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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen<br />

und den folgenden ständigen Austausch zwischen Fachausschüssen und Ministerialbürokratie<br />

genügend Einfluss auf den Gesetzesinhalt. Parlamentarische Gesetzgebungstätigkeit<br />

von Abgeordneten beschränkt sich mittlerweile mehr oder<br />

weniger auf die Zust<strong>im</strong>mung und noch nicht einmal mehr Abst<strong>im</strong>mung exekutiver<br />

Gesetzesvorlagen. 853 Dieses Vorgehen wird hier als kollusives Zusammenwirken<br />

bezeichnet. Weder die Regierungsseite noch die Mehrheitsfraktionen <strong>im</strong> Parlament<br />

würden einen Inhalt erzwingen, der nicht konsensfähig zwischen beiden<br />

ist. Selbst wenn es sich um einen sog. „Dummheitsbeschluss“ handeln würde,<br />

dieser wäre der Dummheitsbeschluss der gesamten Regierungsseite, bestehend aus<br />

deren Fraktionen und der Landesregierung. Insofern ist das Aussetzungsrecht in<br />

der Mehrheitssituation eigentlich überflüssig und fand daher seinen einzigen Einsatz<br />

konsequenterweise auch nur <strong>im</strong> Rahmen des oben beschriebenen Missbrauchs.<br />

Anderes könnte für die Konstellation der Minderheitsregierung gelten. Hier<br />

böte sich die Chance, das Einsatzfeld von Art. 42 Abs. 2 NV zu erweitern, so dass<br />

das Aussetzungsverlangen neue „Blüten treiben“ könnte. Die einzige Minderheitsregierung<br />

unter Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) benötigte das Aussetzungsverlangen<br />

zwar nicht. Aufgrund der recht kurzen Amtszeit dieser Minderheitsregierung<br />

vom 06. Februar 1976 bis zum 19. Januar 1977 854 lässt sich aller-<br />

hiervon übern<strong>im</strong>mt die Regierung <strong>im</strong> politischen Prozess die „Führungsrolle“ und wird zum „Aktionszentrum“ <strong>im</strong><br />

Staat. In der Konsequenz stammen daher auch <strong>im</strong> eigentlich originär parlamentarischen Bereich 70 bis 80 % aller<br />

Gesetzentwürfe von der Regierung. – Vgl. Gr<strong>im</strong>m, Verfassungsrecht, in: Gr<strong>im</strong>m/Papier Nordrhein-westfälisches<br />

Staats- und Verwaltungsrecht, S. 34, 40/41.<br />

Die Dominanz der exekutiven Ministerialbürokratie wirkt besonders frappierend <strong>im</strong> Bereich der Haushaltsgesetzgebung.<br />

Als diesbezüglich besonders sinnstiftend erweisen sich in der FAZ NET v. 30. Mai 2008 („Be<strong>im</strong><br />

Landesetat sitzt die Regierung am längeren Hebel“) wiedergegebene Stellungnahmen des finanzpolitischen<br />

Sprechers der Grünen-Fraktion und der Fraktion der FDP <strong>im</strong> hessischen Landtag: „…dass nämlich aus den eigenen<br />

Reihen der Parlamentarier ein eigener Haushaltsgesetzentwurf eingebracht wird, ist kaum realistisch. In der Theorie hat zwar der<br />

Landtag die Budget-Hoheit, tatsächlich aber kommen die Vorgaben von der Landesregierung, und die Parlamentarier machen<br />

lediglich Verbesserungsvorschläge. Einen Nachtragsetat könne eine Fraktion vorlegen, bei einem neuen Haushaltsentwurf sei das<br />

„faktisch nicht möglich“, meint Kaufmann. Im Falle eines Nachtragsetats, so der Grünen-Finanzexperte, könne man sich nämlich<br />

auf Änderungen an einem bereits vorliegenden Zahlenwerk beschränken. Ein neuer Haushalt sei eine ganz andere Sache, bei der<br />

man ohne das Wissen und die Zuarbeit der Ministerien, insbesondere des Finanzministeriums, hilflos sei. Das beginne beispielsweise<br />

schon mit der Forderung, dass ein Haushalt alle Einnahmen des Landes widerspiegeln müsse. „Woher sollen wir das wissen?“ Auch<br />

der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Fritz Krüger, sieht keine Chance für einen Etatentwurf aus dem Parlament<br />

heraus. „Ein solcher Versuch wäre zum Scheitern verurteilt“, sagt er. „Ohne ministerielle Kompetenz ist da nichts möglich.“ …“.<br />

853 Gestützt wird die These, auch durch schon oben eingeführte Analysen politischer Journalisten, die als Chronisten<br />

des Verfassungsalltags fungieren, so z.B. Georg Paul Hefty, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung-NET, v.<br />

12. August 2009 zu finden sind: „…Im Parteienstaat wird das Gesetzgebungsmonopol des verfassungsrechtlichen Gesetzgebers<br />

<strong>im</strong>mer schwächer. Seit der Gesetzgeber nicht mehr Gegenspieler der <strong>Exekutive</strong>, sondern mehrheitlich an deren Erfolg interessiert ist,<br />

wurde der Einfluss der Regierung auf die endgültige Gesetzgebung <strong>im</strong>mer größer. Gesetzentwürfe, die aus dem Parlament selbst<br />

vorgelegt werden, bilden eher die Ausnahme als die Regel – und selbst da sind viele nur mogelhaft verpackt, um möglichst schnell an<br />

das Ziel zu kommen. Dass dies in den meisten Fällen nicht nur ‚dem Staat‛ sondern auch den Bürgern dient, ist richtig, aber keine<br />

endgültige Rechtfertigung der Übung. …“.<br />

854 Nach den gescheiterten Ministerpräsidentenwahlen am 15. Januar 1976 in denen die beiden SPD-Kandidaten<br />

keine Mehrheit durch die Fraktionen von SPD und FDP erringen konnten, wurde am 06. Februar 1976 Ernst<br />

Albrecht (CDU) zum Regierungschef einer CDU-Minderheitsregierung gewählt. Er schafft es ca. ein Jahr später<br />

eine bis zur nächsten Landtagswahl 1978 haltende Mehrheitskoalition mit der FDP zu bilden.<br />

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