Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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336 D. Vetos im aktuellen deutschen Verfassungssystem erwähnen, dass die Idee eines Vetorechts gegen die Gesetzgebung des Landtages letztlich dem Ansinnen geschuldet ist, eine Zweite Kammer oder einen Staatsrat zu installieren. 951 Ursprünglich sollten diese Organe mit einem Vetorecht gegen die Normsetzung des Landtags ausgestattet werden. Primäres Ziel des Innenministers war es jedoch, eine solche Zweite Kammer oder gar einen Staatsrat zu verhindern. Die Zweite Kammer wurde allein von der CDU unter Konrad Adenauer präferiert und ansonsten von allen anderen Parteien, maßgeblich der SPD, abgelehnt. Die KPD wollte weder eine Zweite Kammer/Senat/Staatsrat noch ein Vetorecht der Landesregierung akzeptieren. Zunächst galt es also die Frage nach einer Zweiten Kammer zu beantworten. Als die CDU das Scheitern dieses Ansinnens vergegenwärtigen musste, lehnte sie als Reaktion hierauf ein Vetorecht seitens der Landesregierung ab. 952 Für den Innenminister der SPD-Landesregierung stellte sich im Folgenden zudem als besonders problematisch dar, dass neben der FDP 953 auch seine eigene Partei nicht unterstützend hinter seinem Veto-Entwurf stand. 954 Der Innenminister Menzel stand demzufolge mit seiner Vetoidee relativ allein, eine Mehrheit für seinen Vetoentwurf hatte er nicht sicher, zumal die CDU, nach dem Scheitern der Senatslösung diesbezüglich zur Totalverweigerung überging. Um seinen Vorschlag zu retten, wurde eine in der Formulierung abgeschwächte Version, im Sinne der heutigen Geltendmachung von Bedenken, ersonnen. 955 Diese fand dann ungeachtet fortgesetzter Bedenken auch die Zustimmung der CDU, sowie aller anderen Parteien im Verfassungsausschuss. Trotz aller verhandlungstaktischer Einschränkungen die Art. 67 LV NRW während der Verfassunggebung erfahren hat, stand eines für den Verfassungsausschuss offenbar niemals in Frage: Es würde sich auch beim abgeschwächten Einspruch, um ein Vetorecht handeln. Es kann daher nicht der Analyse von Wolfgang Kringe zugestimmt werden, die den Kompromissgedanken hinter der veränderten Formulierung in ein qualitatives Weniger umzudeuten versucht: „…Damit war das ursprünglich von Menzel in die Verfassungsdiskussion gebrachte aufschiebende Vetorecht der Landesregierung gegenüber dem Landtag bei der Gesetzgebung soweit abgeschwächt worden, daß kaum noch von einem solchen die Rede sein kann. Der Landesregierung, die den tages- und parteipolitischen Auseinandersetzungen distanzierter gegenüberstehen kann als der Landtag, wurde ein verfassungsrechtliches Instrument an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe sie den Landtag auf eine ihrer Meinung nach nicht einwandfreie Gesetzgebung hinweisen kann. Es ist von einem Willensentscheid des Landtags abhängig, ob dies zu einer Revision der qualita- 951 Zur Fragestellung einer Zweiten Kammer/eines Staatsrats: W. Kringe, Machtfragen, Die Entstehung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen 1946-1950, S. 468-484. 952 Vgl. Abg. Scholtissek, in: Stenographischer Bericht des VA, v. 04.05.1950, S. 4496. 953 Vgl. Abg. Krekeler, in: Stenographischer Bericht des VA, v. 04.05.1950, S. 4503. 954 Vgl. Protokoll VA, v. 10.02.1950, S. 181 ff, v. 11.02.1950, S. 211 ff. 955 Vgl. W. Kringe, Machtfragen, Die Entstehung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen 1946-1950, S. 488/489.

II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen tiven Verbesserung der Gesetzgebung führt. Es war in dem Moment, als die Bildung einer zweiten Kammer abgelehnt wurde, zu erwarten, daß Menzels Vorschlag, die Landesregierung mit einem aufschiebenden Veto auszustatten, nicht berücksichtigt werden sollte. Weder dem Innenminister noch seiner Fraktion ging es darum, dieses Verfassungsinstrument auf alle Fälle festzuschreiben und als verfassungspolitische conditio sine qua non durchzusetzen. Der Vorschlag Menzels ist eher verfassungspolitisch taktisch zu werten und zielte darauf, eine zweigeteilte Legislative zu verhindern…“ 956 Die übrigen Motivlagen unberücksichtigt lassend, muss festgestellt werden, dass Wolfgang Kringe in seiner Analyse einen essentiellen Umstand verkennt: Dasjenige was Innenminister Menzel als Kompromissvorschlag in den nordrheinwestfälischen Verfassungsausschuss einbrachte und was sich dem verabschiedeten Wortlaut nach nur als Recht zur Geltendmachung von Bedenken darstellt, war dem Grunde nach das Gleiche, was er mit seinem ursprünglichen Vorschlag avisierte, ein aufschiebendes Veto. Die Wurzel dieser Fehldeutung seitens W. Kringes ist m.E. schon in der fragwürdigen Annahme zu suchen, dass eine Landesregierung der tages- und parteipolitischen Auseinandersetzung distanzierter als der Landtag gegenüberstehen würde. Das ganze Gegenteil ist jedoch der Fall. Die Landesexekutive stellt vielmehr das dominierende politische Führungsorgan dar. Diese Rolle unterschätzend, hat W. Kringe wohl auch die Dimension ihres exekutiven Vetos verkannt. Somit bestätigen auch die Analysen der Verfassunggebung in Nordrhein- Westfalen, das zuvor eruierte Ergebnis: Beim Einspruchsrecht aus Art. 67 LV NRW handelt es sich um ein vom Grundcharakter her suspensives exekutives Vetorecht, welches sogar die Potentiale eines absoluten Vetos in sich birgt. c. Art. 119 Verfassung des Landes Hessen aa. Einspruchsrecht der Landesregierung Das hessische Verfassungsrecht erweist sich, bezüglich der dort geregelten Gesetzgebungsfragen, als im Wesentlichen gleichartig zu demjenigen der anderen Bundesländer und somit auch zu dem Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens. In den Artikeln 116 ff Hessische Verfassung (HV) werden die Verfahrensanforderungen an die Gesetzgebung durch das Hauptrechtsetzungsorgan Landtag oder die ausnahmsweise ebenso zulässige Volksgesetzgebung aufgestellt. Insofern sei inhaltlich auf die Grundannahmen verwiesen, wie sie für Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen dargestellt wurden. 957 956 A.a.O., S. 489. 957 Zu den Feinheiten der Staatsorganisation des Landes Hessen: W. v. Brünneck, Die Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946, in: JöR 3 (1954) S. 247-252. 337

II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen<br />

tiven Verbesserung der Gesetzgebung führt. Es war in dem Moment, als die Bildung einer zweiten<br />

Kammer abgelehnt wurde, zu erwarten, daß Menzels Vorschlag, die Landesregierung mit<br />

einem aufschiebenden Veto auszustatten, nicht berücksichtigt werden sollte. Weder dem Innenminister<br />

noch seiner Fraktion ging es darum, dieses Verfassungsinstrument auf alle Fälle festzuschreiben<br />

und als verfassungspolitische conditio sine qua non durchzusetzen. Der Vorschlag<br />

Menzels ist eher verfassungspolitisch taktisch zu werten und zielte darauf, eine zweigeteilte Legislative<br />

zu verhindern…“ 956<br />

Die übrigen Motivlagen unberücksichtigt lassend, muss festgestellt werden, dass<br />

Wolfgang Kringe in seiner Analyse einen essentiellen Umstand verkennt: Dasjenige<br />

was Innenminister Menzel als Kompromissvorschlag in den nordrheinwestfälischen<br />

Verfassungsausschuss einbrachte und was sich dem verabschiedeten<br />

Wortlaut nach nur als Recht zur Geltendmachung von Bedenken darstellt, war<br />

dem Grunde nach das Gleiche, was er mit seinem ursprünglichen Vorschlag avisierte,<br />

ein aufschiebendes Veto. Die Wurzel dieser Fehldeutung seitens W. Kringes<br />

ist m.E. schon in der fragwürdigen Annahme zu suchen, dass eine Landesregierung<br />

der tages- und parteipolitischen Auseinandersetzung distanzierter als der<br />

Landtag gegenüberstehen würde. Das ganze Gegenteil ist jedoch der Fall. Die<br />

Landesexekutive stellt vielmehr das dominierende politische Führungsorgan dar.<br />

Diese Rolle unterschätzend, hat W. Kringe wohl auch die D<strong>im</strong>ension ihres exekutiven<br />

Vetos verkannt.<br />

Somit bestätigen auch die Analysen der Verfassunggebung in Nordrhein-<br />

Westfalen, das zuvor eruierte Ergebnis: Be<strong>im</strong> Einspruchsrecht aus Art. 67 LV<br />

NRW handelt es sich um ein vom Grundcharakter her suspensives exekutives<br />

Vetorecht, welches sogar die Potentiale eines absoluten Vetos in sich birgt.<br />

c. Art. 119 Verfassung des Landes Hessen<br />

aa. Einspruchsrecht der Landesregierung<br />

Das hessische Verfassungsrecht erweist sich, bezüglich der dort geregelten Gesetzgebungsfragen,<br />

als <strong>im</strong> Wesentlichen gleichartig zu demjenigen der anderen<br />

Bundesländer und somit auch zu dem Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens.<br />

In den Artikeln 116 ff Hessische Verfassung (HV) werden die Verfahrensanforderungen<br />

an die Gesetzgebung durch das Hauptrechtsetzungsorgan Landtag oder<br />

die ausnahmsweise ebenso zulässige Volksgesetzgebung aufgestellt. Insofern sei<br />

inhaltlich auf die Grundannahmen verwiesen, wie sie für Niedersachsen und<br />

Nordrhein-Westfalen dargestellt wurden. 957<br />

956 A.a.O., S. 489.<br />

957 Zu den Feinheiten der Staatsorganisation des Landes Hessen: W. v. Brünneck, Die Verfassung des Landes<br />

Hessen vom 1. Dezember 1946, in: JöR 3 (1954) S. 247-252.<br />

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