Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
188 D. Vetos im aktuellen deutschen Verfassungssystem rechtlichen Gesichtspunkten stellt die Ausfertigung 552 und Verkündung 553 die Wirksamkeitsvoraussetzung für jedes formelle Bundesgesetz dar. 554 Jene Verweigerungsrechte des Staatsoberhauptes am Ende des Gesetzgebungsverfahrens sind, wie bei den Vorgängernormen aufgezeigt, in der rechtswissenschaftlichen Besprechung der Ansatzpunkt für ein vermeintlich in der Verfassung angelegtes exekutives Vetorecht gewesen. Daher soll auch bei der Befassung mit den Vetofundstellen im Grundgesetz eine Betrachtung dieser präsidentiellen externen Einwirkungsmöglichkeiten ob ihrer Vetoqualität erfolgen. b. Strukturelle Vetobestandsaufnahme Bei Zugrundelegung der historischen Vorgängernormen aus der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik werden im Vergleich zum Verweigerungsrecht des Bundespräsidenten unter der Ägide des Grundgesetzes zunächst einige Parallelen deutlich: Es handelt sich in allen drei Staatsgrundgesetzen um ein Recht des jeweils obersten Repräsentanten des Reiches. Sowohl der Kaiser und der Reichspräsident als auch der Bundespräsident des heutigen Grundgesetzes befanden oder befinden sich in dieser Position im Rahmen der jeweiligen Staatsorganisation. Der Reichspräsident rückte bezüglich der Ausfertigung und Verkündung im Großen und Ganzen funktionell in die Position des Kaisers ein. Der Bundespräsident nimmt den Formalakt der Ausfertigung und Verkündung weitestgehend dermaßen war, wie vormals der Reichspräsident. 555 Über die Positionierung als Staatsoberhaupt hinaus hat die Stellung des Bundespräsidenten mit derjenigen der beiden „Vorgängerorgane“ Kaiser und Reichspräsident jeweils gemein, dass der Bundespräsident ebenfalls in größtmöglicher struktureller Entfernung zum eigentlichen Gesetzgebungsprozess gehalten wird. tar, Bd. 2, Art. 82, Rn 1; W. M. Pohl, Die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen, Diss. Jur. Dresden 2001, S. 113. 552 Ausfertigung von Gesetzen bedeutet, dass der Bundespräsident die Urschrift des Gesetzes herstellt, indem er die Gesetzesurkunde mit seinem vollen Namen unterzeichnet. – Vgl. Stern, Staatsrecht Bd. II, S. 631. Die Ausfertigung erfüllt dabei drei Funktionen: (hierzu ausführlich: Maurer, in: Bonner Kommentar, Art. 82, Rn 20-22) Sie bescheinigt einmal den Abschluss des internen Gesetzgebungsverfahrens und dessen Ergebnis, das beschlossene Gesetz. Sie bestätigt, dass die Urschrift des Gesetzes mit dem Gesetzestext wörtlich übereinstimmt (Echtheit und Authentizität des Wortlauts) und das das Gesetz nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen ist (Legalität). Die Beurkundung begründet eine Vermutung für die Echtheit und Beachtung der verfassungsrechtlichen Verfahrensvorschriften. Zudem stellt die Ausfertigung, da sie durch das Staatsoberhaupt erfolgt, die Staatsbezogenheit der Gesetze heraus und dient somit zugleich der Repräsentation und Integration. 553 Verkündung bedeutet die amtliche Bekanntgabe des Gesetzeswortlauts in dem dafür vorgeschriebenen amtlichen Blatt (BGBl). – Vgl. BVerfGE 65, 283 (291). Die Verkündung setzt weiter die Ausgabe des BGBl. voraus, die den Zeitpunkt der Verkündung beeinflusst. Die Ausgabe ist mit dem Inverkehrbringen des ersten Stücks der jeweiligen Nummer des Gesetzblattes bewirkt. – Vgl. BVerfGE 87, 48 (60). 554 Vgl. Pieroth, in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Kommentar, Art. 82, Rn 1; Mewing, Die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Gesetzesausfertigung, insbesondere beim teilnichtigen Gesetz, S. 14. 555 Vgl. Maurer, in: Bonner Kommentar, Art. 82, Rn 16-18.
I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz Es handelt sich auch bei dem hier fraglichen Vorgang, basierend auf Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG, lediglich um den formalen Akt der Ausfertigung von Gesetzen, die ein anderes Organ beschlossen hat. Für das Grundgesetz erfolgt diese Beschlussfassung durch den Bundestag als dafür vorgesehenes demokratisches Legislativorgan. Eine wie auch immer geartete Teilnahme am Gesetzgebungsprozess ist für den Bundespräsidenten genauso wenig vorgesehen, wie sie es für den Kaiser oder Reichspräsidenten war. Der Bundespräsident selbst ist zwar nur schwerlich einer der Gewalten des Grundgesetzes, im Sinne des dreigliedrigen Unterteilungsschemas in Legislative, Exekutive und Judikative, zuzuordnen. 556 Wenn man jedoch mit der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum 557 die Kompetenzen des Bundespräsidenten würdigt, kann für die Mehrzahl seiner Aufgaben angenommen werden, dass sie weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung zuweisbar sind, sondern vielmehr exekutiven Charakter aufweisen. In Sinne einer derartigen negativen Definition kann daher dem Grundsatz nach von einer Zuordnung der präsidialen Kompetenzen an die Exekutive ausgegangen werden. Die Unterschiede zur Konstitution des Reichspräsidenten der WRV sind zwar offenkundig. Dennoch kann in dem für die Vetorechte interessierenden Bereich der Abgrenzung zur Legislative vom Prinzip her eine exekutivische Natur des Bundespräsidentenamtes und seiner Funktionen angenommen werden. Dies gilt daher auch für den Kompetenzbereich der Ausfertigung und Verkündung i.S.v. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG. 558 Aus abstrakter Betrachtung liegt in der Ausfertigung und Verkündung eine Art staatsnotarielle Beurkundung 559 des vom Parlament beschlossenen Gesetzes, welches aber gleichsam für seine Wirksamkeit und Vollziehung jene Notifizierung existenziell benötigt. Vom Vetogesichtspunkt aus kommt ein Weiteres hinzu: Ohne den präsidialen Ausfertigungs- und Verkündungsakt wird die ansonsten mit jenem Vorgang einhergehende widerlegbare 560 Vermutungsfiktion 561 bezüglich der 556 So auch Stern, in: Staatsrecht Bd. II, S. 211: „…An der Zugehörigkeit des Reichspräsidenten als eines politisch gestaltenden Präsidenten zur vollziehenden Gewalt bestand kein Zweifel; sie ergab sich bereits aus der Überschrift des Dritten Abschnitts der Ersten Hauptteils der Weimarer Reichsverfassung. Nach seinen Kompetenzen gegenüber dem Parlament und Regierung sowie seinen exekutivischen Organisationsbefugnissen war die Domizilierung bei der zweiten Gewalt offenkundig. […] Demgegenüber bereitet die Zuordnung des nicht-regierenden Bundespräsidenten zu den verschiedenen Gewalten Schwierigkeiten. […] Weder regiert der Bundespräsident, noch verwaltet er. Er ist Staatsoberhaupt, das zwar nicht über den Gewalten steht, aber auch nicht in den Gewalten. Insofern kann er weder funktional noch organisatorisch in das Dreiteilungsschema eingeordnet werden, ohne seine verfassungsrechtliche Stellung zu verzeichnen. Er ist ein Organ sui generis…“. 557 Vgl. Kimminich, Das Staatsoberhaupt in der parlamentarischen Demokratie. Verwaltung durch Subventionen, in: VVDStRL 25 (1967), S. 71. 558 A.A. Stern, Staatsrecht Bd. II, S. 213/214, der gerade für die Ausfertigung und Verkündung gemäß Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG eine Nähe der präsidialen Kompetenz zur Rechtssetzung erkennen will. Dem ist jedoch entschieden zu widersprechen, da in diesem Stadium das Gesetz durch den Bundestag schon beschlossen wurde, was Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG eindeutig zum Ausdruck bringt. Die sich anschließenden Funktionen des Bundespräsidenten entbehren im Vergleich dazu jeglicher legislativer Natur. 559 Ebenso und in ausführlicher Exegese: Schlaich, Die Funktionen des Bundespräsidenten im Verfassungsgefüge, in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. II, Rn 24 ff. 560 Die Beurkundungswirkung ist widerlegbar und hat nur die Vermutung der Richtigkeit für sich. – Vgl. Hallier, AöR 85 (1960), S. 399. 189
- Seite 153 und 154: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 155 und 156: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 157 und 158: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 159 und 160: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 161 und 162: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 163 und 164: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 165 und 166: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 167 und 168: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 169 und 170: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 171 und 172: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 173 und 174: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 175 und 176: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 177 und 178: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 179 und 180: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 181 und 182: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 183 und 184: IV. Zusammenfassende Wertung der Ve
- Seite 185 und 186: IV. Zusammenfassende Wertung der Ve
- Seite 187 und 188: C. Definitorische Vetogrundsätze u
- Seite 189 und 190: I. Vetodefinitionen ausgeformt. Ein
- Seite 191 und 192: I. Vetodefinitionen müssten ihm ir
- Seite 193 und 194: I. Vetodefinitionen 6. Definitionsf
- Seite 195 und 196: II. Vetoarten beleuchten. Im Sinne
- Seite 197 und 198: II. Vetoarten 3. Devolutive Vetorec
- Seite 199 und 200: D. Vetos im aktuellen deutschen Ver
- Seite 201 und 202: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 203: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 207 und 208: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 209 und 210: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 211 und 212: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 213 und 214: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 215 und 216: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 217 und 218: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 219 und 220: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 221 und 222: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 223 und 224: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 225 und 226: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 227 und 228: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 229 und 230: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 231 und 232: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 233 und 234: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 235 und 236: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 237 und 238: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 239 und 240: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 241 und 242: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 243 und 244: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 245 und 246: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 247 und 248: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 249 und 250: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 251 und 252: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
- Seite 253 und 254: I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz
I. Vetoansatzpunkte <strong>im</strong> Grundgesetz<br />
Es handelt sich auch bei dem hier fraglichen Vorgang, basierend auf Art. 82 Abs.<br />
1 S. 1 GG, lediglich um den formalen Akt der Ausfertigung von Gesetzen, die ein<br />
anderes Organ beschlossen hat. Für das Grundgesetz erfolgt diese Beschlussfassung<br />
durch den Bundestag als dafür vorgesehenes demokratisches Legislativorgan.<br />
Eine wie auch <strong>im</strong>mer geartete Teilnahme am Gesetzgebungsprozess ist für den<br />
Bundespräsidenten genauso wenig vorgesehen, wie sie es für den Kaiser oder<br />
Reichspräsidenten war.<br />
Der Bundespräsident selbst ist zwar nur schwerlich einer der Gewalten des<br />
Grundgesetzes, <strong>im</strong> Sinne des dreigliedrigen Unterteilungsschemas in Legislative,<br />
<strong>Exekutive</strong> und Judikative, zuzuordnen. 556 Wenn man jedoch mit der vorherrschenden<br />
Auffassung <strong>im</strong> Schrifttum 557 die Kompetenzen des Bundespräsidenten<br />
würdigt, kann für die Mehrzahl seiner Aufgaben angenommen werden, dass sie<br />
weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung zuweisbar sind, sondern vielmehr<br />
exekutiven Charakter aufweisen. In Sinne einer derartigen negativen Definition<br />
kann daher dem Grundsatz nach von einer Zuordnung der präsidialen Kompetenzen<br />
an die <strong>Exekutive</strong> ausgegangen werden. Die Unterschiede zur Konstitution<br />
des Reichspräsidenten der WRV sind zwar offenkundig. Dennoch kann in dem<br />
für die <strong>Vetorechte</strong> interessierenden Bereich der Abgrenzung zur Legislative vom<br />
Prinzip her eine exekutivische Natur des Bundespräsidentenamtes und seiner<br />
Funktionen angenommen werden. Dies gilt daher auch für den Kompetenzbereich<br />
der Ausfertigung und Verkündung i.S.v. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG. 558<br />
Aus abstrakter Betrachtung liegt in der Ausfertigung und Verkündung eine Art<br />
staatsnotarielle Beurkundung 559 des vom Parlament beschlossenen Gesetzes, welches<br />
aber gleichsam für seine Wirksamkeit und Vollziehung jene Notifizierung<br />
existenziell benötigt. Vom Vetogesichtspunkt aus kommt ein Weiteres hinzu:<br />
Ohne den präsidialen Ausfertigungs- und Verkündungsakt wird die ansonsten mit<br />
jenem Vorgang einhergehende widerlegbare 560 Vermutungsfiktion 561 bezüglich der<br />
556 So auch Stern, in: Staatsrecht Bd. II, S. 211: „…An der Zugehörigkeit des Reichspräsidenten als eines politisch gestaltenden<br />
Präsidenten zur vollziehenden Gewalt bestand kein Zweifel; sie ergab sich bereits aus der Überschrift des Dritten Abschnitts der<br />
Ersten Hauptteils der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung. Nach seinen Kompetenzen gegenüber dem Parlament und Regierung sowie seinen<br />
exekutivischen Organisationsbefugnissen war die Domizilierung bei der zweiten Gewalt offenkundig. […] Demgegenüber bereitet die<br />
Zuordnung des nicht-regierenden Bundespräsidenten zu den verschiedenen Gewalten Schwierigkeiten. […] Weder regiert der Bundespräsident,<br />
noch verwaltet er. Er ist Staatsoberhaupt, das zwar nicht über den Gewalten steht, aber auch nicht in den Gewalten.<br />
Insofern kann er weder funktional noch organisatorisch in das Dreiteilungsschema eingeordnet werden, ohne seine verfassungsrechtliche<br />
Stellung zu verzeichnen. Er ist ein Organ sui generis…“.<br />
557 Vgl. K<strong>im</strong>minich, Das Staatsoberhaupt in der parlamentarischen Demokratie. Verwaltung durch Subventionen,<br />
in: VVDStRL 25 (1967), S. 71.<br />
558 A.A. Stern, Staatsrecht Bd. II, S. 213/214, der gerade für die Ausfertigung und Verkündung gemäß Art. 82<br />
Abs. 1 S. 1 GG eine Nähe der präsidialen Kompetenz zur Rechtssetzung erkennen will.<br />
Dem ist jedoch entschieden zu widersprechen, da in diesem Stadium das Gesetz durch den Bundestag schon<br />
beschlossen wurde, was Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG eindeutig zum Ausdruck bringt. Die sich anschließenden Funktionen<br />
des Bundespräsidenten entbehren <strong>im</strong> Vergleich dazu jeglicher legislativer Natur.<br />
559 Ebenso und in ausführlicher Exegese: Schlaich, Die Funktionen des Bundespräsidenten <strong>im</strong> Verfassungsgefüge,<br />
in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. II, Rn 24 ff.<br />
560 Die Beurkundungswirkung ist widerlegbar und hat nur die Vermutung der Richtigkeit für sich. – Vgl. Hallier,<br />
AöR 85 (1960), S. 399.<br />
189