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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 149<br />

nicht nur, wie allzu oft getan, an den Notverordnungsrechten des Präsidenten<br />

aufgehangen werden kann und somit nicht nur Konfusion be<strong>im</strong> außerordentlichen<br />

Verfassungsnotfall entstehen musste. Vielmehr war diese Verfassung schon<br />

für die Normalsituation nicht kohärent konzipiert. Es verwundert <strong>im</strong> Angesicht<br />

dessen nicht, dass dem Reichspräsidenten aufgrund der Gegenzeichnungsnotwendigkeiten,<br />

die einem effektiven Vetoeinsatz entgegenstehen könnten, als Lösungsansatz<br />

ein politischer Trick anempfohlen wurde. Als einzige Lösungsmöglichkeit<br />

die Kontrasignierungsverweigerung in der politischen Praxis zu umschiffen, wurde<br />

ihm das Taktieren in Ad-hoc-Aktionen empfohlen. Mittels der Installation von<br />

Minderheitenregierungen sollten die dem Vetoeinsatz entgegenstehenden Verfassungshürden<br />

einzuebnen sein. Ohne diesen Trick hätte die WRV mit Art. 25 und<br />

Art. 73 Abs. 1 mindestens zwei zentrale Artikel enthalten, die jenseits der Anwendbarkeit<br />

<strong>im</strong> Verfassungsalltag gelegen hätten.<br />

Es mag aus historischer Perspektive schon richtig sein, wenn man sagt, dass<br />

We<strong>im</strong>ar letztlich und <strong>im</strong> Wesentlichen am fehlenden demokratischen Grundbewusstsein<br />

475 in dieser jungen Republik scheiterte, wodurch sich länger als in den<br />

meisten anderen europäischen Staaten monarchische Anachronismen wie Mehltau<br />

auf den Staatsstrukturen halten konnten. Aus den Betrachtungen für den speziellen<br />

Bereich der <strong>Vetorechte</strong> wird jedoch auch offenbar, dass der We<strong>im</strong>arer Verfassung<br />

jenseits jeglichen Notverordnungsrechts und demokratischer Schulung an<br />

sich schon ein diffuses Grundkonzept zu bescheinigen ist. Gerade die Untersuchungen<br />

zu Art. 73 Abs. 1 WRV machen deutlich, dass hier eigentlich ein besonders<br />

starkes Vetorecht erschaffen wurde, dass aber gleichsam <strong>im</strong>mer systemfremd<br />

Hierzu auch W. J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, S. 335: „…Das Legit<strong>im</strong>ationsvakuum,<br />

das die Hohenzollern hinterlassen hatten, sollte durch die charismatische Legit<strong>im</strong>ität des Reichspräsidenten ersetzt werden, »als<br />

eines in direkter Volkswahl zum Führer der Nation akklamierten Vertrauensmanns der Massen«. …“ v. Beyme verweist diesbezüglich<br />

auf den Ansatz des die Debatte wesentlichen best<strong>im</strong>menden Max Weber: „…man müsse dem Willen des Gesamtvolkes<br />

einen Kristallisationspunkt schaffen, zumal er es für wahrscheinlich hielt, daß der Bundesrat in irgendeiner Form wieder eingeführt<br />

werde. Er befürchtete, daß der föderalistische Partikularismus den Volkswillen bei einer Wahl des Präsidenten durch das Parlament<br />

brechen könnte, falls der künftige Bundesrat an dieser Präsidentenwahl beteiligt würde. …“ – Vgl. v. Beyme, Die Parlamentarischen<br />

Regierungssysteme in Europa, S. 267.<br />

Trotz der Volkswahl des Reichspräsidenten wollte insb. der Abg. Preuß um jeden Preis verhindern, dass der<br />

Präsident gleichsam zum Chef der <strong>Exekutive</strong> aufstieg. Auf die entsprechende Inkonsistenz, die sich aus dem<br />

volksgewählten Präsidenten und dem repräsentativen Parlamentarismus ergab, wies z.B. Bredt hin und stellte<br />

insbesondere dar, dass die Kombination von Institutionen zweier so verschiedener Systeme, wie der Frankreichs<br />

und der Vereinigten Staaten, eine höchst zweifelhafte Lösung seinen – Vgl. Bredt, Das Werk des Herrn Preuss,<br />

oder wie soll eine Reichsverfassung nicht aussehen?, S. 9.<br />

Als Konsequenz stellt v. Beyme fest: „…Die Volkswahl des Präsidenten wurde sinnlos, wenn man ihm nicht die starken<br />

Prärogativen eines Monarchen verleihen wollte, zu deren Realisierung die Volkswahl nach der Meinung vieler gedacht war. …“.<br />

475 Als exemplarisches Beispiel, unabhängig von den breiten Volksmassen, die in demokratischen Belangen als<br />

un(aus)gebildet gelten können; stellte Carl Schmitt als einflussreicher Staatsrechtler der We<strong>im</strong>arer Republik seine<br />

Anschauungen zum Parlamentarismus wie folgt dar: In seiner Schrift über die geistesgeschichtliche Lage des<br />

Parlamentarismus benennt er die parlamentarische Regierungsform als eine überlebte Form (Vgl. v. Beyme, Die<br />

Parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, S. 280), die „…moralisch und geistig ihren Boden verloren hat und nur<br />

noch als leerer Apparat, kraft einer bloß mechanischen Beharrung mole sua aufrecht steht …“ – Vgl. C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche<br />

Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 30. V. Beyme weist diesbezüglich zurecht darauf hin, dass die<br />

allein glücklich machende Lösung für das deutsche Volk von C. Schmitt <strong>im</strong> Aufbau eines »plebiszitären Führertums«<br />

gesehen wurde – Vgl. v. Beyme, A.a.O., S. 280.

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