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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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230<br />

D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

einem potentiellen Ermessensbereich 652 des Staatsoberhaupts, einem Gesetz, dass<br />

er für evident verfassungswidrig hielte, die Ausfertigung und Verkündung zu versagen.<br />

Sollte das zur Ausfertigung verpflichtete Staatsoberhaupt dennoch bei einem<br />

Gesetz erkennen, dass diesem die ‚Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben<br />

steht‛, dann stünde ihm zwecks diesbezügliche Klärung nunmehr originär<br />

das ‚Gutachtenverfahren‛ vor dem Bundesverfassungsgericht zur Verfügung.<br />

Diese Gutachtenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts müsste rechtsverbindlich<br />

sein und sich bei Begründetheit des Verfassungszweifels mithin automatisch<br />

in ein Nichtigkeitsurteil <strong>im</strong> Sinne der Abstrakten Normenkontrolle umwandeln.<br />

Diese Automatik würde in den näheren prozeduralen Vorschriften des<br />

Bundesverfassungsgerichtsgesetzes niedergelegt werden. Jene Lösung hätte den<br />

Charme, dass der Bundespräsident die evidenten verfassungsrechtlichen Zweifel<br />

offenkundig machen könnte, aber von der aktiven Unterminierung des politischen<br />

Willens des Parlaments entbunden wäre. Insbesondere müsste er nicht fürchten,<br />

<strong>im</strong> Rahmen eines Organstreitverfahrens der Kompetenzüberschreitung bezichtigt<br />

und damit vorgeführt zu werden.<br />

Die in gewissem Sinne ‚geweihte‛, weil nicht allein durch Verfassungsnormen<br />

kreierbare und nicht allein durch Verfassungsinterpretation verifizierbare Macht<br />

des Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt wäre zu keiner Zeit gefährdet. Das<br />

Besondere und der Glanz dieses Staatsorgans könnten geschont und erhalten<br />

bleiben, ohne das Verfassungszweifel ungewürdigt blieben. Gerade weil der politische<br />

Raum vom Bundespräsidenten gar nicht betreten würde, müsste auch niemand<br />

befürchten, dass der Bundespräsident aus vorgeschobenen Verfassungszweifeln<br />

‚über den Kompetenzzaun fräße‛. Allein das von der Funktionsordnung<br />

des Grundgesetzes dafür vorgesehene Bundesverfassungsgericht würde die Verfassungszweifel<br />

würdigen und letztverbindlich deren Begründetheit prüfen.<br />

(2) Faktisch rückte durch die obige (Neu)-Formulierung des Art. 82 Abs. 1 der<br />

Bundespräsident in eine Antragstellerschaft für das abstrakte Normenkontrollverfahren<br />

gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Es könnte daher auch in Erwägung gezogen<br />

werden, nur den S. 1 der avisierten Neuformulierung von Art. 82 Abs. 1 GG<br />

zu erhalten und den Bundespräsidenten gleichsam in die Aufzählung der zulässigen<br />

Antragsteller in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG aufzunehmen und dementsprechend<br />

auch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu ändern. Gerade weil keiner der bisher<br />

dort aufgeführten Antragsteller eine Verletzung subjektiver Rechte oder auch<br />

652 Roman Herzog argumentiert, dass dem Bundespräsidenten schon in der gültigen Fassung des Art. 82 Abs. 1 S. 1<br />

GG kein Ermessensspielraum zustünde, da er wegen Art. 20 Abs. 3 GG uneingeschränkt zu verfassungsmäßigem<br />

Handeln verpflichtet sei. Vgl. Herzog, Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht, in: FS Carstens Bd.<br />

2, S. 609.<br />

A.A. W. M. Pohl, Die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen, S. 183 ff.<br />

Roman Herzog wies 1994 vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten jedoch selbst darauf hin, dass kein Präsident<br />

„seine eigenen verfassungsrechtlichen Neigungen zu Tode reiten“ sollte – DER SPIEGEL Nr. 13 v. 28. März 1994, S. 30<br />

„Den Finger in die Wunden“. Legt man diesen Ansatz zugrunde erscheint die vermeintliche uneingeschränkte<br />

Handlungspflicht in einem ganz anderen Licht.

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