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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 161<br />

gleichsam mit einer Destruktion des Gesetzes mittels Volkabst<strong>im</strong>mung und der<br />

parallelen frühzeitigen Demission des Parlaments durch das Volk drohen können.<br />

Dass jene Drohkulisse das Potential hatte, die Länderparlamente zu einer gewissen<br />

Gefügigkeit gegenüber der <strong>Exekutive</strong> zu zwingen, ist wohl anzunehmen. Denn<br />

nicht nur der Verlust des Legislativaktes drohte, sondern damit verbunden auch<br />

noch der Verlust des Mandats. 521 Diese Drohkulisse entfaltete ihre Wirkung natürlich<br />

insbesondere <strong>im</strong> Rahmen der Einspruchszurückweisung durch die Landtage.<br />

Der erhöhte Druck, den die Landesregierung über das mittelbare Auslösungsszenario<br />

auf die Legislative ausüben konnte, erleichterte sicherlich nicht die Mehrheitsfindung<br />

für den Zurückweisungsbeschluss.<br />

Es erweist sich also gerade in Bezug auf die suspensiv und devolutiv ausgestalteten<br />

exekutiven <strong>Vetorechte</strong> der Länderebene als ein Trugschluss, allein die<br />

Grundkonstanten des Parlamentarismus der We<strong>im</strong>arer Republik zu betrachten.<br />

Beschränkt man sich lediglich darauf, so kommt man verständlicherweise zu dem<br />

Ergebnis, dass die Reichsländerverfassungen eine klare Lösung zugunsten des<br />

Prinzips einer parlamentarisch verantwortlichen Regierung fanden. 522 Nur wenn<br />

man den Blick schärft für die kontrastierenden Komplementärnormen, kann man<br />

die tatsächliche Natur des We<strong>im</strong>arer <strong>Verfassungssystem</strong>s auf Länderebene richtig<br />

einschätzen. Zu einem solchen Gesamtüberblick gehört es, auch die <strong>Vetorechte</strong>,<br />

flankiert von den Auflösungsdrohkulissen, zu reflektieren und zu werten. Diese<br />

Vetoeinsprüche auf Länderebene waren letztlich systemfremd gegenüber der eigentlichen<br />

Zielkonzeption einer klassischen parlamentarischen Regierung. Für das<br />

Verfehlen dieses Ziels könnte man auf der Reichsebene die Schuld noch bei der<br />

Position des unmittelbar volkslegit<strong>im</strong>ierten Reichspräsidenten suchen.<br />

Bei Betrachtung der Reichsländerverfassungen wird jedoch deutlich, dass mit<br />

den <strong>Vetorechte</strong>n ein Rechtsinstitut in die Verfassungslandschaft „gepflanzt“ wurde,<br />

welches dem parlamentarischen Ansinnen der We<strong>im</strong>arer Verfassungen nach<br />

als die Hälfte der St<strong>im</strong>mberechtigten dafür gest<strong>im</strong>mt hat.“; Württemberg – § 16 „Abs. 1. Der Landtag kann vor<br />

Ablauf der Landtagsperiode durch Volksabst<strong>im</strong>mung aufgelöst werden.“ „Abs. 2 Die Frage der Auflösung des<br />

Landtags ist dem Volke vorzulegen, wenn das Staatsministeriums es beschließt oder wenn ein Fünftel der bei der<br />

letzten Landtagswahl St<strong>im</strong>mberechtigten das Volksbegehren stellt.“; Anhalt – § 11 „Der Landtag kann vor<br />

Ablauf der Wahlperiode durch Volksentscheid aufgelöst werden. Die Frage der Auflösung des Landtags ist zum<br />

Volksentscheid zu bringen, wenn der Staatsrat es beschließt….“; Oldenburg – § 55 „Der Landtag ist, abgesehen<br />

von dem Falle des § 40, vom Staatsministerium aufzulösen, wenn er es mit der für Verfassungsänderungen<br />

vorgeschriebenen St<strong>im</strong>menmehrheit selbst beschließt oder wenn eine Volksabst<strong>im</strong>mung es verlangt.“; Sachsen –<br />

Art. 9 Abs. 2 „Der Landtag kann auf Volksbegehren oder auf Antrag des Gesamtministeriums durch Volksentscheid<br />

aufgelöst werden.“. – Genauso wie für die Reichsebene lassen sich auch für die kurze Zeit der Existenz<br />

der We<strong>im</strong>arer Reichsländer einige dementsprechende Auflösungen eruieren.<br />

521 Wie schon für die Reichsebene festgestellt, darf auch für den Länderparlamentarismus nicht übersehen werden,<br />

dass es innerhalb der We<strong>im</strong>arer Wählerschaft nur äußerst rud<strong>im</strong>entär ausgebildete Parteibindungen gab. Am<br />

deutlichsten wird dieser Umstand darin, dass sich weite Teile der Arbeitnehmer unter den Wählern innerhalb<br />

weniger Jahre weg von den Sozialdemokraten, hin zu den Nationalsozialisten orientierten. Über jedem Abgeordneten<br />

schwang somit das Damoklesschwert des Mandatsverlustes in viel dramatischerer Art und Weise, als<br />

Abgeordnete dies in den <strong>deutschen</strong> Parlamenten unserer Zeit empfinden müssen.<br />

522 So z.B. Koellreutter, Das parlamentarische System in den <strong>deutschen</strong> Länderverfassungen, S. 12 – „…Die<br />

parlamentarische Regierung muß die Geschäfte <strong>im</strong> Einvernehmen mit dem Parlament führen, weil sie nach dem demokratischen<br />

Prinzip dem Volke verantwortlich sein muß. …“.

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