Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen
178 II. Vetoarten C. Definitorische Vetogrundsätze und deren Ausprägungen Neben etlichen Einspruchs- und Teilnahmerechten, denen die Vetoqualität abgesprochen wurde, konnten die Vetobetrachtungen auch Einspruchsrechte aufzeigen, die in rechtshistorisch legitimer Weise als Vetorechte bezeichnet werden dürfen. Anhand dieser wurden vorstehend allgemeingültige Definitionsmerkmale für die Vetorechte herausgearbeitet. Darüber hinaus konnte bei jenen Vetofunden noch ein weiterer wesentlicher Aspekt offengelegt werden. Es ist die Intensität, Tiefenschärfe und Wirkrichtung, die mit der jeweiligen Vetorechtsausübung einhergeht. Insbesondere wurde bei den Betrachtungen zu den Vetoaspekten auf der Länderebene zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung ersichtlich, dass Vetorechte nicht in stetig gleicher Art und Weise wirken, sondern in ihrer Dimension äußerst verschiedenartig sein können und dabei tendenziell auch nur in kooperativen Verfahren Anwendung finden. Dabei kristallisierten sich drei Vetoarten heraus, die, um ihre Funktionsweise zu belegen, schon in den jeweiligen konkreten Betrachtungen relativ deutlich namentlich benannt wurden. Insbesondere die diesbezüglichen Vorgaben durch die konstitutionelle Staatsrechtslehre machen es aus heutiger Sicht nicht mehr erforderlich neuartige Benennungen vorzunehmen. Es kann an dieser Stelle als vollkommen hinreichend angesehen werden, eine Systematisierung der drei immer wieder vorkommenden Hauptvetospielarten, basierend auf einer kurzen semantischen Exegese, vorzunehmen. 1. Absolute Vetorechte Auch wenn die hier angestellten Forschungen keine vollkommen offensichtlichen absoluten 536 Vetorechte offenbaren konnten, so macht es doch Sinn, auch dieses, insbesondere zur Abgrenzung zu den weiteren Spielarten der Vetos, näher zu 536 Zur näheren wortexegetische Einordnung von „absolut“ sei verwiesen auf: Ritter, Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. I, S. 12 ff: „…Das Wort »absolut« mit seinen zahlreichen Wortverbindungen und dessen Substantivierung gehört zu den großen metaphysischen, theologischen und gnoseologischen Grundbegriffen der Philosophie seit ihren Anfängen. […] »Absolute« bzw. »absolutus« wird im klassischen Latein als Gegenbegriff zu »relative« und »relativus« gebraucht, hierbei ist »absolute« weitgehend synonym mit »perfecte« und »plene«, so bei Cicero und Seneca. Q. Cornificus bestimmt »absolutus« als etwas, das von nichts anderem abhängt: »absoluta est quom id ipsum quod factum est, ut aliud nihil foris adsumatur, recte factum esse dicemus.« …“; Bei Cicero lässt sich in einem frühen literarischen Nachweis die Wirkungsweise des Wortes „absolut“ finden: „…-cum igitur hoc sit extremum, congruenter naturae convenienteque vivere, necessario sequitur omnes sapientes semper feliciter, absolute, fortunate vivere, nulla re impediri, nulla prohiberi nulla egere. – da nun das Äußerste dies ist, in Übereinstimmung und Harmonie mit der Natur zu leben, so folgt daraus notwendig, dass alle Weisen stets glücklich, unabhängig und glückgesegnet leben, durch nichts gestört, durch nichts gehindert werden und an nichts Mangel leiden. …“ – Aus: Cicero, De finibus bonorum et malorum 3. Buch, in: Gigon/Straume-Zimmermann, Über die Ziele des menschlichen Handelns, S. 198; In diesem Sinne meint „absolut“ also: auf vollkommene Art, auf bestimmte in sich abgeschlossene Weise – Vgl. Klotz, Handwörterbuch der Lateinischen Sprache I. Band, S. 39.
II. Vetoarten beleuchten. Im Sinne der hier zugrunde gelegten Vetodefinition gilt es die Wirkung des absoluten Vetos wie folgt zu beschreiben: Durch den Einsatz des absoluten Vetos kann das angegriffene Gesetz nicht in Wirksamkeit erwachsen, mithin wird der Gesetzesbeschluss obsolet. Als Ergebnis erfolgt die vollständige Beseitigung des Anspruchs, in Rechtswirksamkeit erwachsen zu dürfen, den ein demokratisches Gesetz durch dessen parlamentarischen Beschluss erlangt. Gegen diesen exekutiven Einspruch gibt es kein Recht des Widerspruchs oder des Ausgleichs, seine Wirkungen sind unüberwindbar. Unmittelbare Folge des absoluten Vetos ist also, dass die Exekutive in autarker Entscheidung über das Schicksal eines beschlossenen Parlamentsgesetzes bestimmen kann. Die Legislative hat diesen exekutiven Einspruch hinzunehmen, es sind ihr keinerlei Mittel zur Rettung des Gesetzes an die Hand gegeben. Folge des absoluten Einspruchs ist nicht lediglich eine Hemmung, sondern die unüberwindliche Vernichtung des interzedierten Gesetzesbeschlusses. Weder das Parlament selber noch eine andere Instanz können diesen Einspruch heilen. Die obigen rechtshistorischen Einordnungen haben gezeigt, dass hiervon jedoch strikt die positiven Mitwirkungsrechte der Monarchen am Gesetzgebungsprozess zu trennen sind. Eine autonome Teilnahme am Legislativverfahren, basierend auf der Zuweisung der Gesetzgebungsgewalt zur Krone, oktroyiert dem Gesetz zwar in vollständiger Art und Weise den monarchischen Willen auf, ist aber ein Aspekt der Partizipation und nicht der Destruktion. Daher sind die damit einhergehenden absoluten Auswirkungen für die Vetofrage bedeutungslos. Derartige monarchische Beteiligungsrechte stellen keine absoluten Vetos dar. Als ein Veto mit absoluter Einspruchsnatur kann nur ein Recht der Exekutive gelten, welches von dieser autark gegen ein Parlamentsgesetz eingesetzt werden könnte und mit diesem Veto das Gesetz bedingungslos seiner Existenzberechtigung beraubt wäre. Derartige Vetorechte sind in ihrer Wirkung auf eine vollständige und unüberwindliche Vernichtung des Gesetzes ausgerichtet und der exekutive Wille zur Verneinung des parlamentarischen Gesetzes würde sich ohne weitere Vollstreckungsnotwendigkeiten entfalten können. Die entsprechenden Forschungen in der rechtshistorischen Verfassungswelt haben zwar keine unbedingten absoluten Rechte offenbaren können. Dennoch wurde das Recht der autarken Ausfertigungsverweigerung aufgetan, die sowohl dem Kaiser in der Bismarckschen Reichsverfassung zur Verfügung standen, als auch der Weimarer Reichspräsident. Art. 17 RV 1871 und Art. 70 WRV waren zwar verfassungsrechtlich bedingte Vetos. In seiner Bedingtheit dann aber auch absolut, da es keine Instanz gab, die dieses Veto hätte aufheben oder abmildern mildern können. 179
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II. Vetoarten<br />
beleuchten. Im Sinne der hier zugrunde gelegten Vetodefinition gilt es die Wirkung<br />
des absoluten Vetos wie folgt zu beschreiben:<br />
Durch den Einsatz des absoluten Vetos kann das angegriffene Gesetz nicht<br />
in Wirksamkeit erwachsen, mithin wird der Gesetzesbeschluss obsolet. Als<br />
Ergebnis erfolgt die vollständige Beseitigung des Anspruchs, in Rechtswirksamkeit<br />
erwachsen zu dürfen, den ein demokratisches Gesetz durch<br />
dessen parlamentarischen Beschluss erlangt. Gegen diesen exekutiven<br />
Einspruch gibt es kein Recht des Widerspruchs oder des Ausgleichs, seine<br />
Wirkungen sind unüberwindbar.<br />
Unmittelbare Folge des absoluten Vetos ist also, dass die <strong>Exekutive</strong> in autarker<br />
Entscheidung über das Schicksal eines beschlossenen Parlamentsgesetzes best<strong>im</strong>men<br />
kann. Die Legislative hat diesen exekutiven Einspruch hinzunehmen, es sind<br />
ihr keinerlei Mittel zur Rettung des Gesetzes an die Hand gegeben. Folge des absoluten<br />
Einspruchs ist nicht lediglich eine Hemmung, sondern die unüberwindliche<br />
Vernichtung des interzedierten Gesetzesbeschlusses. Weder das Parlament<br />
selber noch eine andere Instanz können diesen Einspruch heilen.<br />
Die obigen rechtshistorischen Einordnungen haben gezeigt, dass hiervon jedoch<br />
strikt die positiven Mitwirkungsrechte der Monarchen am Gesetzgebungsprozess<br />
zu trennen sind. Eine autonome Teilnahme am Legislativverfahren, basierend<br />
auf der Zuweisung der Gesetzgebungsgewalt zur Krone, oktroyiert dem<br />
Gesetz zwar in vollständiger Art und Weise den monarchischen Willen auf, ist<br />
aber ein Aspekt der Partizipation und nicht der Destruktion. Daher sind die damit<br />
einhergehenden absoluten Auswirkungen für die Vetofrage bedeutungslos. Derartige<br />
monarchische Beteiligungsrechte stellen keine absoluten Vetos dar.<br />
Als ein Veto mit absoluter Einspruchsnatur kann nur ein Recht der <strong>Exekutive</strong><br />
gelten, welches von dieser autark gegen ein Parlamentsgesetz eingesetzt werden<br />
könnte und mit diesem Veto das Gesetz bedingungslos seiner Existenzberechtigung<br />
beraubt wäre. Derartige <strong>Vetorechte</strong> sind in ihrer Wirkung auf eine vollständige<br />
und unüberwindliche Vernichtung des Gesetzes ausgerichtet und der exekutive<br />
Wille zur Verneinung des parlamentarischen Gesetzes würde sich ohne weitere<br />
Vollstreckungsnotwendigkeiten entfalten können.<br />
Die entsprechenden Forschungen in der rechtshistorischen Verfassungswelt<br />
haben zwar keine unbedingten absoluten Rechte offenbaren können. Dennoch<br />
wurde das Recht der autarken Ausfertigungsverweigerung aufgetan, die sowohl<br />
dem Kaiser in der Bismarckschen Reichsverfassung zur Verfügung standen, als<br />
auch der We<strong>im</strong>arer Reichspräsident. Art. 17 RV 1871 und Art. 70 WRV waren<br />
zwar verfassungsrechtlich bedingte Vetos. In seiner Bedingtheit dann aber auch<br />
absolut, da es keine Instanz gab, die dieses Veto hätte aufheben oder abmildern<br />
mildern können.<br />
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