Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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154 B. Systematische und strukturelle Einordnung der Vetorechte Mehrheitsquorums, wäre der Einspruch der Exekutivspitze durchschlagend gewesen. Für Bremen 493 galt im Grundsatz eine ähnliche Verfassungsregelung wie in Hamburg, nur, dass die Stellung des bremischen Senats erheblich schwächer war als insbesondere in Anhalt, da der exekutiv einzuleitende Volksentscheid noch der Zustimmung von einem Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landesparlaments bedurfte. (3) In Mecklenburg-Schwerin 494 hatte die Landesexekutivspitze anstatt der Ausfertigung des Gesetzes dieses entweder im Ganzen oder in einzelnen Teilen fristgemäß innerhalb eines Monats dem Volksentscheid zu überantworten oder den Landtag innerhalb von 14 Tagen um wiederholte Beratung zu ersuchen. Das vom Landtag erneut beschlossene Gesetz war dann entweder binnen 14 Tagen zu verkündigen oder doch den Volksentscheid 495 zu initiieren. Ähnlich sah die Regelung in Oldenburg 496 aus, wo die Staatsregierung, wenn sie sich in quasi vorverlagerten Verhandlungen mit dem Landtag inhaltlich nicht einigen konnte, diesen um erneute Beratung ersuchen konnte und im Falle verfehlter Einigung bei erneutem inhaltsgleichem Beschluss innerhalb einer Frist von 14 Tagen eine Volksabstimmung 497 verlangen konnte. 498 1919 [in der konsolidierten Fassung v. 06. Oktober 1922]; § 4 i.V.m. § 10 Abs. 4 Verfassung des Freistaats Schaumburg-Lippe v. 24. Februar 1922. 492 Wobei in Hamburg die Bürgerschaft in der Lage war, den Volksentscheid zu verhindern, in dem der Einspruch mit qualifizierter verfassungsändernder Mehrheit beschlossen wurde. 493 § 4 Verfassung der Freien Hansestadt Bremen v. 18. Mai 1920: „…Wenn der Senat gegen einen von der Bürgerschaft gefaßten Beschluß Bedenken hat, so kann er innerhalb zweier Wochen nach Zustellung des Bürgerschaftsbeschlusses unter Darlegung seiner Gründe Einspruch erheben. Die Bürgerschaft hat daraufhin über die Frage nochmals zu beraten und zu beschließen. Wird hierbei keine Übereinstimmung zwischen der Bürgerschaft und dem Senate erzielt, so ist der Gegenstand der Beschlußfassung einem Volksentscheid zu unterbreiten, wenn der Senat dies innerhalb zweier Wochen nach Zustellung des zweiten Bürgerschaftsbeschlusses beantragt und mindestens ein Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft zustimmt. …“ 494 § 44 Verfassung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin v. 17. Mai 1920: „[…] Das Staatsministerium kann jedoch innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Zustellung des Gesetzes jedes vom Landtag beschlossene Gesetz im ganzen oder in einzelnen Teilen dem Volke zur Annahme oder Ablehnung vorlegen. Das Staatsministerium ist ferner berechtigt, innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen nach der Zustellung des Gesetzes den Landtag um wiederholte Beratung des Gesetzes zu ersuchen. Dieses Ersuchen kann bis zum Abschlusse der erneuten ersten Lesung des Gesetzes zurückgenommen werden. Das vom Landtage wiederum, wenn auch mit Änderungen, in dreimaliger Beratung in demselben oder im folgenden Sitzungsabschnitt beschlossenen Gesetz kann vom Staatsministerium entweder verkündet oder innerhalb vierzehn Tage nach der Zustellung im ganzen oder in einzelnen Teilen einer Volksabstimmung unterbreitet werden. […]“. 495 Im Umkehrschluss zu § 82 Verfassung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin v. 17. Mai 1920 ist anzunehmen, dass das Mehrheitsquorum der Volksabstimmung bei der Mehrheit der abgegebenen Stimmen lag. 496 § 35 Verfassung für den Freistaat Oldenburg v. 17. Juni 1919: „Wenn sich das Staatsministerium mit dem Landtag nicht einigt, so kann es diesen um eine wiederholte Beratung ersuchen. Wird auch dann keine Einigung erzielt, so kann der Landtag oder das Staatsministerium innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Volksabstimmung verlangen. Diese ist vom Staatsministerium sofort anzuordnen und innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Volksabstimmung verlangen. Diese ist vom Staatsministerium sofort anzuordnen und innerhalb weiterer zwei Monate vorzunehmen.“. 497 Nach § 68 Abs. 2 2 Hs. der Verfassung für den Freistaat Oldenburg v. 17. Juni 1919 genügte für den Erhalt des Gesetzes eine einfache Mehrheit. 498 Im speziellen Falle des Reichslandes Oldenburg muss jedoch auf das Fortwirken konstitutioneller Gesetzgebungsgedanken hingewiesen werden. Oldenburg war das einzige Land der Weimarer Republik, in welchem trotz

III. Analyse der Weimarer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 155 (4) Ein Unterschied in der Dimension des Einspruchs lässt sich für die Reichsländer Württemberg 499 , Baden 500 , Bayern 501 , Hessen 502 und Mecklenburg-Strelitz 503 konstatieren. Dort war durch die einschlägigen Länderverfassungen grundsätzlich zwar nicht vorgesehen, der Landesregierung die Möglichkeit zu eröffnen, ein vom Landtag beschlossenes Gesetz diesem zur nochmaligen Beschlussfassung zurückzugeben. Vielmehr war es in Anlehnung an die Reichsebene der Staatsregierung direkt erlaubt, ein vom Landtag beschlossenes missliebiges Gesetz innerhalb entsprechender Fristen dem Volk 504 unmittelbar zur Entscheidung vorzulegen. 505 (5) Einzig das Land Braunschweig 506 gab der Landesregierung nur äußerst rudimentäre Möglichkeiten des exekutiven Einspruchs. Die Staatsregierung konnte ein vom Landtag beschlossenes Gesetz zwar binnen zweier Wochen unter Angabe revolutionärer Umwälzungen die Exekutive fortgesetzt Mitträger der Souveränität blieb, da für den Gesetzesbeschluss weiterhin die Übereinstimmung von Landtag und Regierung notwendig war. Dieser spezielle Anachronismus führt bei genauer Betrachtung und Zugrundelegung der Vetokriterien eigentlich zu einem Ausschluss aus dem Kreis der Länder mit vetoberechtigten Staatsregierungen. 499 § 43 Abs. 1 Verfassung des freien Volksstaates Württemberg v. 25. September 1919: „Hat der Landtag die Dringlichkeit nicht beschlossen, so sind von ihm angenommene Gesetze oder Teile von solchen binnen zweier Monate zur Volksabstimmung zu bringen, wenn das Staatsministerium es beschließt oder ein Zehntel der bei der letzten Landtagswahl Stimmberechtigten es begehrt.“ 500 § 23 Abs. 2 i.V.m. § 57 Abs. 2 Gesetz die Badische Verfassung betreffend v. 21. März 1919: „…Alle anderen Gesetze, soweit sie nicht der Volksabstimmung ausdrücklich entzogen sind, unterliegen der Volksabstimmung dann, wenn es von dem Staatsministerium beschlossen oder von der zur Volksinitiative berechtigten Anzahl von Staatsbürgern binnen drei Monaten nach der Annahme des Gesetzes im Landtag verlangt wird. …“. 501 § 77 Abs. 2 Verfassungsurkunde des Freistaats Bayern v. 14. August 1919: „Über andere Gesetze, die der Landtag ohne Volksbegehren beschlossen hat, kann durch Volksbegehren oder Beschluß des Gesamtministeriums der Volksentscheidung binnen zwei Monaten angerufen werden. Vor Ablauf dieser Frist darf das Gesetz nicht ausgefertigt und verkündigt werden.“. 502 Art. 13 Hessische Verfassung v. 12. Dezember 1919: „Ein von dem Landtag angenommenes und im Regierungsblatt noch nicht verkündetes Gesetz ist binnen zweier Monate zur Volksabstimmung zu bringen, wenn das Gesamtministerium es beschließt. …“. 503 § 22 Landesgrundgesetz von Mecklenburg-Strelitz v. 23. Mai 1923: „Das Staatsministerium hat bei Zustimmung seiner sämtlichen Mitglieder das Recht, Beschlüsse des Landtages einer spätestens innerhalb eines Monats vorzunehmenden Volksabstimmung zu unterbreiten; es muß seinen Entschluß binnen der Frist einer Woche nach der beanstandeten Beschlußfassung dem Landtage eröffnen. ….“. 504 Nach § 5 Abs. 3 1. Hs. Verfassung des freien Volksstaates Württemberg v. 25. September 1919; § 24 Abs. 2 2. Hs. Gesetz die Badische Verfassung betreffend v. 21. März 1919; § 10 Abs. 3 S. 2 1. Hs. Verfassungsurkunde des Freistaats Bayern v. 14. August 1919; Art. 15 S. 2 1. Hs. Hessische Verfassung v. 12. Dezember 1919; § 22 Abs. 2 S. 2 2. Hs. Landesgrundgesetz von Mecklenburg-Strelitz v. 23. Mai 1923 genügte dem Gesetz in der Volksabstimmung jeweils die einfache Mehrheit. 505 Einen diesbezüglichen Sonderfall stellten unter dieser Einspruchsgruppe Bayern und Württemberg dar, in welchen die Landesparlamente das Recht hatten, ein Gesetz für dringlich zu erklären und somit dem Volksentscheid zu entziehen. Damit war es in diesen Reichsländern der abstimmenden Mehrheit möglich, durch einfachen Mehrheitsbeschluss nach subjektivem Ermessen mit Rechtswirksamkeit ein Gesetz durchzubringen, ohne das ein Veto der Staatsregierung dem entgegentreten hätte können – Vgl. Venator, Volksentscheid und Volksbegehren im Reich und den Ländern, AöR 43 (1922), S. 59. 506 Art. 39 Verfassung des Freistaats Braunschweig v. 6 Januar 1922: „Will das Staatsministerium ein von dem Landtage beschlossenes Gesetz nicht verkünden, so hat es unter Angabe der Gründe das Gesetz dem Landtage binnen zweier Wochen zurückzugeben. Der Landtag hat über das Gesetz noch einmal zu beschließen. Die Frist beginnt an dem Tage, an welchem die Mitteilung des Beschlusses beim Staatsministerium eingegangen ist. Beschlüsse des Landtages, welche das Staatsministerium nicht auszuführen zu können glaubt, müssen dem Landtage unverzüglich zur erneuten Prüfung zurückgegeben werden. Bei dem erneuten Beschlusse des Landtages behält es sein Bewenden.“.

III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 155<br />

(4) Ein Unterschied in der D<strong>im</strong>ension des Einspruchs lässt sich für die Reichsländer<br />

Württemberg 499 , Baden 500 , Bayern 501 , Hessen 502 und Mecklenburg-Strelitz 503<br />

konstatieren. Dort war durch die einschlägigen Länderverfassungen grundsätzlich<br />

zwar nicht vorgesehen, der Landesregierung die Möglichkeit zu eröffnen, ein vom<br />

Landtag beschlossenes Gesetz diesem zur nochmaligen Beschlussfassung zurückzugeben.<br />

Vielmehr war es in Anlehnung an die Reichsebene der Staatsregierung<br />

direkt erlaubt, ein vom Landtag beschlossenes missliebiges Gesetz innerhalb entsprechender<br />

Fristen dem Volk 504 unmittelbar zur Entscheidung vorzulegen. 505<br />

(5) Einzig das Land Braunschweig 506 gab der Landesregierung nur äußerst rud<strong>im</strong>entäre<br />

Möglichkeiten des exekutiven Einspruchs. Die Staatsregierung konnte ein<br />

vom Landtag beschlossenes Gesetz zwar binnen zweier Wochen unter Angabe<br />

revolutionärer Umwälzungen die <strong>Exekutive</strong> fortgesetzt Mitträger der Souveränität blieb, da für den Gesetzesbeschluss<br />

weiterhin die Übereinst<strong>im</strong>mung von Landtag und Regierung notwendig war. Dieser spezielle Anachronismus<br />

führt bei genauer Betrachtung und Zugrundelegung der Vetokriterien eigentlich zu einem Ausschluss aus<br />

dem Kreis der Länder mit vetoberechtigten Staatsregierungen.<br />

499 § 43 Abs. 1 Verfassung des freien Volksstaates Württemberg v. 25. September 1919: „Hat der Landtag die<br />

Dringlichkeit nicht beschlossen, so sind von ihm angenommene Gesetze oder Teile von solchen binnen zweier<br />

Monate zur Volksabst<strong>im</strong>mung zu bringen, wenn das Staatsministerium es beschließt oder ein Zehntel der bei der<br />

letzten Landtagswahl St<strong>im</strong>mberechtigten es begehrt.“<br />

500 § 23 Abs. 2 i.V.m. § 57 Abs. 2 Gesetz die Badische Verfassung betreffend v. 21. März 1919: „…Alle anderen<br />

Gesetze, soweit sie nicht der Volksabst<strong>im</strong>mung ausdrücklich entzogen sind, unterliegen der Volksabst<strong>im</strong>mung<br />

dann, wenn es von dem Staatsministerium beschlossen oder von der zur Volksinitiative berechtigten Anzahl von<br />

Staatsbürgern binnen drei Monaten nach der Annahme des Gesetzes <strong>im</strong> Landtag verlangt wird. …“.<br />

501 § 77 Abs. 2 Verfassungsurkunde des Freistaats Bayern v. 14. August 1919: „Über andere Gesetze, die der<br />

Landtag ohne Volksbegehren beschlossen hat, kann durch Volksbegehren oder Beschluß des Gesamtministeriums<br />

der Volksentscheidung binnen zwei Monaten angerufen werden. Vor Ablauf dieser Frist darf das Gesetz<br />

nicht ausgefertigt und verkündigt werden.“.<br />

502 Art. 13 Hessische Verfassung v. 12. Dezember 1919: „Ein von dem Landtag angenommenes und <strong>im</strong> Regierungsblatt<br />

noch nicht verkündetes Gesetz ist binnen zweier Monate zur Volksabst<strong>im</strong>mung zu bringen, wenn das<br />

Gesamtministerium es beschließt. …“.<br />

503 § 22 Landesgrundgesetz von Mecklenburg-Strelitz v. 23. Mai 1923: „Das Staatsministerium hat bei Zust<strong>im</strong>mung<br />

seiner sämtlichen Mitglieder das Recht, Beschlüsse des Landtages einer spätestens innerhalb eines Monats<br />

vorzunehmenden Volksabst<strong>im</strong>mung zu unterbreiten; es muß seinen Entschluß binnen der Frist einer Woche<br />

nach der beanstandeten Beschlußfassung dem Landtage eröffnen. ….“.<br />

504 Nach § 5 Abs. 3 1. Hs. Verfassung des freien Volksstaates Württemberg v. 25. September 1919; § 24 Abs. 2 2.<br />

Hs. Gesetz die Badische Verfassung betreffend v. 21. März 1919; § 10 Abs. 3 S. 2 1. Hs. Verfassungsurkunde des<br />

Freistaats Bayern v. 14. August 1919; Art. 15 S. 2 1. Hs. Hessische Verfassung v. 12. Dezember 1919; § 22 Abs. 2<br />

S. 2 2. Hs. Landesgrundgesetz von Mecklenburg-Strelitz v. 23. Mai 1923 genügte dem Gesetz in der Volksabst<strong>im</strong>mung<br />

jeweils die einfache Mehrheit.<br />

505 Einen diesbezüglichen Sonderfall stellten unter dieser Einspruchsgruppe Bayern und Württemberg dar, in<br />

welchen die Landesparlamente das Recht hatten, ein Gesetz für dringlich zu erklären und somit dem Volksentscheid<br />

zu entziehen. Damit war es in diesen Reichsländern der abst<strong>im</strong>menden Mehrheit möglich, durch einfachen<br />

Mehrheitsbeschluss nach subjektivem Ermessen mit Rechtswirksamkeit ein Gesetz durchzubringen, ohne das ein<br />

Veto der Staatsregierung dem entgegentreten hätte können – Vgl. Venator, Volksentscheid und Volksbegehren <strong>im</strong><br />

Reich und den Ländern, AöR 43 (1922), S. 59.<br />

506 Art. 39 Verfassung des Freistaats Braunschweig v. 6 Januar 1922: „Will das Staatsministerium ein von dem<br />

Landtage beschlossenes Gesetz nicht verkünden, so hat es unter Angabe der Gründe das Gesetz dem Landtage<br />

binnen zweier Wochen zurückzugeben. Der Landtag hat über das Gesetz noch einmal zu beschließen. Die Frist<br />

beginnt an dem Tage, an welchem die Mitteilung des Beschlusses be<strong>im</strong> Staatsministerium eingegangen ist. Beschlüsse<br />

des Landtages, welche das Staatsministerium nicht auszuführen zu können glaubt, müssen dem Landtage<br />

unverzüglich zur erneuten Prüfung zurückgegeben werden. Bei dem erneuten Beschlusse des Landtages behält es<br />

sein Bewenden.“.

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