22.01.2013 Aufrufe

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

I. Vetoansatzpunkte <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

staatspolitische Autorität abhanden, die den Staatsakt Gesetz über den politischen<br />

Streit zu heben in der Lage ist.<br />

Ein nichtausfertigender Bundespräsident macht sich, ob er es will oder nicht,<br />

zum Gehilfen der Opposition. 641 Faktisch wird er über das verfassungsrechtliche<br />

Argument zum Handlanger der politischen Minderheit, die sich bei der inhaltlichen<br />

Beschlussfassung nicht durchzusetzen vermochte. Diese Folge mag <strong>im</strong> konkreten<br />

Fall niemand ausdrücklich so benennen wollen, um das Amt und die Person<br />

der Bundespräsidenten nicht unnötig zu beschädigen. Der Aufgabenzwiespalt<br />

in den die Grundgesetzauslegung zugunsten eines Prüfungsrechts des Bundespräsidenten<br />

diesen bringt, erscheint jedoch letztlich wie die Wahl zwischen Skylla und<br />

Charybdis.<br />

Seiner eigentlichen honorigen Aufgabe kann der Präsident <strong>im</strong> Zweifelsfall jedenfalls<br />

nicht nachkommen. Wenn die Funktionszuweisung gerade darin bestehen<br />

soll, das Gesetz zur allgemeinverbindlichen Regel zu machen und aus den Wirren<br />

des pluralistischen Meinungsgeflechts zu entheben, es also mit einem höheren<br />

Mehrwert auszustatten, dann ist der Bundespräsident die denkbar schlechteste<br />

Instanz hierfür, wenn damit gleichsam auch der Aspekt der Prüfung verbunden<br />

werden soll.<br />

Diese Enthebung des Gesetzes vom politischen Streitgegenstand zu einer allgemeinverbindlichen<br />

Regel ist eines der edelsten Rechte, welche eine Verfassung<br />

einem ihrer Organe anvertrauen kann. Bei der Betrachtung des Grundgesetzes ist<br />

es vollkommen richtig dieses vornehmste Recht be<strong>im</strong> Bundespräsidenten anzusiedeln.<br />

Es erscheint mir aber falsch, es gleichsam wieder zu besudeln, da der Präsident<br />

ein Prüfungsrecht, ja sogar eine Prüfungspflicht haben soll. Bei hundertprozentiger<br />

Ausfüllung dieser Prüfaufgabe kann ein Bundespräsident, insofern evidente<br />

Verfassungszweifel bestehen, der Staatsaktwerdung eines Gesetzes gar nicht<br />

behilflich sein. Entweder er fertigt das Gesetz aus, dann hat er seiner Evidenzkontrolle<br />

nicht genügend Rechnung getragen, was ihm die Parlamentsminderheit<br />

641 Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass es die politische Opposition ist, welche in besonderer Weise eine<br />

unverhohlene Freude über die Nichtausfertigungsentscheidungen zum Ausdruck bringt. Die beiden aktuellsten<br />

Fälle der Ausfertigungsverweigerung durch Bundespräsident Horst Köhler bei dem „Gesetz zur Teilprivatisierung<br />

der Flugsicherheit“ und dem „Verbraucherinformationsgesetz“ <strong>im</strong> Jahr 2006 haben dies besonders deutlich<br />

gezeigt. Vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17. Dez. 2006, S. 2: „…Die Opposition jubelt schadenfroh. Die<br />

Grünen, die bisher ‚diesen Horst‛ als Staatsoberhaupt für eine ordnungspolitische Fehlentscheidung hielten triumphieren. Nun sehen<br />

sie in ihm ihren Helfer. Der rechtspolitische Grünen-Sprecher Jerzy Montag verspottet die Regierung und es klingt wie Rache: ‚Die<br />

können es nicht!‛ Diese große Koalition mache ‚hanebüchene handwerkliche Fehler. Das glaubt auch die einstige Bundesjustizministerin<br />

von der FDP: ‚Diese Regierung hat die rechtspolitische Kultur die einmal als Glanzstück des bundesrepublikanischen Parlamentarismus<br />

galt, in einen Trümmerhaufen verwandelt‛. …“. Ebenso der Fraktionsvorsitzende der Partei „Die Linken“ <strong>im</strong><br />

Deutschen Bundestag, Gregor Gysi, meinte dass der Bundespräsident Köhler gelegentlich ein Glücksfall für die<br />

Opposition sei, „es könne aber kein Dauerzustand sein dass er den Ausputzer spielt“ – Vgl. Leipziger Volkszeitung<br />

zit. in: SPIEGEL online v. 14. Dez. 2006.<br />

Die mittelbare Helferrolle wird auch deutlich, wenn man betrachtet, dass es gerade die Opposition <strong>im</strong> Deutschen<br />

Bundestag war, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit den jüngsten Ausfertigungsverweigerungen dem Bundespräsidenten<br />

ohne Probleme eine Verfassungshüterrolle zugestand: Vgl. Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion,<br />

Jörg van Essen: „Nie war das Wächteramt des Bundespräsidenten so wichtig wie bei dieser Bundesregierung, die der Arroganz der<br />

Macht einen höheren Stellenwert einräumt als dem Grundgesetz“ – zit. nach ddp in: FAZ NET v. 12. Dez. 2006.<br />

223

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!