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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

rung laufen. Es könnten sogar deren Gesetze aus der vergangenen Legislaturperiode<br />

zurückgenommen und an deren Stelle eigene ‚Herzensanliegen‛ in einen normativen<br />

Rahmen gegossen werden. Der ‚geschäftsführenden Landesregierung‛<br />

bliebe nichts anderes übrig, als diese Gesetze auszufertigen und zu verkünden 985<br />

und dann, was wohl am verdrießlichsten wäre, auch noch zu exekutieren. Gleiches<br />

würde für Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen gelten, welche unverantwortliche<br />

Löcher in den Landeshaushalt rissen, wodurch die Landesregierung<br />

faktisch zur haushaltspolitischen Handlungsunfähigkeit verurteilt wäre und<br />

somit zum politische Offenbarungseid gezwungen. 986 Infolgedessen stellt die<br />

Konstellation einer ‚geschäftsführenden Landesregierung‛ eigentlich keine taugliche<br />

bzw. erstrebenswerte politische Variante dar. Dies gilt umso mehr, wenn es de<br />

facto eine reproduzierbare Landtagsmehrheit gegen die vormalige Landesregierung<br />

gibt, diese aber nicht in der Lage oder Willens ist, eine neue ‚eigene‛ Regierung<br />

zu kreieren. In einem solchen Fall verhilft Art. 119 HV mit seinen Einspruchsmöglichkeiten<br />

der ‚geschäftsführenden Landesregierung‛ in eine relativ<br />

komfortable Situation, in welcher sie theoretisch keine grundsätzliche Sorge haben<br />

muss, dass der Landtag ihr ‚seine‛ Gesetze aufnötigt. Vielmehr könnte sie den<br />

Landtag dazu zwingen, Gesetze <strong>im</strong>mer mit absoluter Mehrheit bestätigen zu müssen.<br />

Ein regulärer Gesetzesbeschluss mit einfacher Mehrheit wäre nicht mehr der<br />

Normalfall. Selbst wenn es ein faktisches politisches Lager gegen die alte Landesregierung<br />

gäbe, würde dessen Zusammenhalt stetig aufs Neue herausgefordert. Da<br />

diese Landtagsmehrheit i.d.R. eher knapp bemessen sein wird, ist die Homogenität<br />

des Abst<strong>im</strong>mungsverhaltens nicht garantierbar. Zudem könnte der öffentliche<br />

Druck, die Regierung nicht absolut handlungsunfähig zu machen würde, den einen<br />

oder anderen Landtagsabgeordneten der ‚Antiregierungsmehrheit‛ durchaus<br />

auch zur St<strong>im</strong>menthaltung verleiten. Zumal eine Landesregierung über verschiedene<br />

politische Finessen und Winkelzüge verfügt, mittels derer Parlamentarier zur<br />

Wahrnehmung ihres freien Mandats an<strong>im</strong>ierbar sind. Gesetze können <strong>im</strong>mer so<br />

‚gestrickt‛ sein, dass einzelne Wahlbezirke begünstigt werden. Somit besteht bei<br />

985 Fingierend, dass diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wären.<br />

986 Ein solches Szenario stellte die <strong>im</strong> Juni 2008 vom Hessischen Landtag beschlossene Abschaffung der Studiengebühren<br />

dar: Die in der vorherigen Legislaturperiode durch die CDU-Regierung eingeführten Studiengebühren<br />

erwiesen sich als der kleinste gemeinsamen Nenner des linken Lagers aus SPD, Grünen und der Partei „Die<br />

Linke“, um die geschäftsführenden CDU-Regierung in ihre Schranken zu weisen. Im von einer linken Mehrheit<br />

dominierten Landtag wurde das entsprechende Gesetz zurück genommen. (Vgl. „Permanente parlamentarische<br />

Offensive“; „Ein Pyrrhussieg <strong>im</strong> Stellungskrieg“, in: FAZ NET, v. 04. Juni 2008)<br />

Dies führte für den Bildungsetat zu Einnahmeverlusten von 52 Millionen Euro pro Semester. Gleichsam wurde<br />

jedoch kein adäquater Nachtragshaushalt zur Kompensation dieser Mindereinnahmen verabschiedet. In der<br />

Konsequenz war der Hochschulhaushalt des Kultusministeriums blockiert und de facto obsolet. (Vgl. Aus für<br />

Studiengebühren kostet „52 Millionen Euro je Semester“, in: FAZ NET, v. 07. April 2008).<br />

Dieses, wegen eines entsprechenden Gesetzentwurfs von SPD und Grünen, durchaus realistische Szenario, ließe<br />

sich aufgrund der Abhängigkeit der <strong>Exekutive</strong> von haushaltsrechtlichen Ermächtigungen, für alle Ressorts fortdenken.

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