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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Vetoansatzpunkte <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

Des Weiteren erzeugt dieses Antizipieren von Verfassungszweifeln einen faktischen<br />

Zustand der Selbstkontrolle seitens des Präsidenten. Denn wenn die politische<br />

Mehrheit <strong>im</strong> Bundestag wirklich sichergehen will, dass der Bundespräsident<br />

ein Gesetz ausfertigt, dann würdigt sie seine Sichtweise schon bei der Normentstehung.<br />

Das Bundespräsidialamt teilt den federführenden Ministerien durchaus<br />

schon während des Gesetzgebungsprozesses oder kurz danach mit, inwieweit es<br />

Verfassungszweifel hegt. 617 In Hintergrundgutachten und Schriftwechseln wird<br />

der Bundespräsident, dessen Staatssekretär sogar an Kabinettssitzungen 618 teiln<strong>im</strong>mt,<br />

frühzeitig informiert und kann langfristig die relevanten Verfassungsfragen<br />

prüfen. Dem politischen Raum deuten sich Verfassungszweifel also schon vor<br />

einer vermeintlichen Ausfertigungsverweigerung eine Zeit lang an.<br />

Es besteht also durchaus schon praktisch die Möglichkeit der Einbindung der<br />

präsidialen Sichtweise. Beugt sich eine Bundesregierung dieser schon <strong>im</strong> Vorfeld,<br />

ist allerdings dasjenige, was der Bundespräsident später tatsächlich verfassungsrechtlich<br />

begutachtet, sein eigener Wille. Dies kann <strong>im</strong> Extremfall die faktische<br />

Folge haben, dass er sich kurioserweise zum Schluss selbst kontrolliert.<br />

Gerade derartige Eingriffsd<strong>im</strong>ensionen des Bundespräsidenten in das Normsetzungshandeln<br />

von Regierung und Legislative sieht das Grundgesetz eigentlich<br />

aber gar nicht vor, vielmehr versucht die Verfassung derartigen Einfluss sogar<br />

auszuschließen. Die Folge, der durch die Hintertür des vetorechtserzeugenden<br />

Prüfungsrechts Einzug haltenden präsidentiellen Einflussnahme, ist eine massive<br />

Zerknirschtheit <strong>im</strong> politischen Raum sobald ein Bundespräsident von dieser Verweigerungskompetenz<br />

Gebrauch macht oder deren Gebrauch androht. Die beiden<br />

jüngsten Fälle sprechen hier eine beredete Sprache. Die Reaktionen von parlamentarischer<br />

Mehrheit und Bundesregierung deuten darauf hin, dass sie den<br />

Bundespräsidenten ‚gefühlt‛ für nicht zuständig erachten.<br />

Es ist jedoch nicht allein die verfassungsrechtliche ‚Nichtkompetenz‛ des Bundespräsidenten,<br />

welche Frustration <strong>im</strong> politischen Raum erzeugt, sondern vor<br />

allem der Umstand, dass dem weder unmittelbar legit<strong>im</strong>ierten noch mit substantieller<br />

Beteiligung an der Staatsleitung ausgestatteten Staatsoberhaupt, eigentlich<br />

eine derartig weitreichende Entscheidung nicht zugebilligt werden kann. Jene subtile<br />

‚Emotionslage‛ bei den politischen Akteuren ist keiner Boshaftigkeit geschul-<br />

Allgemeine Zeitung v. 29. Dez. 2007, S. 3). Im Falle verfassungsrechtlicher Zweifel wäre es nur sehr schwer<br />

vorstellbar gewesen, wie seine politische Auffassung zu diesem Thema, von seinen vermeintlich evidenten Verfassungszweifeln<br />

zu trennen gewesen wäre.<br />

617 So war es beispielsweise auch <strong>im</strong> Vorfeld der Nichtausfertigung des Verbraucherinformationsgesetzes. Das für<br />

die Ausfertigung zuständige Referat Z 6 des Bundespräsidialamtes versuchte noch nach Gesetzesbeschluss die<br />

Bundesregierung davon zu überzeugen, dass nach der Föderalismusreform der Bund den Gemeinden <strong>im</strong> fraglichen<br />

Themenbereich keine Vorgaben mehr machen durfte und schlug vor, den Fehler <strong>im</strong> Wege eines Änderungsgesetzes<br />

unauffällig zu korrigieren. Diese verfassungsrechtliche Sichtweise wurde durch das Kanzleramt und<br />

das Bundesinnenministerium nicht ausreichend goutiert, so dass sich Bundespräsident Köhler außer Stande sah,<br />

das Gesetz auszufertigen. – Vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17. Dez. 2006, S. 2.<br />

618 Vgl. § 23 GOBReg. Darüber hinaus institutionalisiert schon § 5 GOBReg. den Meinungsaustausch zwischen<br />

Bundesregierung und Bundespräsidialamt. Zum ganzen Fragenkreis: H. Maurer, Hat der Bundespräsident ein<br />

politisches Mitspracherecht?, in: DÖV 1966, 665 (671 ff).<br />

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