Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
338 D. Vetos im aktuellen deutschen Verfassungssystem Allerdings weist auch das hessische Verfassungsrecht eine Norm auf, welche unter Vetogesichtspunkten als beachtenswert angesehen werden muss – Art. 119 HV: So heißt es in Art. 119 HV: (1) Gegen ein vom Landtag beschlossenes Gesetz steht der Landesregierung der Einspruch zu. (2) Der Einspruch muß innerhalb fünf Tagen, seine Begründung innerhalb zwei Wochen nach der Schlußabstimmung dem Landtag zugehen. Er kann bis zum Beginn der erneuten Beratung im Landtag zurückgezogen werden. (3) Kommt keine Übereinstimmung zwischen Landtag und Landesregierung zustande, so gilt das Gesetz nur dann als angenommen, wenn der Landtag mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder entgegen dem Einspruch beschließt. Ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen wird der Landesregierung von Hessen somit ein Recht eingeräumt, welches sie in die Lage versetzt, ein vom Landtag schon einmal beschlossenes Gesetz zurück zu weisen. Sinn und Zweck dieses Unterfangens soll es sein, die Legislative zur nochmaligen Beratung und Überprüfung zu zwingen, um mögliche verfassungsrechtliche Bedenken auszumerzen oder gar inhaltliche Fehler zu heilen. 958 Das Einspruchsrecht steht dem Wortlaut nach nur der Landesregierung zu und setzt vor seiner Geltendmachung einen entsprechenden Kabinettsbeschluss voraus. Insoweit unterscheidet es sich nicht von der nordrhein-westfälischen Einspruchsvariante. Die strukturelle Ähnlichkeit zum nordrhein-westfälischen Art. 67 LV NRW legt die Annahme nahe, dass auch in Hessen nur ein vom Landtag beschlossenes Gesetz Gegenstand des Einspruchs sein kann, was wiederum die Zustimmung zu Staatsverträgen als Zielobjekt ausschließt. Dergleichen kommen, wie in Nordrhein-Westfalen, durch Volksentscheid beschlossene Gesetze als Zielobjekte des exekutiven Einspruchs nicht in Frage. 959 Hervor zu streichen ist jedoch, dass Art. 119 HV die eigentliche Intention der exekutiven Unterminierung dezidierter ausdrückt, als es Art. 67 LV NRW tut. Letztgenannter spricht lediglich davon, dass die Landesregierung Bedenken erheben könne, wohingegen in der hessischen Version explizit eine Einspruchsmöglichkeit eröffnet wird. Wie oben aufgezeigt, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass die Norm in der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen dasselbe meint, wie Art. 119 Abs. 1 HV – einen exekutiven Einspruch. Die Einzelheiten des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens sind geregelt in der GOLT Hessen v. 16. Juni 2004 (GVBl. Hessen I S. 223) – §§ 11-23. 958 Vgl. Schonebohm, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 1. 959 Hinkel, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar, Art. 119, S. 209.
II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen Ebenso wie in Nordrhein-Westfalen sind den Gründen der Einspruchseinlegung durch die Verfassung Hessens keine Grenzen gesetzt. 960 Daher können neben verfassungsrechtlichen Bedenken auch politische Gründe den Einspruch auslösen. 961 In der Folge der Einspruchseinlegung hat die Verkündung des fraglichen Gesetzes zu unterbleiben und eine erneute parlamentarische Beratung stattzufinden. 962 Vergleichbar mit Art. 67 LV NRW regelt auch Art. 119 HV seinem Wortlaut nach nicht den Umfang des Einspruchs. Daher kann sowohl gegen Teile des Gesetzes als auch gegen dieses als Ganzes Einspruch erhoben werden. Faktische Folge des Einspruchs ist, neben dem Hemmungszustand, der Zwang dazu, dass der Landtag sich erneut mit der Materie auseinander setzen muss. Die Beratungsmaterie ist dann allerdings, wie in NRW, auf die Einspruchsdimension beschränkt. Bei nur teilweiser Beanstandung seitens der Exekutive bleibt der Landtag an seinen früheren Beschluss gebunden. 963 Ihm wird somit nur die Möglichkeit eröffnet, das Gesetz im Rahmen der Einspruchsdimension zu verändern. Allerdings bleibt der Hessische Landtag, genau wie das nordrhein-westfälische Landesparlament, weiterhin Herr des Verfahrens. 964 Aus § 20 GOLT Hessen 965 lässt sich entnehmen, dass über den Einspruch hinaus und die damit einhergehende Verpflichtungen seitens der Landesregierung keinerlei Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten auf das dem Einspruch folgende Procedere bestehen. Das weitere Vorgehen seitens des Landtags ist wiederum vergleichbar mit dem in NRW, da auch in Hessen eine dritte/vierte Lesung im Parlament ‚nachgeschaltet‛ wird. Trotz der grundsätzlichen Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen beiden Normen auch wesentliche Unterschiede ausmachen: Anders als bei Art. 67 LV NRW genügt für Art. 119 HV nicht allein die fristgemäße begründete Erhebung der Bedenken. Vielmehr bedarf es in Hessen nach Art. 119 Abs. 2 S. 1 HV für einen wirksamen Einspruch der Einhaltung zweier Fristen. Zum einen muss innerhalb von fünf Tagen nach der Schlussabstimmung 960 Vgl. Schonebohm, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 5: „…Zur Art der Gründe, aus denen der Einspruch erhoben werden kann, verschweigt sich die HV. Diese können politischer, fachlicher oder rechtlicher Natur sein. …“. 961 Vgl. Hinkel, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar, Art. 119, S. 210. 962 Vgl. Schonebohm, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 6. 963 Vgl. Schonebohm., in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 6. 964 Vgl. Hinkel, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar, Art. 119, S. 210. 965 § 20 GOLT Hessen v. 16. Juni 2004 (GVBl. Hessen I S. 223) Weitere Lesung: (1) Erhebt die Landesregierung Einspruch gegen ein vom Landtag beschlossenes Gesetz (Artikel 119 HV), so findet eine weitere Lesung statt. (2) Im Verlauf der weiteren Lesung können Änderungen nur zu den im Einspruch der Landesregierung beanstandeten Teilen des Gesetzes beantragt werden. (3) Auf Verlangen einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten sind einzelne Bestimmungen oder Teile des Gesetzentwurfs getrennt zur Beratung und Abstimmung zu stellen. Liegen zu solchen Bestimmungen oder Teilen des Gesetzentwurfs Änderungsanträge vor, so ist nach Schluss der Beratung zunächst über diese abzustimmen. (4) Am Schluss der weiteren Lesung ist zunächst über vorliegende Änderungsanträge, die nicht durch getrennte Abstimmung erledigt sind, abzustimmen. Sodann wird über den Gesetzentwurf im Ganzen, gegebenenfalls mit den im Verlauf der weiteren Lesung beschlossenen Änderungen, abgestimmt (Schlussabstimmung in weiterer Lesung). (5) In der Schlussabstimmung in weiterer Lesung kann der Landtag beschließen, seinen Gesetzentwurf zu bestätigen, in abgeänderter Form anzunehmen oder für erledigt zu erklären. (6) Wird ein Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung in weiterer Lesung mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtags bestätigt oder in abgeänderter Fassung angenommen, so ist das Gesetz beschlossen. 339
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II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen<br />
Ebenso wie in Nordrhein-Westfalen sind den Gründen der Einspruchseinlegung<br />
durch die Verfassung Hessens keine Grenzen gesetzt. 960 Daher können neben<br />
verfassungsrechtlichen Bedenken auch politische Gründe den Einspruch auslösen.<br />
961 In der Folge der Einspruchseinlegung hat die Verkündung des fraglichen<br />
Gesetzes zu unterbleiben und eine erneute parlamentarische Beratung stattzufinden.<br />
962 Vergleichbar mit Art. 67 LV NRW regelt auch Art. 119 HV seinem Wortlaut<br />
nach nicht den Umfang des Einspruchs. Daher kann sowohl gegen Teile des<br />
Gesetzes als auch gegen dieses als Ganzes Einspruch erhoben werden. Faktische<br />
Folge des Einspruchs ist, neben dem Hemmungszustand, der Zwang dazu, dass<br />
der Landtag sich erneut mit der Materie auseinander setzen muss. Die Beratungsmaterie<br />
ist dann allerdings, wie in NRW, auf die Einspruchsd<strong>im</strong>ension beschränkt.<br />
Bei nur teilweiser Beanstandung seitens der <strong>Exekutive</strong> bleibt der Landtag an seinen<br />
früheren Beschluss gebunden. 963 Ihm wird somit nur die Möglichkeit eröffnet,<br />
das Gesetz <strong>im</strong> Rahmen der Einspruchsd<strong>im</strong>ension zu verändern. Allerdings bleibt<br />
der Hessische Landtag, genau wie das nordrhein-westfälische Landesparlament,<br />
weiterhin Herr des Verfahrens. 964 Aus § 20 GOLT Hessen 965 lässt sich entnehmen,<br />
dass über den Einspruch hinaus und die damit einhergehende Verpflichtungen<br />
seitens der Landesregierung keinerlei Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten<br />
auf das dem Einspruch folgende Procedere bestehen. Das weitere Vorgehen seitens<br />
des Landtags ist wiederum vergleichbar mit dem in NRW, da auch in Hessen<br />
eine dritte/vierte Lesung <strong>im</strong> Parlament ‚nachgeschaltet‛ wird. Trotz der grundsätzlichen<br />
Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen beiden Normen auch wesentliche<br />
Unterschiede ausmachen:<br />
Anders als bei Art. 67 LV NRW genügt für Art. 119 HV nicht allein die fristgemäße<br />
begründete Erhebung der Bedenken. Vielmehr bedarf es in Hessen nach<br />
Art. 119 Abs. 2 S. 1 HV für einen wirksamen Einspruch der Einhaltung zweier<br />
Fristen. Zum einen muss innerhalb von fünf Tagen nach der Schlussabst<strong>im</strong>mung<br />
960 Vgl. Schonebohm, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 5: „…Zur<br />
Art der Gründe, aus denen der Einspruch erhoben werden kann, verschweigt sich die HV. Diese können politischer, fachlicher oder<br />
rechtlicher Natur sein. …“.<br />
961 Vgl. Hinkel, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar, Art. 119, S. 210.<br />
962 Vgl. Schonebohm, in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 6.<br />
963 Vgl. Schonebohm., in: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar Bd. 2, Art. 119, Rn 6.<br />
964 Vgl. Hinkel, Verfassung des Landes Hessen – Kommentar, Art. 119, S. 210.<br />
965 § 20 GOLT Hessen v. 16. Juni 2004 (GVBl. Hessen I S. 223) Weitere Lesung:<br />
(1) Erhebt die Landesregierung Einspruch gegen ein vom Landtag beschlossenes Gesetz (Artikel 119 HV), so findet eine weitere<br />
Lesung statt. (2) Im Verlauf der weiteren Lesung können Änderungen nur zu den <strong>im</strong> Einspruch der Landesregierung beanstandeten<br />
Teilen des Gesetzes beantragt werden. (3) Auf Verlangen einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten sind einzelne<br />
Best<strong>im</strong>mungen oder Teile des Gesetzentwurfs getrennt zur Beratung und Abst<strong>im</strong>mung zu stellen. Liegen zu solchen Best<strong>im</strong>mungen<br />
oder Teilen des Gesetzentwurfs Änderungsanträge vor, so ist nach Schluss der Beratung zunächst über diese abzust<strong>im</strong>men. (4) Am<br />
Schluss der weiteren Lesung ist zunächst über vorliegende Änderungsanträge, die nicht durch getrennte Abst<strong>im</strong>mung erledigt sind,<br />
abzust<strong>im</strong>men. Sodann wird über den Gesetzentwurf <strong>im</strong> Ganzen, gegebenenfalls mit den <strong>im</strong> Verlauf der weiteren Lesung beschlossenen<br />
Änderungen, abgest<strong>im</strong>mt (Schlussabst<strong>im</strong>mung in weiterer Lesung). (5) In der Schlussabst<strong>im</strong>mung in weiterer Lesung kann der<br />
Landtag beschließen, seinen Gesetzentwurf zu bestätigen, in abgeänderter Form anzunehmen oder für erledigt zu erklären. (6) Wird<br />
ein Gesetzentwurf in der Schlussabst<strong>im</strong>mung in weiterer Lesung mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtags bestätigt oder in<br />
abgeänderter Fassung angenommen, so ist das Gesetz beschlossen.<br />
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