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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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156<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

von Gründen an den Landtag zurückgeben. Wenn in der Folge der Landtag dieses<br />

Gesetz jedoch erneut inhaltsgleich beschloss, wurde anders als in den übrigen<br />

Ländern, der Exekutivspitze Braunschweigs die Initiierung eines Volksentscheids<br />

durch die Landesverfassung nicht zugestanden.<br />

(6) Dafür existierte <strong>im</strong> wichtigen und großen Reichsland Preußen 507 wiederum<br />

eine besonders scharfe Form der Einspruchsrechte. Insbesondere war dort sogar<br />

ein erhöhtes Quorum für die erneute Beschlussfassung <strong>im</strong> Landtag vorgesehen.<br />

Überdies verblieb <strong>im</strong> Falle des Quorumsverfehlens die Möglichkeit, einen diesbezüglichen<br />

Volksentscheid anzuordnen. Allerdings handelte es sich dabei um keinen<br />

exekutiven Einspruch, sondern lediglich um eine Art Einspruchsrecht des<br />

Preußischen Staatsrats, welcher aber nicht mehr war, als eine Zweite Kammer des<br />

Parlaments <strong>im</strong> Freistaat Preußen. 508 Die exekutive Staatsregierung Preußens hatte<br />

somit nicht die Möglichkeit, einem Legislativbeschluss eigenständig die Wirksamkeit<br />

zu entziehen.<br />

(7) Eine besonders eigenwillige Konstruktion kannte die Verfassung Lübecks 509 .<br />

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Senat und Bürgerschaft ‚über das, was<br />

das Staatswohl erfordert‛ konnte bei nichtverfassungsändernden Gesetzen in<br />

dringlichen Konstellationen ein sog. Vertrauensausschuss bestellt werden, der<br />

über die Streitfrage quasi einen Schlichterspruch tätigen sollte. Jene Entscheidung<br />

des Vertrauensausschusses war jedoch für keine der beiden Seiten bindend, so<br />

dass neben der legislativen Bürgerschaft auch der lübeckische Senat als Staatsregierung<br />

den Volksentscheid binnen 14 Tagen anordnen konnte. 510 Insofern kann<br />

konstatiert werden, dass lediglich das mediatisierende Zwischenverfahren als besondere<br />

Nuance die Einsprüche der <strong>Exekutive</strong> Lübecks von den sonstigen Ländern<br />

unterschied, in welchen der Staatsregierung die Möglichkeit eingeräumt wur-<br />

507 Art. 42 Verfassung des Freistaats Preußen v. 30. November 1920: (Abs. 1) „Gegen die vom Landtage beschlossenen<br />

Gesetze steht dem Staatsrate der Einspruch zu.“ (Abs. 2) „Der Einspruch muß innerhalb zweier<br />

Wochen nach der Schlußabst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Landtage be<strong>im</strong> Staatsministerium eingebracht und spätestens binnen<br />

zwei weiteren Wochen mit Gründen versehen sein.“ (Abs. 3) „Im Falle des Einspruchs wird das Gesetz dem<br />

Landtage zur nochmaligen Beschlußfassung vorgelegt. Wenn der Landtag seinen früheren Beschluß mit Zweidrittelmehrheit<br />

erneuert, so bleibt es bei seinem Beschlusse. Wird bei der erneuten Beschlußfassung des Landtags<br />

für den früheren Beschluß nur eine einfache Mehrheit erreicht, so ist der Beschluß hinfällig, falls er nicht durch<br />

einen vom Landtage herbeigeführten Volksentscheid bestätigt wird.“.<br />

508 Siehe Art. 31 Verfassung des Freistaats Preußen v. 30. November 1920: „Zur Vertretung der Provinzen bei<br />

der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates wird ein Staatsrat gebildet.“ – Zur Natur des Preußischen Staatsrats<br />

sei verwiesen auf: Stier-Somlo, Der Preußische Staatsrat (§56), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd.<br />

I (1930), S. 661.<br />

509 Art. 63 Lübeckische Landesverfassung v. 23. Mai 1920: „Weichen die Meinungen der Bürgerschaft oder des<br />

Senates darüber voneinander ab, was das Staatswohl erfordert, und sind in einem solchen Falle der Senat und die<br />

Bürgerschaft der übereinst<strong>im</strong>menden Ansicht, daß eine Beschlußfassung ohne wesentlichen Nachteil für das<br />

Gemeinwesen keinen Aufschub erleide, so ist die Streitfrage durch den Spruch eines Vertrauensausschusses zu<br />

entscheiden. …“.<br />

510 Art. 69 Lübeckische Landesverfassung v. 23. Mai 1920: „Sowohl der Senat als auch die Bürgerschaft haben<br />

innerhalb vierzehn Tagen nach der Veröffentlichung des Spruches des Vertrauensausschusses das Recht, den<br />

Volksentscheid anzurufen.“.

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