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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Vetoansatzpunkte <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

artig fundamental in die Rechte des Bundestages eingreifende Kompetenz des<br />

Bundespräsidenten auszulesen und zu begründen.<br />

Die Wortlautbegründung für das formelle Prüfungsrecht und die Standardargumentation<br />

für die materielle Kontrollkomponente über Art. 20 GG, wonach<br />

sich auch der Bundespräsident als Organ der <strong>Exekutive</strong> an Gesetz und Recht<br />

halten müsse und daher nichts Verfassungswidriges ausfertigen darf, sind m.E.<br />

nicht mehr als eine Aktion von ‚goodwill‛, die man mit dem Wortlaut von Art. 82<br />

Abs. 1 S. 1 GG begründen kann, aber nicht zwingend muss. Dieses Kontrollfunktionsargument<br />

ähnelt nämlich problematischer Weise fatal der Idee eines „Hüters<br />

der Verfassung“. Jenem „Hütermodell“ also, das auf den Gedanken von Carl<br />

Schmitt 638 fußte und welches davon ausgeht, dass das Staatsoberhaupt ein starker<br />

„Führer“ sein soll, der nicht nur verfassungsmäßig machtvoll, sondern auch von<br />

Natur aus weitsichtig und allumfassend kompetent wäre. Dieser „Führer“ sollte<br />

dem unsauber arbeitenden und von Gruppeninteressen zerfressenden Parlament<br />

die Stirn bieten oder einem ausufernden Parlamentsabsolutismus Einhalt gebieten<br />

können. Im Blick hatte Carl Schmitt dabei wohl zuallererst das menschen- und<br />

rechtsstaatsfeindliche Modell der Nationalsozialisten <strong>im</strong> Dritten Reich, von dem,<br />

wenn man seine Werke zugrunde legt, er entweder überzeugt war oder welchem er<br />

zumindest damit das Wort schrieb.<br />

Für das Grundgesetz ist das „Verfassungshütermodell“ jedenfalls eine gänzlich<br />

untaugliche Konstruktion, da nichts darauf hindeutet, dass dieser Bundespräsident<br />

die Rolle eines politischen Führers einnehmen soll. Vielmehr soll der Präsident<br />

unter dem Reg<strong>im</strong>e des Grundgesetzes sich jeder eigenen politischen Agenda enthalten.<br />

Eine „Hüterschaft“ für die Verfassung setzte aber gerade Stärke voraus,<br />

welche dem Bundespräsidenten so nicht gegeben ist. Allein die politische Wirkung<br />

seiner Worte und Taten, die eher eine moralische „Hüterschaft“ sind als eine verfassungsrechtliche,<br />

verleihen der Ausfertigungsverweigerung ihre Schärfe und<br />

D<strong>im</strong>ension. Dieser faktischen Folge seiner herausgehobenen Rolle als Staatsoberhaupt<br />

fehlt es <strong>im</strong> Grunde jedoch sowohl an demokratischer Legit<strong>im</strong>ation als auch<br />

an substantieller Aufgabenzuweisung <strong>im</strong> Grundgesetz. Ein Weiteres kommt hinzu:<br />

Wenn das Grundgesetz in Kenntnis der verfassungsrechtlichen Diskussionen<br />

um Art. 17 RV 1871 und Art. 70 WRV dem Bundespräsidenten eine „Hüterrolle“<br />

zuschreiben wollte, dann hätte es ihn mit hierfür weitaus stärkeren Verteidigungsrechten<br />

ausstatten müssen.<br />

Anders die Argumentation Schlaichs, der bezüglich der Position des Bundespräsidenten<br />

von einem letzten Schutzwall ausgeht, welcher als eine Art Legalitätsreservekarte<br />

zum Schluss gespielt werden könnte, wenn alle anderen staatlichen<br />

Instanzen zu versagen drohen oder bewusst kollusiv versagen:<br />

„…Ihre eigentliche Bedeutung erlangt sie [die Legalitätsreserve] erst, wenn die normalen Mittel,<br />

verfassungswidriges Handeln anderer Staatsorgane zu verhindern oder zu beseitigen, versagen.<br />

638 Carl Schmitt, Hüter der Verfassung .<br />

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