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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen<br />

fragilen Mehrheiten <strong>im</strong>mer die Chance einzelne Abgeordnete temporär aus ihrem<br />

Lager zu lösen. 987<br />

Im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Einordnung und Bewertung von Art.<br />

119 HV erweist sich dieser als eine weitere Komponente, welche der hessischen<br />

Verfassung ein viel parlamentarismusskeptischeres Gesicht verleiht, als dies in der<br />

Selbstschau allgemein erkannt wird. Die Norm Art. 119 HV reiht sich jedenfalls<br />

nahtlos in die zumindest als fragwürdig zu erachtenden sonstigen Regelungen für<br />

die Regierungsbildung in Hessen ein. Diese mögen sich <strong>im</strong> politischen Normalfall<br />

der Mehrheitsregierung nicht bemerkbar machen. In Zeiten fast eruptiver politischer<br />

Verwerfungen, basierend auf einer großen Volatilität breiter Wählermassen,<br />

tritt dieser Makel bei genauem Hinsehen jedoch deutlich zu Tage. Zumindest<br />

sollte der verfassungsändernde Gesetzgeber Hessens sich dieser Norm mehr denn<br />

je bewusst werden, da die Würdigung, welche die Konstellation einer ‚geschäftsführenden<br />

Landesregierung‛ durch beide großen politischen Lager erfährt, mehr<br />

zu sein scheint, als bloße Koketterie. Ebenso wie bei einer Minderheitsregierung<br />

kann auch <strong>im</strong> Falle der geschäftsführenden <strong>Exekutive</strong> das Vetorecht aus Art. 119<br />

HV den Handlungsspielraum der Regierung fulminant erhöhen und ihr ermöglichen,<br />

Regierungspolitik entgegen dem in der Landtagswahl entäußerten politischen<br />

Willen des Volkes zu betreiben.<br />

(2) Konkreter Einspruchseinsatz<br />

Genau diese Gemengelage, determiniert durch die zunehmende Zersplitterung des<br />

<strong>deutschen</strong> Parteienwesens, prägte das politische Geschehen Hessens seit dem<br />

Frühjahr 2008. Die Abläufe <strong>im</strong> Frühsommer 2008 verdeutlichen das Machtpotential,<br />

welches einer ‚geschäftsführenden Landesregierung‛, die ausgerüstet mit einem<br />

Einspruchsrecht, wie dem aus Art. 119 HV dem politisch anders gepolten<br />

Landtag entgegen tritt, zur Verfügung steht. Beispielgebend führte die geschäftsführende<br />

CDU-Regierung mittels des Einspruchsrechtes aus Art. 119 HV ein<br />

Lehrstück der politischen Kunst auf und blamierte dabei die unter größtem Einsatz<br />

zusammengeschweißte linke Mehrheit <strong>im</strong> Landtag.<br />

Nachdem die parlamentarische Mehrheit aus SPD, Grünen und der Partei<br />

„Die Linke“ sich darauf verständigt hatten, als gemeinsames parlamentarisches<br />

Gesellenstück die Abschaffung des Studiengebührengesetzes zu vollbringen, um<br />

die geschäftsführende Landesregierung als Vollzugsorgan des Parlaments vorzuführen,<br />

scheiterte die legislative Mehrheit an ihrem eigenen Dilettantismus. Die<br />

987 Als Paradebeispiel für die Möglichkeiten einer scheinbar unterlegenen <strong>Exekutive</strong>, kann die fintenreiche<br />

Taktiererei der rot-grünen Bundesregierung <strong>im</strong> Jahr 2000 angeführt werden. Eigentlich sah sich die rot-grüne<br />

Mehrheit <strong>im</strong> Bundestag einer Mehrheit von unionsgeführten Bundesländern <strong>im</strong> Bundesrat gegenüber. Der<br />

Bundesrat konnte somit dem geplanten Steuerreformgesetz die Zust<strong>im</strong>mung verweigern. Durch ein geschicktes<br />

„Herauskaufen“ von einzelnen Ländern, vor allem des unionsgeführten Berlins (Behördenstandorte/Finanzmittel<br />

wurden zugesagt), gelang es der rot-grünen Regierung, trotz fehlender eigener „Mehrheit“ <strong>im</strong><br />

Bundesrat, die Zust<strong>im</strong>mung für die Steuerreform zu erlangen und sich mithin als handlungsfähig zu präsentieren.<br />

Vgl. H. Schumacher, Die zwölf Gesetze der Macht, S. 64/65.<br />

Ähnliches, durchaus legit<strong>im</strong>es Vorgehen, wäre auch für strukturschwache hessische Wahlkreise denkbar.<br />

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