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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

weit hieraus produktive Rückschlüsse für das Prüfungsrecht zu ziehen sind, gilt es<br />

nun <strong>im</strong> Folgenden zu betrachten.<br />

In den vorentscheidenden Debatten um das zukünftige parlamentarische System<br />

auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee wurde als Zielvorgabe für<br />

die Konzeption des Bundespräsidenten, wie schon be<strong>im</strong> Reichspräsidenten, die<br />

Funktionszuweisung als sog. „pouvoir neutre“ avisiert, mit dem Ziel das republikanische<br />

Staatsoberhaupt in die Stellung eines „Hüters der Verfassung“ zu bringen.<br />

Der auf Carl Schmitt 627 zurückführbare Begriff des Präsidenten als „Verfassungshüters“<br />

lässt sich dogmatisch auch schon für die Position des Kaisers 628 in<br />

der Bismarckschen Reichsverfassung ermitteln. Auch hier waren die kaiserlichen<br />

Prüfungskompetenzen gegenüber den Gesetzen von Reichstag und Bundesrat <strong>im</strong><br />

Wesentlichen auf eine Art Verfassungswächterrolle gestützt worden, die als Ausgleich<br />

für den verlorenen monarchischen Gesetzgebungsanteil auf Reichsebene<br />

gedacht war. Für die Kaiserverfassung machte dies besonders Sinn, da eine Verfassungsgerichtsbarkeit<br />

in dieser nicht vorgesehen war. Aufgrund der monarchischen<br />

Grundtradition des Deutschen Reiches lief die Aufgabe fast automatisch<br />

auf den Kaiser zu.<br />

Auch für die We<strong>im</strong>arer Republik war jener Ansatz des Verfassungshüters zumindest<br />

prinzipiell nachvollziehbar und entstammte wohl vor allem dem Ansinnen,<br />

den Parlamentarismus, den Carl Schmitt als überlebte Form darstellte, ‚die<br />

moralisch und geistig ihren Boden verloren hat und nur noch als leerer Apparat<br />

kraft einer bloß mechanischen Beharrung mole sua aufrecht steht‛, einen starken<br />

Kompensations- und Kontrollfaktor entgegen zustellen. Der Reichspräsident<br />

sollte eine Instanz sein, die losgelöst von Zufallsmehrheiten und Koalitionsgezänk<br />

dafür Sorge zu tragen hätte, dass sich der Staat nicht in Parteienstreit und Gruppenpluralismus<br />

auflöste. 629<br />

Unter den We<strong>im</strong>arer Verfassungsverhältnissen konnte der Reichspräsident<br />

zumindest noch in Anspruch nehmen, unmittelbar gewählt und somit durch das<br />

Volk legit<strong>im</strong>iert zu sein. Der Bundespräsident unter dem Reg<strong>im</strong>e des Grundgesetzes<br />

kann auf eine derartige Legit<strong>im</strong>ationsbasis nicht mehr verweisen. Sein Aktionsradius<br />

bewegt sich außerhalb unmittelbarer demokratischer Rückkopplung.<br />

Wenn aber der Bundespräsident keine politische Anknüpfung an den Wählerwillen<br />

nehmen muss, erscheint es fraglich, wie es zu verantworten ist, dass er mit<br />

seinem Veto diejenigen brüskieren können soll, welche die eigentlichen politischen<br />

Verantwortungsträger sind. Zumal aus den Verfassungsmaterialen bezüglich der<br />

organschaftlichen Zuständigkeitsverteilung die Bestandsaufnahme gelesen werden<br />

kann, dass das Grundgesetz den Bundespräsidenten, in bewusstem Gegensatz zur<br />

We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung, dezidiert aus dem Gesetzgebungsprozess herauszu-<br />

627 Vgl. Carl Schmitt, Hüter der Verfassung.<br />

628 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des <strong>deutschen</strong> Reiches Bd. II, S. 46.<br />

629 Vgl. v. Beyme, Die Parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, S. 279/280; m.w.N.

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