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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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8<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

1. Fehlende Ansätze in der antiken Stadtstaatendemokratie<br />

Fraglich ist zunächst, warum nicht das antike Griechenland mit seinen zivilisationshistorisch<br />

12 und demokratietheoretisch 13 noch vor dem Römischen Reich anzusiedelnden<br />

griechischen „Polis 14 “ und deren Verfassungsstrukturen das vermeintlich<br />

erste Vorkommnis eines Vetos offenbart, sondern die Nachforschungen<br />

erst in römischen Quellen fündig werden. Der Grund hierfür ist darin zu suchen,<br />

dass es gerade das um die Zeitenwende entstandene römische Verfassungsrecht<br />

ist, welches bezüglich der hier zu untersuchenden <strong>Vetorechte</strong>, dem griechischen<br />

Staatsprinzip fremde Verbindungslinien zum heutigen Staatsverständnis enthält.<br />

Insbesondere aus der in vermeintlicher Reinkultur praktizierten unmittelbaren<br />

Demokratie 15 der Stadtstaaten des antiken Griechenlands erwächst ein struktureller<br />

Unterschied zu den republikanischen Verfassungstraditionen Roms. Denn die<br />

griechischen Bürger 16 delegierten keine Macht, sondern übten sie in der Volksversammlung<br />

„Ekklesia“ 17 unmittelbar aus. Die daraus folgende Identität 18 von Herrschen<br />

und Beherrschtwerden machte die Volksversammlung zum Machtzentrum<br />

der „Polis“ 19 . In der attischen Demokratie übte das Volk, über die volle Gesetzgebungsgewalt<br />

hinaus, auch die Regierungs-, Kontroll- und Gerichtsgewalt aus. Damit<br />

war die Demokratie in Athen ein Reg<strong>im</strong>e direkter, unmittelbarer Herrschaft<br />

des Volkes, das auf umfassender Beteiligung aller Bürger beruhte. Die Bürger<br />

bildeten in der Ekklesia die Legislative und in den Dikasterien 20 die Judikative.<br />

Dort, wo die Bürger die Ämter besetzten, bildeten sie zugleich auch die <strong>Exekutive</strong>.<br />

21 Der athenische Demos besaß also eine beispiellose Machtkonzentration.<br />

Gesetzgebende, richtende und ausführende Gewalt gingen vom Volk aus und<br />

verblieben auch bei ihm. Die Volksversammlung war <strong>im</strong> strengen Wortsinn der<br />

12 Heuß, in: Propyläen Weltgeschichte Bd. 4, S. 18.<br />

13 Ausführlich dazu: Tarkiainen, in: Die Athenische Demokratie, S. 16 ff.<br />

14 Umfassend zur komplexen Entstehungsgeschichte der griechischen Polis: Meyer, in: Einführung in die antike<br />

Staatskunde, S. 66 ff; Meier, in: Athen – Ein Neubeginn Weltgeschichte, S. 128 ff.<br />

15 Umfassend zum Demokratieprinzip <strong>im</strong> Alten Griechenland: Vorländer, Grundzüge der athenischen Demokratie,<br />

in: Informationen zur Politischen Bildung, Heft Nr. 284, 2004.<br />

16 Dem Umstand, dass es sich bei der vermeintlich demokratischen Masse der Bürger, faktisch in ihrer Relation<br />

um eine kleine Minorität handelte, da Frauen, Sklaven und Metöken - Bewohner ohne Bürgerstatus, sehr oft<br />

Fremdarbeiter - nicht als Bürger <strong>im</strong> politischen Sinne des Wortes galten und deshalb auch von der Beteiligung<br />

ausgeschlossen blieben, soll aufgrund der hier fehlenden Relevanz keine grundsätzlich Aufmerksamkeit gewidmet<br />

werden – dazu ausführlich: Welwei, in: Die griechische Polis, S. 276-268.<br />

17 Zur Funktionsweise der griechischen Volksversammlung: Bleicken, Die athenische Demokratie, S. 190 ff.<br />

In der politischen Realität konnte allerdings nicht jeder mündige athenische Mann allumfänglich von seinen<br />

demokratischen Rechten Gebrauch machen, denn der Besuch der Volksversammlung kostete Zeit, die nicht<br />

jeder hatte. Annahmen zu der wohl realistischen Zusammensetzung der Ekklesia sind zu finden bei: Dahlhe<strong>im</strong>,<br />

in: Die Antike: Griechenland und Rom von den Anfängen bis zur Expansion des Islams, S. 199.<br />

18 Zu der daraus durch Rousseau synthetisierten „identitären Demokratie“ der griechischen Polis: Vorländer,<br />

Wege zur modernen Demokratie, in: Informationen zur Politischen Bildung, Heft Nr. 284, 2004.<br />

19 Heuß, in: Propyläen Weltgeschichte Bd. 3, Die Klassische Zeit, S. 269.<br />

20 Siehe dazu: Welwei, in: Athen – vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Grosspolis, S. 187-189.<br />

21 Dahlhe<strong>im</strong>, in: Die Antike: Griechenland und Rom von den Anfängen bis zur Expansion des Islams, S. 196.

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