Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
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186 D. Vetos im aktuellen deutschen Verfassungssystem seiner allgemeinen Stellung und die Möglichkeiten der Absetzung. 543 Hingegen die jeweiligen Kompetenzzuweisungen befinden sich verstreut im übrigen Grundgesetz. 544 Insbesondere fallen hierbei zunächst die Funktionen bei der Bestellung und Abberufung der Regierung 545 ins Auge. Es sind die Fragen der Designation und Investitur des Regierungschefs, die dem Weimarer Reichspräsidenten eine starke Stellung im Verfassungsgefüge bescherten und ihn oft in die Vorhand zum Reichstag brachten. Die entsprechenden Rechte des Bundespräsidenten sind in Art. 63 GG niedergelegt und lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass das Designationsrecht des Bundespräsidenten durch die Investiturpflicht fest unter die Kontrolle des Bundestags gebracht wurde und der Präsident de facto nicht mehr in der Position ist, die Initiative zur Regierungsbildung zu ergreifen, sondern die zukünftigen Koalitionsparteien treten nach der Wahl in Verhandlungen, während der Bundespräsident das Ergebnis abwartet. 546 Neben diesen fundamentalen Veränderungen der bundespräsidialen Stellung bei der Regierungsbildung 547 im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung stellt sich überdies die Frage seiner Positionierung zum Gesetzgebungsorgan Bundestag und nach seinem grundsätzlichen Status im Gesetzgebungsverfahren. Im Grundsatz lässt sich seine Stellung im Normsetzungsverfahren negativ dahingehend beschreiben, dass eines durch das Grundgesetz eindeutig festgelegt wurde: Der 543 Darüber hinaus bestimmt der V. Abschnitt des Grundgesetzes als Verantwortungsbereich des Bundespräsidenten die völkerrechtliche Vertretung des Bundes (Art. 59 GG), das Recht der Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten (Art. 60 Abs. 1 GG) und das Begnadigungsrecht (Art. 60 Abs. 2 GG). 544 Das Amt des Bundespräsidenten als Verfassungsorgan fasst Killian in JuS 1988, L S. 33 ff zusammen: „…Einen ersten Zugang zur Stellung des Bundespräsidenten bietet der Vergleich mit dem Reichspräsidentenamt der Reichsverfassung von 1919. Unter dem Eindruck der geschichtlichen Katastrophe des Deutschen Reichs konzipierten die Mitglieder der Gremien, die das Grundgesetz ausarbeiteten, den Bundespräsidenten in erster Linie als Gegenmodell zum Weimarer Reichspräsidenten. […] Die Zurückhaltung des Grundgesetzes öffnete den jeweiligen Amtsinhabern jedoch die Chance, eine ihrer Persönlichkeit entsprechende Amtsführung zu gestalten. Kaum ein anderes hohes Staatsamt der Bundesrepublik kann durch den Charakter und das Geschick seines Inhabers so geprägt werden wie das Amt des Bundespräsidenten. […] Das Grundgesetz lässt die Frage der grundsätzlichen Stellung des Bundespräsidenten unter den einzelnen Staatsgewalten offen und beschränkt sich auf wenige, eher formell-funktionelle Einzelzuständigkeiten… […] Dieses ‚Vakuum‛ der Verfassung führte zwangsläufig zu einer Vielzahl von Versuchen, dem Präsidenten eine oder mehrere bestimmte Rollen im Staatsganzen zuzuweisen. […] Verfassungsrechtlich ist der Bundespräsident ein oberstes Verfassungsorgan des Bundes… […] Protokollarisch nimmt der Bundespräsident den ersten Rang im Staat vor dem Bundesrats- und dem Bundestagspräsidenten ein. …“ . 545 Neben den Begriffen ‚Gesetz‛ und ‚Gesetzgebung‛ bedingt die exekutive Zuordnung der Vetorechte zudem die Verwendung des Begriffs der ‚Regierung‛. Auch in diesem Punkt soll auf die Darstellung und Exegese von in der rechtswissenschaftlichen Literatur zuhauf auffindbaren Darstellungen zum definitorischen Feld der ‚Regierung‛ verzichtet werden, da diese Ausführungen für die Vetountersuchungen keinen befruchtenden Ansatz bieten würden. Vielmehr sei verwiesen auf die umfassende Darstellung von: Schuppert, Regierung und Verwaltung (§31), in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1499 ff. 546 Vgl. v. Beyme, Die Parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, S. 361. 547 Eine systematische Darstellung und Würdigung des Umfangs und Ausmaßes von Einfluss auf Bildung und Bestand der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten bietet schon frühzeitig nach der Entstehung des Grundgesetzes Nawiasky, der derartige Erwägungen schon für die Reichsverfassung der Weimarer Republik vorgenommen hatte und daher über den direkten Blick für die Veränderungen verfügte. – Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (§17 Der Bundespräsident), S. 105 ff.
I. Vetoansatzpunkte im Grundgesetz Bundespräsident ist nicht der Gesetzgeber. 548 Anders als die Stellung des Staatsoberhauptes im absoluten oder konstitutionellen Staat ist die Gesetzgebung im parlamentarisch republikanischen System der Bundesrepublik Deutschland aus demokratischen Gesichtspunkten einzig und allein dem Deutschen Bundestag zugewiesen. Es sei an dieser Stelle an die Formulierung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG erinnert, welche in ihrer Eindeutigkeit nicht zu überbieten ist, wenn dort geschrieben steht: „Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen.“. Dementsprechend soll im Rahmen der bundespräsidialen Vetobetrachtungen auch nicht die Rolle des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren in die Betrachtungen eingeführt werden. Zweifelsohne kommt dem Bundesrat über Art. 78 GG eine wesentliche Funktion beim Zustandekommen des Gesetzes zu. Dennoch verbleibt das originäre Beschlussrecht beim Deutschen Bundestag. Hans Hugo Klein hat diesen Umstand ganz hervorragend zusammengefasst: „…Im demokratischen Verfassungsstaat besitzt das Parlament zwar kein ‚Rechtsetzungsmonopol‛, aber die ‚Rechtsetzungsprärogative‛. Der Bundestag beschließt, im Rahmen seiner Zuständigkeiten und unter Beachtung der Mitwirkungsbefugnisse der übrigen am Verfahren der Gesetzgebung beteiligten Organe (Bundesregierung, Bundesrat und Bundespräsident), die Gesetze…“ 549 . Diese Erwägungen zugrunde legend wird im Folgenden die Beteiligungskomponente des Bundesrates am Zustandekommen des Gesetzes zunächst ausgeblendet, da diese für die Fragestellung der Vetoeinordnung bundespräsidialer Rechte keine Relevanz aufweist. Folglich wird auch nur die Beschlusskomponente des Deutschen Bundestages als Reflektionsfläche vermeintlicher Vetos des Bundespräsidenten herangezogen. Dem Bundespräsidenten werden innerhalb der Gesetzgebung lediglich in einem einzigen Aspekt Partizipationsrechte eingeräumt. Es handelt sich dabei um die Zuweisung der Kompetenz zur Ausfertigung und Verkündung der Gesetze in Art. 82. Abs. 1 S. 1 GG 550 . Diese Befugnis ließ sich, wie in dieser Arbeit aufgezeigt, schon in der kaiserlichen Reichsverfassung von 1871 in deren Art. 17 finden, allerdings wies auch die Weimarer Reichsverfassung mit Art. 70 eine fast wortgleiche Norm auf. Es ist deshalb verständlich, dass Art 82 Abs. 1 S. 1 GG in unmittelbarer Traditionslinie zu diesen Normen stehend gesehen wird. 551 Unter 548 Diese, letztlich heute unumstrittene, Auffassung wird in gleicher Eindeutigkeit auch angenommen bei: Mewing, Die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Gesetzesausfertigung, insbesondere beim teilnichtigen Gesetz, S. 15. 549 H. H. Klein, Aufgaben des Bundestages (§40), in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. II, Rn 15. 550 Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG – „Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.“ 551 Vgl. JöR, 1 (1951), S. 613 zu Art. 82 GG; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz Bd. 3, Art. 82, Rn 2; Bryde, in: v. Münch Grundgesetz Kommentar, Art. 82, S. 279; Maurer, in: Bonner Kommentar, Art. 82, Rn 18; Lücke, in: Sachs, GG, Art. 82, S.1686/1687; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz – Kommen- 187
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D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />
seiner allgemeinen Stellung und die Möglichkeiten der Absetzung. 543 Hingegen die<br />
jeweiligen Kompetenzzuweisungen befinden sich verstreut <strong>im</strong> übrigen Grundgesetz.<br />
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Insbesondere fallen hierbei zunächst die Funktionen bei der Bestellung und<br />
Abberufung der Regierung 545 ins Auge. Es sind die Fragen der Designation und<br />
Investitur des Regierungschefs, die dem We<strong>im</strong>arer Reichspräsidenten eine starke<br />
Stellung <strong>im</strong> Verfassungsgefüge bescherten und ihn oft in die Vorhand zum<br />
Reichstag brachten. Die entsprechenden Rechte des Bundespräsidenten sind in<br />
Art. 63 GG niedergelegt und lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass das<br />
Designationsrecht des Bundespräsidenten durch die Investiturpflicht fest unter die<br />
Kontrolle des Bundestags gebracht wurde und der Präsident de facto nicht mehr<br />
in der Position ist, die Initiative zur Regierungsbildung zu ergreifen, sondern die<br />
zukünftigen Koalitionsparteien treten nach der Wahl in Verhandlungen, während<br />
der Bundespräsident das Ergebnis abwartet. 546<br />
Neben diesen fundamentalen Veränderungen der bundespräsidialen Stellung<br />
bei der Regierungsbildung 547 <strong>im</strong> Vergleich zur We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung stellt<br />
sich überdies die Frage seiner Positionierung zum Gesetzgebungsorgan Bundestag<br />
und nach seinem grundsätzlichen Status <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren. Im Grundsatz<br />
lässt sich seine Stellung <strong>im</strong> Normsetzungsverfahren negativ dahingehend<br />
beschreiben, dass eines durch das Grundgesetz eindeutig festgelegt wurde: Der<br />
543 Darüber hinaus best<strong>im</strong>mt der V. Abschnitt des Grundgesetzes als Verantwortungsbereich des Bundespräsidenten<br />
die völkerrechtliche Vertretung des Bundes (Art. 59 GG), das Recht der Ernennung und Entlassung der<br />
Bundesbeamten (Art. 60 Abs. 1 GG) und das Begnadigungsrecht (Art. 60 Abs. 2 GG).<br />
544 Das Amt des Bundespräsidenten als Verfassungsorgan fasst Killian in JuS 1988, L S. 33 ff zusammen:<br />
„…Einen ersten Zugang zur Stellung des Bundespräsidenten bietet der Vergleich mit dem Reichspräsidentenamt der Reichsverfassung<br />
von 1919. Unter dem Eindruck der geschichtlichen Katastrophe des Deutschen Reichs konzipierten die Mitglieder der Gremien,<br />
die das Grundgesetz ausarbeiteten, den Bundespräsidenten in erster Linie als Gegenmodell zum We<strong>im</strong>arer Reichspräsidenten. […]<br />
Die Zurückhaltung des Grundgesetzes öffnete den jeweiligen Amtsinhabern jedoch die Chance, eine ihrer Persönlichkeit entsprechende<br />
Amtsführung zu gestalten. Kaum ein anderes hohes Staatsamt der Bundesrepublik kann durch den Charakter und das Geschick<br />
seines Inhabers so geprägt werden wie das Amt des Bundespräsidenten. […] Das Grundgesetz lässt die Frage der grundsätzlichen<br />
Stellung des Bundespräsidenten unter den einzelnen Staatsgewalten offen und beschränkt sich auf wenige, eher formell-funktionelle<br />
Einzelzuständigkeiten… […] Dieses ‚Vakuum‛ der Verfassung führte zwangsläufig zu einer Vielzahl von Versuchen, dem<br />
Präsidenten eine oder mehrere best<strong>im</strong>mte Rollen <strong>im</strong> Staatsganzen zuzuweisen. […] Verfassungsrechtlich ist der Bundespräsident ein<br />
oberstes Verfassungsorgan des Bundes… […] Protokollarisch n<strong>im</strong>mt der Bundespräsident den ersten Rang <strong>im</strong> Staat vor dem<br />
Bundesrats- und dem Bundestagspräsidenten ein. …“ .<br />
545 Neben den Begriffen ‚Gesetz‛ und ‚Gesetzgebung‛ bedingt die exekutive Zuordnung der <strong>Vetorechte</strong> zudem<br />
die Verwendung des Begriffs der ‚Regierung‛. Auch in diesem Punkt soll auf die Darstellung und Exegese von in<br />
der rechtswissenschaftlichen Literatur zuhauf auffindbaren Darstellungen zum definitorischen Feld der ‚Regierung‛<br />
verzichtet werden, da diese Ausführungen für die Vetountersuchungen keinen befruchtenden Ansatz bieten<br />
würden. Vielmehr sei verwiesen auf die umfassende Darstellung von: Schuppert, Regierung und Verwaltung<br />
(§31), in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1499 ff.<br />
546 Vgl. v. Beyme, Die Parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, S. 361.<br />
547 Eine systematische Darstellung und Würdigung des Umfangs und Ausmaßes von Einfluss auf Bildung und<br />
Bestand der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten bietet schon frühzeitig nach der Entstehung des<br />
Grundgesetzes Nawiasky, der derartige Erwägungen schon für die Reichsverfassung der We<strong>im</strong>arer Republik<br />
vorgenommen hatte und daher über den direkten Blick für die Veränderungen verfügte. – Nawiasky, Die Grundgedanken<br />
des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (§17 Der Bundespräsident), S. 105 ff.