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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

der Gewichtsverteilung zwischen Landtag und Landesregierung wiederum folgendes<br />

zu lesen ist:<br />

„…In diesen wie anderen Vorschriften der HV zeigt sich deren Bemühen, einen deutlichen<br />

Vorrang des Parlaments vor der Landesregierung zu konstituieren, eine Anstrengung des Verfassungstextes,<br />

dessen normative Kraft sich bei der Verfassungsverwirklichung in einer bundesstaatlich<br />

organisierten Parteiendemokratie als zu gering erweisen mußte. …“ 973<br />

Diese Analyse der Machtverteilung zwischen Legislative und <strong>Exekutive</strong> bedarf<br />

nicht nur, wie schon von ihr selber vorgenommenen, Relativierung aufgrund<br />

normativ-faktischer Kräfte der Parteiendemokratie, sondern Relativierung erscheint<br />

auch geboten aufgrund verfassungspolitischer Möglichkeiten, wie sie die<br />

hessische Landesverfassung mit ihrer besonderen Nuance einer ‚geschäftsführenden<br />

Landesregierung‛ 974 , basierend auf den doppelten Vertrauenserklärungen<br />

(Art.101 Abs. 1 und 4 HV), bietet. 975 Im Zusammenspiel mit Art. 119 HV eröffnen<br />

sich einer Landesregierung durchaus realistische Möglichkeiten, den Willen<br />

der Legislative zu untergraben, weitestgehend zu sabotieren oder zumindest gegenläufige<br />

Tendenzen zu protegieren.<br />

Diese näher zu betrachtende Besonderheit der hessischen Landesverfassung<br />

stellt auch keine rein akademische Verfassungsdiskussion dar, sondern war bereits<br />

1982 unter dem damaligen Ministerpräsidenten Börner für fast zwei Jahre hessische<br />

Verfassungsrealität. 976 Erstaunlicher Weise wurden die potentiellen Einsatz-<br />

973 So explizit für der Beschreibung des Hessischen Verfassungsrechts zu finden bei: W. Schmidt, Verfassungsrecht,<br />

in: Meyer/Stolleis Staats- und Verwaltungsrecht für Hessen, S. 57.<br />

974 Die Besonderheiten der hessischen Verfassungskonstruktion einer ‚geschäftsführenden Landesregierung‛, die<br />

nach einer Neukonstituierung des Landtags und trotz des pflichtgemäßen Rücktritts der „alten“ Landesregierung<br />

(Art. 113 Abs. 2 HV) weiterhin <strong>im</strong> Amt bleibt, bis ein neuer Ministerpräsident vom Landtag gewählt wurde (Art.<br />

101 Abs. 1 HV) und sowohl dieser als auch seine Minister einen dezidierten Vertrauensbeschluss des Landtages<br />

erfahren haben (Art. 113 Abs. 1 HV), lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />

Grundsätzliches Ziel von geschäftsführenden Regierungen ist es, ein Interregnum zu vermeiden. Ein Land muss<br />

auch nach dem Ende einer Wahlperiode nach innen und außen handlungsfähig bleiben. Daher kennt nicht nur<br />

das Grundgesetz in Art. 69 Abs. 3 GG eine geschäftsführende Bundesregierung, sondern auch die Landesverfassungen,<br />

wie in Hessen Art. 113 Abs. 3 HV, weisen dieses Institut auf. Aus ihrer mit dem Amtseid eingegangen<br />

staatspolitischen Verpflichtung heraus, sind die Regierungsmitglieder somit auch nach dem Ende der Amtszeit,<br />

bis zur Neuwahl und Ernennung der Nachfolgeregierung zur Weiterführung der Amtsgeschäfte verpflichtet. Die<br />

Pflicht und Befugnis leitet sich dabei nicht vom aktuell gewählten Parlament ab, sondern es handelt sich um<br />

Nachwirkungen früheren Vertrauens. Daher kann die geschäftsführende Regierung weder mittels Misstrauensvotum<br />

abgelöst werden noch selber die Vertrauensfrage stellen. Für das Letztere ist dies damit zu begründen, dass<br />

die geschäftsführende Regierung gar nicht über das Vertrauen des aktuellen Parlaments verfügt. Des Weiteren<br />

würde ein Misstrauensvotum keinen Sinn machen, da der Regierung nie das Vertrauen durch das derzeit gewählte<br />

Parlament ausgesprochen wurde und überdies die Regierung bis zur Neuwahl eines anderen Regierungschefs<br />

dennoch weiterhin geschäftsführend <strong>im</strong> Amt verbliebe. Eine geschäftsführende Landesregierung hat die gleichen<br />

verfassungsrechtlichen Kompetenzen wie eine mit Vertrauenswahl generierte <strong>Exekutive</strong> und amtiert solange, bis<br />

eine neue Regierung auf verfassungsmäßige Weise ihr Amt antritt. – Basierend auf: R. Groß, DÖV 1982, 1008 ff.<br />

975 Gleiche Annahmen können auch für den ‚regulären‛ Fall einer Minderheitsregierung gelten.<br />

976 Holger Börner (SPD) war vom 01. Dez. 1982 bis zum 07. Juni 1984 geschäftsführender Ministerpräsident des<br />

Landes Hessen. Die politischen Verwerfungen, welche nach der hessischen Landtagswahl v. 26.09.1982 zu den<br />

damals als „hessische Verhältnisse“ bezeichneten Konstellationen führten, beschreibt R. Groß, DÖV 1982, 1008<br />

(1008).

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