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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Vetoansatzpunkte <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

gan Bundesrat jedoch einer Gesamtbetrachtung und wägt alle relevanten Grundgesetzregelungen<br />

ab, dann muss man erkennen, dass die eigentlichen Mitglieder<br />

des Bundesrates nicht die einzelnen exekutiven Ländervertreter sind, sondern die<br />

Länder selbst. 805 Der Bundesrat soll als abstrakte föderale Größe die Interessen<br />

der Länder bündeln und kanalisieren. Dennoch handelt es sich bei ihm nach der<br />

Struktur des Grundgesetzes gerade nicht um eine Ländereinrichtung oder gar<br />

„Länderkammer“ 806 . Vielmehr stellt der Bundesrat ein reguläres Bundesorgan dar,<br />

welches Vehikel für die Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes<br />

ist. 807 Anhand der Organmitglieder auf die Rechtsnatur des Organs zu schlussfolgern,<br />

stellt somit einen unzulässigen Zirkelschluss dar. Strukturell ist der Bundesrat<br />

nicht als Kammer der sog. „Landesfürsten“ 808 angelegt, sondern als föderales<br />

Partizipationsorgan auf unitarischer Ebene. Als folglich unitarisches Bundesorgan<br />

kann sich die Zuordnung zur <strong>Exekutive</strong> oder Legislative nur nach den konkreten<br />

Aufgaben, wie sie das Grundgesetz zuweist, best<strong>im</strong>men.<br />

Im Zusammenhang mit den <strong>Vetorechte</strong>n müssen für eine substantiierte Klassifikation<br />

somit die in Frage stehenden Aufgabenfelder zum maßgeblichen Entscheidungskriterium<br />

erhoben werden. Der vetorelevante Bereich betrifft dabei<br />

allein das Gesetzgebungsverfahren. Sowohl bei den Einsprüchen als auch bei den<br />

Zust<strong>im</strong>mungsverweigerungen handelt es sich um Partizipationsaspekte bezüglich<br />

des Legislativverfahrens. In gar keiner Weise finden hier exekutive Entscheidungskomponenten<br />

ihren Niederschlag. Für diesen Ansatz muss man sich gar<br />

nicht darauf zurückziehen, dass die Arbeit des Bundesrates strukturell der eines<br />

805 Ebenso: Maurer, Staatsrecht I, §16, Rn 10; A.A. Herzog, Zusammensetzung und Verfahren des Bundesrates<br />

(§46), in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. II, Rn 3.<br />

806 A.A. Herzog, Zusammensetzung und Verfahren des Bundesrates (§46), in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. II, Rn<br />

1; Johne, Bundesrat und parlamentarische Demokratie, in: APuZ 2004, 10 (12).<br />

807 Diese Auffassung bestätigend und mit durchschlagender Argumentation: v. Mutius/Pöße, Offener Verfassungsbruch<br />

<strong>im</strong> Bundesrat?, in: LKV 2002, 345 (346): „…Nach Ansicht des BVerfG umschreibt jedoch Art. 50 GG<br />

lediglich die Funktion des Verfassungsorgans Bundesrat, während Art. 51 I GG eindeutig ausspreche, dass als Mitglieder allein die<br />

Vertreter der Landesregierungen anzusehen seien. Dabei wird übersehen, dass Art. 51 I 1 GG lediglich einen formellen Mitgliedschaftsbegriff<br />

verwendet, ohne zugleich eine Aussage darüber zu treffen, wer Inhaber der materiellen Mitgliedschaft ist, d.h., wer die<br />

Fähigkeit besitzt, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Diese Aussage lässt sich ausschließlich Art. 50 I GG entnehmen.<br />

Allein die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes ist Aufgabe des Bundesrats, und nur diese kann von<br />

seinen Mitgliedern, den Ländern, ausgeübt werden. Auch aus Art. 51 III 2 GG ergibt sich unmissverständlich, dass das Recht der<br />

Abst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Bundesrat, anders als das Anwesenheitsrecht u.a., nicht den Bundesratsmitgliedern, sondern den einzelnen Ländern<br />

als solchen zusteht. Die Bundesratsmitglieder und ihre Vertreter üben es nur für ihre Länder aus. Daher geht auch Art. 53a I 3<br />

GG von einer Mitgliedschaft der Länder <strong>im</strong> Gemeinsamen Ausschuss aus. Formulierungen in der Geschäftsordnung des Bundesrates<br />

ändern an diesem Befund nichts: Wenn in § 1 GeschOBR als Mitglieder die Vertreter der Landesregierungen angesprochen sind, so<br />

ist damit ebenfalls nur ein formeller Mitgliedschaftsbegriff gemeint. Das Geschäftsordnungsrecht verfolgt darüber hinaus mit der<br />

Regelung von Rechten und Pflichten der Regierungsvertreter eine andere Zielrichtung als das Grundgesetz und kann – abgesehen vom<br />

Rangverhältnis zwischen Grundgesetz und Geschäftsordnung und ihrer ausschließlichen Innenrechtsverbindlichkeit – insoweit als<br />

„authentische“ Auslegung des Art. 50 I, 51 I GG nicht herangezogen werden.<br />

Die Akteure des Art. 51 I GG sind demnach in Personalunion sowohl Organwalter der Länder wie auch des Bundesrates und<br />

nehmen insofern eine doppelte Organstellung ein. Die Vermittlung der Mitgliedschaft <strong>im</strong> Bundesrat über die Landesregierungen führt<br />

zwar dazu, dass diese Mitglieder <strong>im</strong> formellen Sinne zugleich ihre eigenen und damit Länderinteressen verfolgen, letztlich nehmen sie<br />

aber allein Aufgaben eines Bundesorgans wahr. …“.<br />

808 Der viel zitierte und verwendete Begriff der „Landesfürsten“ wird insbesondere vertreten von: Steffani, Die<br />

Republik der Landesfürsten, in: Regierung, Bürokratie und Parlament in Preußen und Deutschland von 1848 bis<br />

zur Gegenwart, S. 181 ff.<br />

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