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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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278<br />

D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

qualifizierte Mehrheitsanforderungen an den Bundestag, die von der Einspruchsbeschlussfassung<br />

des Bundesrates determiniert werden. 797<br />

Im Ergebnis steht also zunächst folgendes fest: Der Bundestag ist dem suspendierenden<br />

Einspruch nicht bedingungslos ausgeliefert, sondern kann sich mittels<br />

der vom Grundgesetz vorgesehenen Quoren dagegen erwehren. Der Einspruch<br />

ist mithin überwindlich. Insofern es sich um ein Vetorecht handelt, würde<br />

dieses vollkommen zu Recht als suspensives bezeichnet.<br />

Dies gilt umso mehr, da das klassische i.d.R. unausgesprochene Zusatzkriterium<br />

der suspensiven Vetos, nämlich die potentielle absolute D<strong>im</strong>ension, auch bei<br />

den Einspruchsgesetzen <strong>im</strong> Raum stünde. Ist der Deutsche Bundestag nicht in der<br />

Lage, den Einspruch zu parieren, geht er unausweichlich seines Gesetzesbeschlusses<br />

verlustig. Insbesondere die Konstellation eines mit Zweidrittelmehrheit agierenden<br />

Bundesrates würde de facto zu der Situation führen, dass die in der Regel<br />

nur mit absoluter Mehrheit ausgestattete Regierungsseite <strong>im</strong> Parlament diesen<br />

Einspruch nicht wird überwinden können. 798 Faktisch käme der eigentlich suspensive<br />

Einspruch einem absolut wirkenden Einspruch gleich.<br />

Diese absolute Konsequenz des Einspruchs, würde auch unter dem Aspekt der<br />

„Diskontinuität“ 799 zum Tragen kommen. Folgende Konstellation ist denkbar:<br />

Legt der Bundesrat frist- und formgerecht Einspruch gegen einen Gesetzesbeschluss<br />

des Bundestages ein, müsste der Deutsche Bundestages, um den Beschluss<br />

ursprungskonform zu retten, diesen Einspruch zurückweisen. Wurde der Einspruch<br />

jedoch kurz vor Ende der laufenden Wahlperiode eingelegt, ist die Zurückweisung<br />

durch den ‚alten‛ beschließenden Bundestag oftmals nicht mehr<br />

möglich, da sich bereits ein ‚neuer‛ Bundestag konstituiert hat. Der Grundsatz der<br />

Diskontinuität verhindert dann das Zustandekommen des Gesetzes, da der ‚neue‛<br />

Bundestag den Gesetzesbeschluss des ‚alten‛ Bundestages weder verändern noch<br />

797 Art. 77 Abs. 4 GG best<strong>im</strong>mt inhaltliche folgendes: Ein mit absoluter Mehrheit beschlossener Einspruch des<br />

Bundesrates kann nur durch einen mit absoluter Mehrheit gefassten Beschluss des Bundestages zurückgewiesen<br />

werden. Ist der Bundesratseinspruch mit einer Mehrheit von zwei Dritteln beschlossen worden, so bedarf die<br />

Zurückweisung durch den Bundestag der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen St<strong>im</strong>men, mindestens jedoch der<br />

Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.<br />

798 Das diese Konstellation eines mit Zweidrittelmehrheit ausgestatteten Länderblocks <strong>im</strong> Bundesrat keine bloße<br />

Theorie ist, lässt sich anhand jüngerer Ereignisse nachvollziehen. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-<br />

Westfalen <strong>im</strong> Jahr 2005 sah sich der damalige Bundeskanzler Schröder mit einer nahenden oppositionellen<br />

Zweidrittelmehrheit <strong>im</strong> Bundesrat konfrontiert (43 von 69 möglichen St<strong>im</strong>men <strong>im</strong> Bundesrat/ab 46 St<strong>im</strong>men<br />

wäre die Zweidrittelmehrheit erreicht gewesen). Wäre bei nur einer weiteren Landtagswahl eine unionsgeführte<br />

Landesregierung (entweder mit absoluter Mehrheit der CDU regierend oder eine Koalition aus CDU/FDP<br />

bildend) in den Bundesrat eingetreten, hätte die Unionsländerseite <strong>im</strong> Bundesrat über eine Zweidrittelmehrheit<br />

verfügt. Damit hätte das „Schicksal“ aller Bundesgesetze von der Entscheidung der Oppositionsparteien <strong>im</strong><br />

Bundestag abgehangen, da diese <strong>im</strong> Bundesrat dominiert hätten. Um diesem „worst case“ jeder Bundesregierung<br />

entgegen zu steuern, wählte G. Schröder den Weg über die konstruierte Auflösung des Bundestages. Hiermit<br />

wollte er sich vom Wähler zumindest eine moralische Legit<strong>im</strong>ation für seine Politik ausstellen lassen, die er der<br />

potentiellen Blockade <strong>im</strong> Bundesrat entgegen gehalten hätte.<br />

799 Zum Begriff und den D<strong>im</strong>ensionen der ‚Diskontinuität‛: Hömig/Stoltenberg, Probleme der sachlichen Diskontinuität,<br />

in: DÖV 1973, 689 ff; Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität in der parlamentarischen Demokratie,<br />

in: JöR 27 (1978), 75 ff; Schneider, Gesetzgebung, S. 83 ff.

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