Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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288 D. Vetos im aktuellen deutschen Verfassungssystem „…Die Länder sind als Glieder des Bundes Staaten mit eigener – wenn auch gegenständlich beschränkter – nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht. Zu ihrem Bereich gehört die Gestaltung der verfassungsmäßigen Ordnung im Lande, solange sie sich im Rahmen des Art. 28 Abs. I GG hält. Insbesondere ist die Bestimmung der Regeln nach denen sich die Bildung der Landesverfassungsorgane, ihre Funktionen und ihre Kompetenzen bemessen, ausschließlich Sache des Landes. …“ 827 „…Nur ein Mindestmaß an Homogenität der Bundesverfassung und der Landesverfassungen ist gefordert. …“ 828 Aus diesen Erwägungen wird deutlich, dass das Staatsrecht der Länder vorwiegend in deren Verfassungen niedergelegt ist. Jenes kann sogar Staatsstrukturprinzipien kennen, welche das Bundesverfassungsrecht nicht enthält oder diesem bekannte erweitern. Dabei dürfen aber keinesfalls die Vorgaben des Grundgesetzes unterlaufen werden, denn die Landesverfassungen sind weder darin frei, ob sie diese Prinzipien ihrer eigenen Ordnung zugrunde legen, noch welches grundsätzliche Verständnis bzw. welche Handhabung sie diesen angedeihen lassen. Das Wesen der Homogenität, welche gerade nicht auf „Uniformität“ 829 , sondern auf ein Mindestmaß an struktureller Übereinstimmung setzt, besteht also darin, dass der Bund und seine Glieder verfassungstechnisch zwar in „grundsätzlich getrennten Räumen“ 830 existieren, diese Verfassungswelten aber wesensgemäß übereinzustimmen haben. 831 Für die hier zu eruierende Vetodiskussion ist eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts zum Homogenitätsprinzip besonders sinnstiftend. Diese lautet: „…Insbesondere ist die Bestimmung der Regeln nach denen sich die Bildung der Landesverfassungsorgane, ihre Funktionen und ihre Kompetenzen bemessen, ausschließlich Sache des Landes. …“ 832 Jene Grundaspekte der Homogenität, welche auch den Rahmen für die Vetorechte bilden, wurden jedoch nicht erst durch das Bundesverfassungsgericht basierend auf dem Grundgesetz herausgearbeitet, sondern diese lagen der Verfassunggebung in Bund und Ländern von Anfang an zugrunde. Exemplarisch wird dieser frühe 827 BVerfGE 1, 14 (34); 34, 9 (19 ff); 35, 342 (360 ff). 828 BVerfGE 36, 342 (361). 829 „…Art. 28 GG ist jedoch keine Uniformitätsklausel…“ – Vgl. Grimm, Verfassungsrecht, in: Grimm/Papier Nordrhein-westfälisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 13/14. „…Unterhalb des Ob und des grundsätzlichen Wie haben die Länder in der Konkretisierung Spielraum. …“. Ebenso: M. Sachs, Was kann eine Landesverfassung heute leisten?, in: KritV 2/1996, S. 127/128. 830 Vgl. BVerfGE 36, 342 (357). 831 Zu den einzelnen spezifischen Ausgestaltungen des Homogenitätsprinzips in der Bundesrepublik Deutschland: Stern, Staatsrecht I, §19 III 5 (S. 548 ff). Kritisch zur Ausprägung in der Verfassungspraxis: Kersten, Homogenitätsgebot und Landesverfassungsrecht, DÖV 1993, 896 (902): „…Die verfassungsrechtlichen Gewalten der Länder kommen aus den staatsorganisatorischen Spurrillen des Grundgesetzes kaum heraus. …“. 832 BVerfGE 1, 14 (34).

II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen Grundkonsens durch ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ulrich Scheuner aufgezeigt, welches er 1946 für den Zonenbereich der Britischen Besatzungszone anfertigte: „…Die Ausgestaltung ihrer Verfassung ist grundsätzlich der freien Entscheidung der Länder überlassen. Nur darin unterliegen sie einer in jedem Bundesland selbstverständlichen Beschränkung, als die politischen Grundlinien der Verfassung in allen Ländern übereinstimmen müssen. Den Umfang dieser Übereinstimmung festzulegen, ist Sache einer Verfassung des Reiches, aber auch heute bereits kann festgestellt werden, daß alle Länder an die Beobachtung demokratischer Grundsätze für ihre Verfassung gebunden bleiben. Damit ist jedem Lande ein nach demokratischen Grundsätzen gewähltes Parlament und eine Stellung der Regierung zu diesem Parlament vorgeschrieben, die den Vorrang der politischen Auffassung der gewählten Volksvertretung sichert. …“. 833 Bei der Analyse dieser verfassungsgerichtlichen Parameter wird deutlich, dass der Rahmen den das Homogenitätsgebot steckt, vom Grundansatz her nicht nur nicht ausschließt, sondern den Ländern durchaus die Möglichkeit eröffnet, ihren exekutiven Organen Einspruchsrechte in Form von Vetos zuzuweisen. Der Freiraum, den die Länder bei der Konzeption ihrer Organstrukturen haben, erscheint zumindest auf den ersten Blick den Weg für eine stärkere Vetoausprägung zu eröffnen, als sich diese für die Bundesebene feststellen ließ. Insbesondere könnten auch die konstitutionellen Verbindungslinien zu den konstitutionellen Vorläufern Auswirkungen auf die LandesVerfassunggebung gehabt haben. Gewollt oder ungewollt könnte somit die Verfassungstradition den exekutiven Landesregierungen eine stärkere Position beschert haben, als dies sonst in parlamentarischen Verfassungen, auch und gerade in der der Bundesebene, üblich ist. Inwieweit der jeweilige Landesverfassungsgeber diese, in der Bundesverfassung nur rudimentär angedachten und dann auch nur unter thematischer Beschränkung oder großen Hürden exekutierbaren Vetorechte, in seine jeweilige Gliedstaatenverfassung Einlass finden ließ, wird Gegenstand der nunmehr folgenden Erörterungen sein. 2. Vetorechtinkludierende Länderverfassungen Den konkreten Ergebnissen der Vetountersuchungen in den 16 deutschen Länderverfassungen kann vorangestellt werden, dass Vetofundstellen auf die Gesamtheit der Länder gesehen, genau wie im Grundgesetz, eher spärlich gesät sind. Es scheint so, als ob die revolutionären Kräfte am Ende des Kaiserreichs besonders gründlich dabei waren, monarchisch-konstitutionelle Traditionslinien aus den 833 Scheuner, in: The Land of Nethersaxony – As Memorandum for the 17 th September 1946 presented to the Zonal Council of the British Zone of Occupation, S. 74/75. 289

II. Vetoansatzpunkte in den Landesverfassungen<br />

Grundkonsens durch ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ulrich Scheuner aufgezeigt,<br />

welches er 1946 für den Zonenbereich der Britischen Besatzungszone<br />

anfertigte:<br />

„…Die Ausgestaltung ihrer Verfassung ist grundsätzlich der freien Entscheidung der Länder<br />

überlassen. Nur darin unterliegen sie einer in jedem Bundesland selbstverständlichen Beschränkung,<br />

als die politischen Grundlinien der Verfassung in allen Ländern übereinst<strong>im</strong>men müssen.<br />

Den Umfang dieser Übereinst<strong>im</strong>mung festzulegen, ist Sache einer Verfassung des Reiches, aber<br />

auch heute bereits kann festgestellt werden, daß alle Länder an die Beobachtung demokratischer<br />

Grundsätze für ihre Verfassung gebunden bleiben. Damit ist jedem Lande ein nach demokratischen<br />

Grundsätzen gewähltes Parlament und eine Stellung der Regierung zu diesem Parlament<br />

vorgeschrieben, die den Vorrang der politischen Auffassung der gewählten Volksvertretung sichert.<br />

…“. 833<br />

Bei der Analyse dieser verfassungsgerichtlichen Parameter wird deutlich, dass der<br />

Rahmen den das Homogenitätsgebot steckt, vom Grundansatz her nicht nur nicht<br />

ausschließt, sondern den Ländern durchaus die Möglichkeit eröffnet, ihren exekutiven<br />

Organen Einspruchsrechte in Form von Vetos zuzuweisen. Der Freiraum,<br />

den die Länder bei der Konzeption ihrer Organstrukturen haben, erscheint zumindest<br />

auf den ersten Blick den Weg für eine stärkere Vetoausprägung zu eröffnen,<br />

als sich diese für die Bundesebene feststellen ließ. Insbesondere könnten<br />

auch die konstitutionellen Verbindungslinien zu den konstitutionellen Vorläufern<br />

Auswirkungen auf die LandesVerfassunggebung gehabt haben. Gewollt oder ungewollt<br />

könnte somit die Verfassungstradition den exekutiven Landesregierungen<br />

eine stärkere Position beschert haben, als dies sonst in parlamentarischen Verfassungen,<br />

auch und gerade in der der Bundesebene, üblich ist.<br />

Inwieweit der jeweilige Landesverfassungsgeber diese, in der Bundesverfassung<br />

nur rud<strong>im</strong>entär angedachten und dann auch nur unter thematischer Beschränkung<br />

oder großen Hürden exekutierbaren <strong>Vetorechte</strong>, in seine jeweilige Gliedstaatenverfassung<br />

Einlass finden ließ, wird Gegenstand der nunmehr folgenden Erörterungen<br />

sein.<br />

2. Vetorechtinkludierende Länderverfassungen<br />

Den konkreten Ergebnissen der Vetountersuchungen in den 16 <strong>deutschen</strong> Länderverfassungen<br />

kann vorangestellt werden, dass Vetofundstellen auf die Gesamtheit<br />

der Länder gesehen, genau wie <strong>im</strong> Grundgesetz, eher spärlich gesät sind. Es<br />

scheint so, als ob die revolutionären Kräfte am Ende des Kaiserreichs besonders<br />

gründlich dabei waren, monarchisch-konstitutionelle Traditionslinien aus den<br />

833 Scheuner, in: The Land of Nethersaxony – As Memorandum for the 17 th September 1946 presented to the<br />

Zonal Council of the British Zone of Occupation, S. 74/75.<br />

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