Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
180 2. Suspensive Vetorechte C. Definitorische Vetogrundsätze und deren Ausprägungen Die bisherigen systematischen und strukturellen Einordnungen konnten zwar in den Verfassungssystemen der Neuzeit nur ansatzweise Vetoausprägungen in absoluter Ausformung nachweisen, dennoch zeigte sich, insbesondere für die Zeit des Konstitutionalismus, eine Vetoart, die eine zwar schwächere aber dennoch nicht unbrauchbare Vetoalternative darstellte. Es sind die suspensiven 537 Vetorechte, die insbesondere in den ersten französischen Nachrevolutionsverfassungen, aber auch im deutschen Paulskirchenentwurf Platz griffen. Desgleichen sahen die Verfassungen einiger Weimarer Reichsländer teilweise Einspruchsrechte vor, die als suspensiv bezeichnet werden konnten. Zur näheren Ausgestaltung dieser einzelnen Verfassungsvariationen sei auf entsprechende Ausführungen verwiesen, die diesbezüglich unter B.III.2.b.bb. zu finden sind. In allen diesen Verfassungen war einer exekutiven Instanz, in der Regel dem Monarchen als Staatsoberhaupt oder in den Weimarer Ländern der jeweiligen Staatsregierung, die Möglichkeit eingeräumt, gegen ein Gesetz ihr Veto einzulegen, wodurch dieses in seiner Wirksamkeitsentfaltung zunächst gehemmt wurde. Anders als beim absoluten Veto war mit der Einlegung des suspensiven Einspruchs jedoch nicht das Schicksal des Gesetzes in unüberwindbarer Art und Weise besiegelt, sondern der entsprechende Einsatz erzeugte zunächst nur Verzögerung. Durch das exekutiv eingelegte suspensive Veto scheitert das Gesetz nicht per se, sondern es wird in seiner Wirksamkeit gehemmt. Die zunächst ausgesetzte Gesetzeskraft kann es durch den erneuten Beschluss des Gesetzgebungsorgans zurückerlangen. Der wiederholte Beschluss mittels gleichen oder erhöhten Quorums im Parlament verhilft dem gehemmten Gesetz dazu, in voller Kraft wieder erblühen zu können. Ein dauerhaftes Verfehlen des Wiederholungsquorums kann die Natur des Vetos in die eines Absoluten verwandeln. Insbesondere letzter Aspekt stellt den speziell unter politischen Gesichtspunkten neuralgischen Punkt der suspensiven Vetos dar. Obwohl die jeweilige Verfassung der Exekutive eigentlich nur die Möglichkeit der Gesetzesverzögerung an die Hand gibt, kann dennoch der Erfolg absoluter Destruktion eintreten. Für die Betrachtungen der Zukunft der Vetorechte erscheint dies als ein erhaltenswerter Gedanke, den es an entsprechender Stelle im Kapitel F.I. wieder aufzugreifen gilt. 537 Zur näheren wortexegetische Einordnung von „suspensiv“ sei verwiesen auf: Klotz, Handwörterbuch der Lateinischen Sprache II. Band, S. 1523: von »suspendo/suspendere/suspensum« „einhalten, hemmen, aufhalten, unterbrechen, zum Stehen bringen“; ebenso, Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, S. 2978; Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 477 – „aufschiebend“. Für den „Suspensiveffekt“ „Hinausschieben der formellen Rechtskraft“; Bei Livius findet sich folgende Quelltextstelle zur Wirkweise von „suspensiv“: „…Movit aliquantum oratio regis legatos. Itaque medio responso rem suspenderunt: … – Die Rede des Königs beeindruckte die Gesandten sehr. Deshalb ließen sie die Sache in der Schwebe und gaben eine hinhaltende Antwort. …“.
II. Vetoarten 3. Devolutive Vetorechte Aus den historischen Herleitungen konnte eine weitere Vetoart herauskristallisiert werden, die zwar die Einlegung des Vetos systemkonform der Exekutive zuweist, anders als beim absoluten Veto ihr jedoch nicht die Letztentscheidung über das Gesetzesschicksal überlässt. Dabei haben diese Vetos jedoch auch nicht nur hemmende Wirkung, was sie wiederum von suspensiven Vetorechten unterscheidet. Es handelt sich um die sog. devolutiven 538 Vetorechte. Deren Wirkung ist vielschichtiger und nicht allein zwischen den Vetoparteien Exekutive und Legislative auflösbar. Während beim suspensiven Veto die Legislative erneut beraten kann und ihren vormaligen Gesetzesbeschluss bestätigen, wird sie bei der Einlegung eines devolutiven Vetos von der Bestimmung des weiteren Gesetzesschicksals ausgeschlossen. Es findet keinerlei Kontakt des Gesetzes mit seinem Beschlussorgan statt, sondern mit Einlegung des devolutiven Einspruchs obliegt die Entscheidung über die Gesetzeswirksamkeit einer anderen Instanz. Bei der aufgefundenen Ausgestaltung eines devolutiven Vetos in der Weimarer Republik (Art. 73 Abs. 1 WRV) war nach dem Einspruch des Reichspräsidenten das Volk diejenige Entscheidungsinstanz, die über das weitere Gesetzesschicksal entschied. Als wesentliches Merkmal der devolutiven Vetorechte kann die zunächst eintretende Hemmung des Wirksamwerdens des beschlossenen Gesetzes benannt werden. Inwieweit die vorübergehende Hinderung in eine dauerhafte Destruktion des Gesetzes übergeht, obliegt allein der Entscheidung einer von dem konkreten Recht benannten Instanz, welche jedoch von der Legislative und der Exekutive verschieden ist,. Somit enthält also ebenso wie das suspensive Vetorecht, auch das devolutive die mittelbare Drohkulisse in einen absoluten Einspruch umzuschlagen. 4. Gesamtschau der Vetoarten In der Gesamtschau kann beim Vergleich der drei Vetoarten festgestellt werden: Auch wenn sich alle in ihrer konkreten Ausformung voneinander unterscheiden und grundsätzlich verschiedenartige Handhabungsvariationen aufweisen, so ist ihnen allen doch eines gemeinsam – Der Einspruch der Exekutive beinhaltet auch 538 Zur näheren wortexegetische Einordnung von „devolutiv“ sei verwiesen auf: Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 113 „(Abwälzung, Eintritt) ist der Übergang eines Rechts von einer Person auf eine andere durch Abwälzung bzw. Eintritt“; Zum Devolutiveffekt – Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 312: „Devolutiveffekt ist die einem Rechtsmittel eigene Wirkung, dass ein Rechtsstreit oder sonstiges gesetzlich geordnetes Verfahren in der höheren Instanz anhängig wird.“; Ursprung: „devotus – sich hingeben“ Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 175. 181
- Seite 145 und 146: III. Analyse der Weimarer Reichsver
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- Seite 149 und 150: III. Analyse der Weimarer Reichsver
- Seite 151 und 152: III. Analyse der Weimarer Reichsver
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- Seite 183 und 184: IV. Zusammenfassende Wertung der Ve
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2. Suspensive <strong>Vetorechte</strong><br />
C. Definitorische Vetogrundsätze und deren Ausprägungen<br />
Die bisherigen systematischen und strukturellen Einordnungen konnten zwar in<br />
den <strong>Verfassungssystem</strong>en der Neuzeit nur ansatzweise Vetoausprägungen in absoluter<br />
Ausformung nachweisen, dennoch zeigte sich, insbesondere für die Zeit des<br />
Konstitutionalismus, eine Vetoart, die eine zwar schwächere aber dennoch nicht<br />
unbrauchbare Vetoalternative darstellte. Es sind die suspensiven 537 <strong>Vetorechte</strong>, die<br />
insbesondere in den ersten französischen Nachrevolutionsverfassungen, aber auch<br />
<strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Paulskirchenentwurf Platz griffen. Desgleichen sahen die Verfassungen<br />
einiger We<strong>im</strong>arer Reichsländer teilweise Einspruchsrechte vor, die als<br />
suspensiv bezeichnet werden konnten. Zur näheren Ausgestaltung dieser einzelnen<br />
Verfassungsvariationen sei auf entsprechende Ausführungen verwiesen, die<br />
diesbezüglich unter B.III.2.b.bb. zu finden sind.<br />
In allen diesen Verfassungen war einer exekutiven Instanz, in der Regel dem<br />
Monarchen als Staatsoberhaupt oder in den We<strong>im</strong>arer Ländern der jeweiligen<br />
Staatsregierung, die Möglichkeit eingeräumt, gegen ein Gesetz ihr Veto einzulegen,<br />
wodurch dieses in seiner Wirksamkeitsentfaltung zunächst gehemmt wurde. Anders<br />
als be<strong>im</strong> absoluten Veto war mit der Einlegung des suspensiven Einspruchs<br />
jedoch nicht das Schicksal des Gesetzes in unüberwindbarer Art und Weise besiegelt,<br />
sondern der entsprechende Einsatz erzeugte zunächst nur Verzögerung.<br />
Durch das exekutiv eingelegte suspensive Veto scheitert das Gesetz nicht<br />
per se, sondern es wird in seiner Wirksamkeit gehemmt. Die zunächst ausgesetzte<br />
Gesetzeskraft kann es durch den erneuten Beschluss des Gesetzgebungsorgans<br />
zurückerlangen. Der wiederholte Beschluss mittels gleichen<br />
oder erhöhten Quorums <strong>im</strong> Parlament verhilft dem gehemmten Gesetz<br />
dazu, in voller Kraft wieder erblühen zu können. Ein dauerhaftes Verfehlen<br />
des Wiederholungsquorums kann die Natur des Vetos in die eines<br />
Absoluten verwandeln.<br />
Insbesondere letzter Aspekt stellt den speziell unter politischen Gesichtspunkten<br />
neuralgischen Punkt der suspensiven Vetos dar. Obwohl die jeweilige Verfassung<br />
der <strong>Exekutive</strong> eigentlich nur die Möglichkeit der Gesetzesverzögerung an die<br />
Hand gibt, kann dennoch der Erfolg absoluter Destruktion eintreten. Für die<br />
Betrachtungen der Zukunft der <strong>Vetorechte</strong> erscheint dies als ein erhaltenswerter<br />
Gedanke, den es an entsprechender Stelle <strong>im</strong> Kapitel F.I. wieder aufzugreifen gilt.<br />
537 Zur näheren wortexegetische Einordnung von „suspensiv“ sei verwiesen auf: Klotz, Handwörterbuch der<br />
Lateinischen Sprache II. Band, S. 1523: von »suspendo/suspendere/suspensum« „einhalten, hemmen, aufhalten,<br />
unterbrechen, zum Stehen bringen“; ebenso, Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, S. 2978;<br />
Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 477 – „aufschiebend“. Für den „Suspensiveffekt“ „Hinausschieben der formellen<br />
Rechtskraft“;<br />
Bei Livius findet sich folgende Quelltextstelle zur Wirkweise von „suspensiv“: „…Movit aliquantum oratio regis legatos.<br />
Itaque medio responso rem suspenderunt: … – Die Rede des Königs beeindruckte die Gesandten sehr. Deshalb ließen sie die Sache<br />
in der Schwebe und gaben eine hinhaltende Antwort. …“.