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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen<br />

beschlusses des Landtags gegenüber der Landesregierung. Dieser Vertrauensbeschluss<br />

muss kumulativ zu der Wahl des Ministerpräsidenten hinzutreten. Hierfür<br />

genügt jedoch die einfache Mehrheit <strong>im</strong> Landtag. Wird eine der beiden Abst<strong>im</strong>mungshürden<br />

durch die Kandidaten der Ministerpräsidentenwahl verfehlt, amtiert<br />

die alte Landesregierung geschäftsführend weiter, bis der Landtag in der Lage ist,<br />

mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen<br />

und dessen Landesregierung mit seinem expliziten Vertrauen auszustatten. Auch<br />

einem konstruktiven Misstrauensvotum ist die geschäftsführende Landesregierung<br />

entzogen. Nur die Wahl eines neuen Regierungschefs nach Art. 101 Abs. 1 HV<br />

kann deren Ende auslösen.<br />

Im Ergebnis kann sich die Situation der ‚geschäftsführenden Landesregierung‛<br />

also aus folgenden drei Situationen ergeben: Entweder wurde gar keine Ministerpräsidentenwahl<br />

auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt, da ohnehin klar ist,<br />

dass keines der politischen Lager einen Kandidaten erfolgreich durchbringen wird<br />

können. 982 Oder bei erfolgreichem Ablauf der Ministerpräsidentenneuwahl fehlt es<br />

an der Vertrauensbekundung 983 , bzw. schon die angesetzte Neuwahl eines Regierungschefs<br />

scheitert wegen des Verfehlens der absoluten Mehrheit 984 . In allen<br />

diesen Fällen muss die Vorgängerregierung trotz Neuwahl der Volksvertretung <strong>im</strong><br />

Amt verbleiben und die Geschäfte kommissarisch führen.<br />

Mittels Art. 119 HV wird einer ‚geschäftsführenden Landesregierung‛ potentiell<br />

die Möglichkeit an die Hand gegeben, gegen die zukünftigen Gesetzesbeschlüsse<br />

der Mehrheit des Landtages, exekutiv opponieren zu können. Legt man diese<br />

verfassungsrechtliche Eigenheit Hessens, wie sie in Art. 101 Abs. 1 und 4 HV<br />

konzeptioniert ist, zugrunde, erscheint Art. 119 HV potentiell in der Lage, die<br />

Widerspenstigkeit einer geschäftsführenden <strong>Exekutive</strong> noch weiter zu ‚befeuern‛.<br />

Es lässt sich daher nicht übersehen, dass dieser faktische exekutive Machtüberhang<br />

mit dem obigen Zitat nicht in Einklang gebracht werden kann. Bei näherer<br />

Betrachtung wird deutlich: Der hessische Parlamentarismus wird durch die Landesverfassung<br />

nicht mit einem unüberwindlichen Vorrang gegenüber exekutivem<br />

Einfluss ausgestattet.<br />

Es wird vielmehr sehr deutlich, dass Art. 119 HV, die exekutive Autarkie und<br />

Machtbeharrung, bei der Regierungsbildung protegiert und bis in den Bereich der<br />

Gesetzgebung hinein absichert. Grundsätzlich müsste eine ‚geschäftsführende<br />

Landesregierung‛ nämlich Sorge haben zum Spielball des Landtags zu werden. So<br />

könnte, wie bei jeder anderen ‚Minderheitsregierung‛ auch, das Landesparlament<br />

Gesetze beschließen, die diametral zu den politischen Vorstellungen der Regie-<br />

982 Dies war die Konstellation am 05. April und am 04. November 2008, wo weder der bisherige Regierungschef<br />

Roland Koch (CDU) noch die bis dato oppositionelle Herausforderin Andrea Ypsilanti (SPD) mangels gesicherter<br />

Wahlaussicht überhaupt antraten.<br />

983 Keiner der Kandidaten erhält gemäß Art. 101 Abs. 1 HV die St<strong>im</strong>men der gesetzlichen Mehrheit der Landtagsmitglieder.<br />

984 Dies wäre die Konstellation, wenn ein mit absoluter Mehrheit nach Art. 101 Abs. 1 HV gewählter Ministerpräsident<br />

keine Bestätigungsmehrheit nach Art. 101 Abs. 4 HV findet.<br />

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