22.01.2013 Aufrufe

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 147<br />

des Reichspräsidenten derartig weit ausgestaltet waren, dass sie schon konstitutionell-monarchische<br />

Züge annahmen und auf der anderen Seite mit dem Wort „alle“<br />

<strong>im</strong> Art. 50 WRV für die Gegenzeichnungsnotwendigkeit eine Ausnahmslosigkeit<br />

kreiert wurde, die ihn bei der Anwendung seiner Rechte an den vermeintlichen<br />

parlamentarischen Vertrauensausschuss Reichsregierung in apodiktischer Art<br />

und Weise band. Erklärbar wird das Ganze nur, wenn man zugrunde legt, dass es<br />

Teile der verfassunggebenden Nationalversammlung gab, die gar keinen Reichspräsidenten<br />

wollten, sondern nur eine dem Parlament verantwortliche Regierung.<br />

Anderen wiederum konnte der Präsident als volksgewähltes Staatsoberhaupt nicht<br />

machtvoll genug ausgestaltet gewesen sein.<br />

Die Folge dieser, auf jener Basis konstruierten Ch<strong>im</strong>äre, wird gerade bei den<br />

<strong>Vetorechte</strong>n aus Art. 73 Abs. 1 und Art. 70 WRV besonders deutlich. Für das<br />

letztere Recht zeigt sich, dass ein starres Festhalten an der Gegenzeichnungsnotwendigkeit<br />

zu inakzeptablen Ergebnissen bis hin zur Nötigung des Reichspräsidenten<br />

durch seine Regierung führt. Überdies offenbart sich in Bezug auf Art. 73<br />

Abs. 1 WRV die inhaltliche Untrennbarkeit von der Auflösungsmöglichkeit. Theoretisch<br />

hätte der Reichspräsident die Gegenzeichnung der Reichsregierung nicht<br />

nur für den Vetoeinsatz nach Art. 73 Abs. 1 WRV benötigt, sondern auch um die<br />

mögliche Misstrauensreaktion des Reichstags parieren zu können. Die Reichsregierung<br />

die er beruft, welche aber gleichsam Vertrauensausschuss des Reichstags<br />

sein soll, ‚stände zwischen allen Stühlen‛. Es erscheint fast denkunmöglich, dass<br />

dies das tatsächliche Konzept der verfassunggebenden We<strong>im</strong>arer Nationalversammlung<br />

gewesen sein kann. 471 Sicherlich konnte sich die herrschende Meinung<br />

dadurch behelfen, dass sie die Ansicht vertrat, der Reichspräsident könne den<br />

471 Bezeichnend für jene divergierenden Systemauffassungen um die Grundausrichtung der WRV sind zwei<br />

Aufsatzbeiträge aus der We<strong>im</strong>arer Staatslehre, niedergelegt <strong>im</strong> Handbuch des Staatsrechts. Diese Beiträge stehen<br />

exemplarisch für die Unterschiedlichkeit beider Denkschulen. Es muss jedoch <strong>im</strong>mer vergegenwärtigt werden,<br />

dass es sich nicht nur um eine abstruse dogmatische Debatte handelte, welche nur für akademische Sphären von<br />

Bedeutung gewesen wäre, sondern es ging um das Große und Ganze <strong>im</strong> Verfassungsverständnis der We<strong>im</strong>arer<br />

Republik. Aus heutiger Sicht muss erschüttern, dass beide Ausführungen sich um die Staatsleitung desselben<br />

Landes gehandelt haben sollen.<br />

So schreibt Thoma, in: Die rechtliche Ordnung des parlamentarischen Regierungssystems (§43), in: Handbuch des<br />

Deutschen Staatsrechts Bd. I (1930), S. 508: „…Ja, der Reichspräsident soll sich überhaupt nicht als ein bloß dekoratives,<br />

sondern als ein mitgestaltendes Staatsoberhaupt bewähren. Indes darf dies alles, da die Reichsverfassung eine parlamentarische<br />

Republik und nicht eine Präsidentschaftsrepublik hat einrichten wollen, nur <strong>im</strong> Rahmen eines ‚pouvoir modérateur‛ geschehen. So<br />

schwierig es ist, einen so flüssigen Stoff, wie das Verhältnis von Reichspräsident und Reichsregierung zwischen die Dämme formulierter<br />

Rechtssätze einzuschließen, so kann doch gesagt werden, daß der Reichspräsident verpflichtet ist, die einmal bestehende Mehrheitsregierung<br />

zu unterstützen und seine Gewalt der Negative, sein Veto, wenn es so nennen will, nur in einem ermäßigten Sinne auszuüben<br />

und sich nicht die Leitungsgewalt zu erstrotzen, oder gar, in Konkurrenz mit dem Reichstag und <strong>im</strong> Gegensatz zu seiner<br />

Mehrheit, einer Regierung die Amtsführung zu durchkreuzen und die ‚unmöglich‛ zu machen. …“<br />

Demgegenüber zum selben Thema – Poetzsch-Heffter, Organisation und Geschäftsformen der Reichsregierung<br />

(§44), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. I (1930), S. 514: „…Die politische Verantwortung (gemeint war die<br />

des Reichskanzlers) bedingt Rücksichtnahme auf den Willen des Reichstags. Sie bedeutet aber nicht, daß der Reichskanzler sich nur<br />

als Ausführungsorgan eines vom Reichstage aufgestellten politischen Programms zu betrachten hätte. Der Reichskanzler soll vielmehr<br />

auch gegenüber dem Reichstage die Führung der Geschäfte behalten. Seine Abhängigkeit vom Reichstage ist die Abhängigkeit des<br />

Führers vom Vertrauen der Geführten. Anderer Art ist das Vertrauensverhältnis, das die Beziehung zwischen Reichspräsidenten<br />

und Reichskanzler best<strong>im</strong>mt. Es soll das Vertrauensverhältnis des Oberführers zum selbständigen Führer sein. Einwirkungen des<br />

Reichspräsidenten auf die Politik des Reichskanzlers sind deshalb nicht ausgeschlossen. …“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!