Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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182 C. Definitorische Vetogrundsätze und deren Ausprägungen bei suspensiver oder devolutiver Ausformung das Potential in absoluter Form den Gesetzesbeschluss zu vernichten. Daher kann man die Vetos mit suspensiver und devolutiver Natur durchaus als Unterarten des absoluten Vetos bezeichnen. Diese Sichtweise mag neu sein und mit dem Wortlaut des jeweiligen Rechts auf den ersten Blick nur schwerlich zu vereinbaren. Bei genauerer verfassungspolitischer Bewertung offenbart sich jedoch der drohende absolute Charakter, der nur hinter der Fassade tendenzieller Überwindbarkeit zurücktritt.

D. Vetos im aktuellen deutschen Verfassungssystem Die bisherigen Erörterungen und Analysen haben als Ergebnis offenbart, dass Vetorechte weit mehr sind als nur die Einspruchsrechte der fünf ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Eine lange Historie bis in die Römische Verfassungswelt ließ sich eruieren. Trotz häufigen Verschollenseins wurden ihre Einsatzmöglichkeiten immer dann besonders wertgeschätzt, wenn es galt einer sich in der Defensive wähnenden oder befindlichen Instanz Einspruchsmöglichkeiten gegen die Beschlüsse einer originär mit dem Aufgabenfeld der Gesetzgebung 539 betrauten Institution zu bewahren oder zu eröffnen. Anhand der im historischen Kontext eruierten Parameter des Vetowesens soll nun im Folgenden eine Analyse des Verfassungsrechts unserer Tage Auskunft darüber geben, inwieweit die Vetorechte auch heute noch lebendige Bestandteile der Verfassungswirklichkeit sind. Zum einen wird es darum gehen, deskriptiv vermeintliche Vetofundstellen aufzuzeigen, um dann in einem zweiten Schritt diese möglichen Vetoansatzpunkte, welche das Grundgesetz und die unter seinem Regime stehenden Länderverfassungen aufweisen, auf ihre tatsächliche Vetoqualität hin zu untersuchen. 539 Obwohl die Begriffe ‚Gesetz‛ und ‚Gesetzgebung‛ als das zentrale Einsatzfeld der Vetorechte anzusehen sind, wurde in den bisherigen maßgeblich historischen Betrachtungen der Vetorechte bewusst auf eine nähere Definition und Eingrenzung verzichtet. Diese Vorgehensweise findet seine Begründung darin, dass eine allumfängliche Befassung mit dem „weiten Feld“ des Gesetzesbegriffes und der diesbezüglichen Kreationsverfahren für eine eingegrenzte Begutachtung der Vetofragestellung wesentlich zu weit führend wäre und zudem für diesen Forschungsbereich auch keine befruchtenden Ansätze böte. Folglich wurde und wird auf eine fundierte Exegese verzichtet. Es sei daher für nähere rechtshistorische und definitorische Betrachtungen der Begriffe ‚Gesetz‛ und ‚Gesetzgebung‛ verwiesen auf die umfassenden Analysen und Darstellungen bei: Chr. Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, Baden-Baden 1970; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, Berlin 1988; E. Bülow, Gesetzgebung (§30), in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1459 ff. Über den rechtwissenschaftlichen Horizont hinaus eröffnet sich für den Gesetzesbegriff zudem eine raumgreifende (rechts)-soziologische Betrachtungswelt, welche mit den Darstellungen von H. Quaritsch, in: Das parlamentslose Parlamentsgesetz, S. 30 angerissen sein sollen: „…Im modernen Staat ist das Gesetz nicht mehr Kodifikation existenter, geübter, bislang ungeschriebener Verhaltensregeln, nicht Aufzeichnung von Weistümern, sondern rational steuernder Daseins-Regulator, intendiert von den politischen Vorstellungen der aktiven und herrschenden Gruppen, die anhand ihrer eigenen Sozialmodelle Gut und Böse, Richtig und Falsch der möglichen Entscheidung befinden wollen, sei es über die Regierungsvorlage, sei es über die parlamentarische Eigeninitiative. Neben diese soziologische Komponente des Gesetzes und durch sie ausgelöst tritt die rechtsstaatliche Verfassungsforderung nach dem Gesetz als Grundlage und Schranke staatlicher Einwirkungen auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Die Gesetzgebung wird zur primären Funktion der Staatsgewalt, der Staat wird ‚Gesetzgebungsstaat‛. …“.

D. Vetos <strong>im</strong> aktuellen <strong>deutschen</strong> <strong>Verfassungssystem</strong><br />

Die bisherigen Erörterungen und Analysen haben als Ergebnis offenbart, dass<br />

<strong>Vetorechte</strong> weit mehr sind als nur die Einspruchsrechte der fünf ständigen Mitglieder<br />

<strong>im</strong> Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Eine lange Historie bis in<br />

die Römische Verfassungswelt ließ sich eruieren. Trotz häufigen Verschollenseins<br />

wurden ihre Einsatzmöglichkeiten <strong>im</strong>mer dann besonders wertgeschätzt, wenn es<br />

galt einer sich in der Defensive wähnenden oder befindlichen Instanz Einspruchsmöglichkeiten<br />

gegen die Beschlüsse einer originär mit dem Aufgabenfeld<br />

der Gesetzgebung 539 betrauten Institution zu bewahren oder zu eröffnen.<br />

Anhand der <strong>im</strong> historischen Kontext eruierten Parameter des Vetowesens soll<br />

nun <strong>im</strong> Folgenden eine Analyse des Verfassungsrechts unserer Tage Auskunft<br />

darüber geben, inwieweit die <strong>Vetorechte</strong> auch heute noch lebendige Bestandteile<br />

der Verfassungswirklichkeit sind. Zum einen wird es darum gehen, deskriptiv<br />

vermeintliche Vetofundstellen aufzuzeigen, um dann in einem zweiten Schritt<br />

diese möglichen Vetoansatzpunkte, welche das Grundgesetz und die unter seinem<br />

Reg<strong>im</strong>e stehenden Länderverfassungen aufweisen, auf ihre tatsächliche Vetoqualität<br />

hin zu untersuchen.<br />

539 Obwohl die Begriffe ‚Gesetz‛ und ‚Gesetzgebung‛ als das zentrale Einsatzfeld der <strong>Vetorechte</strong> anzusehen sind,<br />

wurde in den bisherigen maßgeblich historischen Betrachtungen der <strong>Vetorechte</strong> bewusst auf eine nähere Definition<br />

und Eingrenzung verzichtet. Diese Vorgehensweise findet seine Begründung darin, dass eine allumfängliche<br />

Befassung mit dem „weiten Feld“ des Gesetzesbegriffes und der diesbezüglichen Kreationsverfahren für eine<br />

eingegrenzte Begutachtung der Vetofragestellung wesentlich zu weit führend wäre und zudem für diesen Forschungsbereich<br />

auch keine befruchtenden Ansätze böte. Folglich wurde und wird auf eine fundierte Exegese<br />

verzichtet. Es sei daher für nähere rechtshistorische und definitorische Betrachtungen der Begriffe ‚Gesetz‛ und<br />

‚Gesetzgebung‛ verwiesen auf die umfassenden Analysen und Darstellungen bei: Chr. Starck, Der Gesetzesbegriff<br />

des Grundgesetzes, Baden-Baden 1970; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung,<br />

Berlin 1988; E. Bülow, Gesetzgebung (§30), in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1459 ff.<br />

Über den rechtwissenschaftlichen Horizont hinaus eröffnet sich für den Gesetzesbegriff zudem eine raumgreifende<br />

(rechts)-soziologische Betrachtungswelt, welche mit den Darstellungen von H. Quaritsch, in: Das parlamentslose<br />

Parlamentsgesetz, S. 30 angerissen sein sollen: „…Im modernen Staat ist das Gesetz nicht mehr Kodifikation<br />

existenter, geübter, bislang ungeschriebener Verhaltensregeln, nicht Aufzeichnung von Weistümern, sondern rational steuernder<br />

Daseins-Regulator, intendiert von den politischen Vorstellungen der aktiven und herrschenden Gruppen, die anhand ihrer eigenen<br />

Sozialmodelle Gut und Böse, Richtig und Falsch der möglichen Entscheidung befinden wollen, sei es über die Regierungsvorlage, sei es<br />

über die parlamentarische Eigeninitiative. Neben diese soziologische Komponente des Gesetzes und durch sie ausgelöst tritt die<br />

rechtsstaatliche Verfassungsforderung nach dem Gesetz als Grundlage und Schranke staatlicher Einwirkungen auf das Verhältnis<br />

zwischen Bürger und Staat. Die Gesetzgebung wird zur pr<strong>im</strong>ären Funktion der Staatsgewalt, der Staat wird ‚Gesetzgebungsstaat‛.<br />

…“.

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