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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Vetoansatzpunkte <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

Das Szenario einer Bundestagsmehrheit, die populäre, aber kaum finanzierbare<br />

Gesetze beschließt, ist somit nur in der Parlamentskrise denkbar. Diese Parlamentskrise<br />

fände ihren Ausdruck darin, dass eine Bundesregierung, welche einmal<br />

<strong>im</strong> Amt ist, ihre parlamentarische Mehrheit verlöre, der Bundestag aber nicht in<br />

der Lage wäre, eine neue Mehrheitsregierung durch die Neuwahl eines anderen<br />

Bundeskanzlers mittels Misstrauensvotums (Art. 67 GG) zu kreieren. In einem<br />

solchen Fall kann die einmal gewählte Bundesregierung weiter <strong>im</strong> Amt bleiben.<br />

Gleiches Szenario ist denkbar, wenn nach Art. 63 Abs. 4 GG ein Minderheitenkanzler<br />

von Anfang an gewählt worden wäre. Solange sich keine parlamentarische<br />

Mehrheit zusammen findet, diesen Kanzler auszuwechseln, amtiert diese Bundesregierung.<br />

Jene könnte sich jedoch einer negativen Mehrheit ausgesetzt sehen, die<br />

zumindest jeweils in der Lage wäre, mit einfacher Mehrheit finanzwirksame Gesetze<br />

zu beschließen, welche nicht der finanzpolitischen Auffassung der Bundesregierung<br />

entsprächen. In einer solchen Sonderkonstellation kann, wie Paudtke es<br />

darstellt, das Einsatzfeld von Art. 113 GG liegen:<br />

„…Mit Hilfe des Vetorechts kann die Bundesregierung (das) Spiel des Bundestages durchkreuzen<br />

und negativen Mehrheiten den Wind aus den Segeln nehmen. Sie kann den Ruin der<br />

Staatsfinanzen und damit ihren eigenen Untergang verhindern. …“ 751<br />

Insbesondere die Ergebnisse der Bundestagswahl <strong>im</strong> Jahr 2005, aber auch diverse<br />

jüngere Landtagswahlen in den Ländern, haben offenbart, dass das Parteiensystem<br />

der Nachkriegsbundesrepublik ins Wanken 752 gekommen ist und der Einzug neuer<br />

Parteien zu Parlamenten mit fünf oder mehr Fraktionen führen kann. 753 Aus dem<br />

Umstand, dass die politischen Lager aus thematischen und persönlichen Gründen<br />

tendenziell untereinander koalitionsuntauglich sein könnten und auch der letzte<br />

Ausweg einer sog. ‚Großen Koalition‛ zwischen den beiden großen Volksparteien<br />

in Anbetracht der politischen Streitkultur und des politischen Diskurses dauerhaft<br />

keine probate Lösung darstellen wird, rückt das Szenario des mehrheitsunfähigen<br />

Parlaments <strong>im</strong>mer mehr in den Bereich des Möglichen.<br />

Jene Parlamentsfraktionen, welche in einer solchen politischen Gemengelage<br />

die größte relative St<strong>im</strong>menmehrheit werden kreieren können, sind dann in der<br />

Lage, den Bundeskanzler zu stellen. Dieser wird aber Regierungschef einer Minderheitsregierung<br />

sein. Vom politischen Interpretationsstandpunkt aus betrachtet<br />

ist das Minderheitenszenario gar nicht so abwegig. Die Umsetzung der Wahl-<br />

751 Paudtke, Das mehrheitsunfähige Parlament <strong>im</strong> <strong>Verfassungssystem</strong> des Grundgesetzes, S. 151.<br />

752 „…Die Parteienlandschaft ist aus den Fugen geraten. …“ – Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung-NET, v. 27. September<br />

2009 „Adieu, Volksparteiendemokratie“.<br />

753 Vgl. hierzu: Die politische Analyse der „Fünfparteienlandschaft“ nach der Hessischen Landtagswahl v.<br />

27.01.08 – in: Süddeutsche Zeitung, 02./03. Februar 2008, S. 4; „Durchbruch der Linkspartei“ in: Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung, v. 30. Januar 2008, S. 1; ebenso mit grundsätzlichen Erwägungen zur Veränderung der<br />

Parteienlandschaft: Graf Kielmannsegg, der von einem ‚asymmetrischen, instabilen Fünf-Parteien-System‛ schreibt – in:<br />

„Mehrheiten sind nicht mehr garantiert“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, v. 23. August 2002, S. 9.<br />

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