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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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268<br />

D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

Ob sich der für die Rechte des Bundesrates schon fast landläufig eingebürgerte<br />

Gebrauch der Vetobezeichnung 761 tatsächlich rechtfertigen lässt oder ob es sich<br />

nicht eher um einen begriffstechnischen Fehlgriff ohne substantielle Unterfütterung<br />

handelt, sollen die folgenden Überlegungen erweisen.<br />

Das Ziel, die föderalen Gliederungen Deutschlands auf Reichsebene an der<br />

dortigen Staatsleitung partizipieren zu lassen, war seit dem Paulskirchenverfassungsentwurf<br />

762 , über die Bismarcksche Kaiserverfassung 763 bis hin zur We<strong>im</strong>arer<br />

Reichsverfassung 764 ein tragendes Element deutscher Verfassungsstaatlichkeit.<br />

Dieses Ansinnen kann vor dem historischen Kontext gesehen auch nicht verwundern,<br />

da sich Deutschland vor der späten Reichseinheit <strong>im</strong> Jahr 1871 als sowohl<br />

geographisch, wie politisch zerklüftetes Konstrukt autarker Fürstenstaaten darstellte.<br />

Aus den einzelnen „historisch gewachsenen Staatswesen, mit eigener,<br />

durch Geschichte, Stammesbewusstsein und angestammtem Herrscherhaus ge-<br />

Auf diesen Grundgedanken basiert die von G. Strohmeier für das politische System in Deutschland fortentwickelte<br />

„Vetospielertheorie“ – Vgl. Strohmeier, Vetospieler – Garanten des Gemeinwohls und Ursachen des<br />

Reformstaus, insb. S. 103 ff.<br />

761 Analysiert man die Hintergründe der Verwendung der Vetobezeichnung, so kristallisiert sich heraus, dass es<br />

<strong>im</strong> Wesentlichen um die Beschreibung einer machtpolitischen Auseinandersetzung und Verhinderung der absoluten<br />

Durchsetzung des Ansatzes des jeweils anderen Machtblocks geht. – Dieser für die Vetoanwendung zumindest<br />

grundsätzlich nicht untaugliche Kontext, wird bezüglich des Bundesrates nicht nur dann relevant, wenn sich<br />

<strong>im</strong> Bundesrat die sog. „A und B-Länder“ gegenüberstehen (also eine christlich-liberale Mehrheit <strong>im</strong> Bundestag<br />

oder derartig majorisierend regierte Länder gegen eine ebensolche bis dato rot-grüne Mehrheit) sondern auch<br />

wenn das gleiche politische Lager <strong>im</strong> Bund und über die Länder auch <strong>im</strong> Bundesrat über eine Mehrheit verfügt.<br />

Auch in dieser Konstellation, die theoretisch ein sog. „Durchregieren“ ermöglichen könnte, entfaltet der Bundesrat<br />

Destruktionsenergie <strong>im</strong> Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens. Schon die Drohung mit einem vermeintlichen<br />

Vetoeinsatz offenbart die politische Sprengkraft einer St<strong>im</strong>mverweigerung <strong>im</strong> Bundesrat. Hierin ist wohl auch die<br />

Motivation zur Verwendung der semantisch starken Vetobezeichnung zu suchen. – Eine solche Konstellation<br />

konnte am Beginn der 17. Legislaturperiode beobachtet werden, als trotz erstmaliger Mehrheit von CDU/CSU<br />

und FDP <strong>im</strong> Bundestag und Bundesrat seit mehr als einer Dekade der Einsatz von Vetos seitens einzelner<br />

Ländern gegenüber den Steuergesetzen des Bundestages <strong>im</strong> Raum stand. Die Verweigerung der Zust<strong>im</strong>mung<br />

zum damaligen Steuergesetzespaket, als vermeintliches Veto deklariert, wurde vom Land Schleswig-Holstein als<br />

Instrument eingesetzt, um eigene Landesinteressen stärker gewichtet zu bekommen. Zum Nachvollziehen des<br />

Szenarios sei auf folgende Beiträge verwiesen: SPIEGEL online, v. 27. Oktober. 2009. „Merkel muss Veto der<br />

Unions-Fürsten fürchten“; Frankfurter Allgemeine Zeitung-NET, v. 27. November 2009 „Kompromisslos <strong>im</strong><br />

Steuerstreit“; SPIEGEL online, v. 11. Dezember 2009 „Merkel vor der Machtprobe“; Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung-NET, v. 13. Dezember 2009 „Bund und Länder nähern sich an“; SPIEGEL online, v. 13. Dezember<br />

2009 „Schuldenhilfe soll Bundesratsblockade lösen“; SPIEGEL online, v. 18. Dezember 2009 „Bundesrat st<strong>im</strong>mt<br />

Steuerpaket zu“.<br />

762 Zum Zweikammersystem <strong>im</strong> Paulskirchenentwurf unter Beibringung des verfassungshistorischen Kontextes:<br />

Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. II S. 767 ff; Pauly, Die Verfassung der Paulskirche und ihre Folgerungen (§3);<br />

in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. I, Rn 37-39.<br />

763 Zum föderalen Ansatz der Kaiserverfassung und dem dortigen Bundesrat als oberstem Organ des Reiches:<br />

Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 788-797 & S. 848 ff; Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts,<br />

S. 477 ff; Stern, Staatsrecht II, S. 113.<br />

764 Zum Reichsrat der We<strong>im</strong>arer Republik: Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung,<br />

S. 92; Bilfinger, Der Reichsrat – Bedeutung und Zusammensetzung (§46), in: Anschütz/Thoma (Hrsg.): Handbuch<br />

des <strong>deutschen</strong> Staatsrechts, Bd. I, S. 545 ff; ders., Der Reichsrat – Zuständigkeit und Verfahren (§47), in:<br />

Anschütz/Thoma (Hrsg.): Handbuch des <strong>deutschen</strong> Staatsrechts, Bd. I, S. 559 ff; Anschütz, Die Verfassung des<br />

Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 60-67; S. 334 ff; Ze<strong>im</strong>ann, Der Reichsrat - nach der Verfassung des<br />

<strong>deutschen</strong> Reichs vom 11. August 1919, Diss. Jur. Frankfurt 1920; Held, Der Reichsrat – seine Geschichte, seine<br />

Rechte und seine Stellung nach der Reichsverfassung vom 11. August 1919, Diss. Jur. Erlangen 1926; Stern,<br />

Staatsrecht II, S. 114.

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