesetzgebungskompetenzen übertragen werden, an Macht. Die Übertragung von Hoheitsbefugnissen<br />

führt folglich zu einer „Entparlamentarisierung“ der Entscheidungsprozesse (Ossenbühl, DVBl<br />

1993, 629 (636)) und stellt damit den Kern des <strong>im</strong>mer wieder beklagten Demokratiedefizits der Gemeinschaft dar<br />

(Gr<strong>im</strong>m, JZ 1995, 581(582)).<br />

In föderalen Staaten wie Deutschland, tritt eine weitere innerstaatliche Verschiebung des Machtgefüges hinzu, die<br />

auch als ein Eingriff in die vertikale Gewaltenteilung (zum Begriff: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn<br />

231) bezeichnet wird und zu einer Machtverschiebung von den Gliedstaaten hin zur Zentralgewalt führt<br />

(Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Bundesstaat, 1989, S. 100) Diese<br />

vertikale Machtverschiebung ist möglich, da der Bund nach ganz herrschender Auffassung auch Landesgesetzgebungskompetenzen<br />

auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann (Rojahn in: v.Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar,<br />

Band 2, Art 24, Rn 23; Ress, EuGRZ 1986, 549 (554)). Insbesondere seit dem Vertrag von<br />

Maastricht sind <strong>im</strong>mer mehr originäre Ländergesetzgebungskompetenzen zugunsten des europäischen Rechtsetzungsprozesses<br />

vergemeinschaftet worden (Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Deutschen

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