22.01.2013 Aufrufe

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

146<br />

ccc. <strong>Vetorechte</strong> als Systembruchindikatoren<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

Eine reflektierende Betrachtung der <strong>Vetorechte</strong> kommt an dieser Stelle nicht umhin,<br />

die Problemzonen zu benennen, die den soeben aufgezeigten Dilemmata<br />

zugrunde lagen. Am konkreten Prüfungspunkt der <strong>Vetorechte</strong> und dem eng damit<br />

<strong>im</strong> Zusammenhang stehenden Auflösungsrecht wird nämlich deutlich, dass die<br />

We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung eine in sich unausgegorene und inhomogene Mischverfassung<br />

war, die versuchte, aus verschiedenen Verfassungstypen eine neue<br />

Form für das vom I. Weltkrieg und die folgende Novemberrevolution zerrüttete<br />

und gespaltene Deutschland zu kreieren. Die diesbezüglichen historischen Ergebnisse<br />

sind mannigfaltig bekannt und sprechen eine deutliche Sprache.<br />

Aber auch und gerade die Vetomöglichkeiten des Reichspräsidenten aus Art.<br />

73 Abs. 1 und Art. 70 WRV machen indikatorengleich jene Fehlkonstruktion<br />

deutlich, die die WRV letztlich darstellte. Es wurde das Amt eines Reichspräsidenten<br />

geschaffen, der u.a. mit wuchtigen Vetomöglichkeiten ausgestattet war und der<br />

doch gleichsam nur mit Gegenzeichnung agieren können sollte. 468 Es erscheint<br />

nahezu unbegreiflich, dass dieser als so mächtig konstruierte Reichspräsident derartig<br />

absolut von der Gegenzeichnung durch die Reichsregierung abhängig gewesen<br />

sein soll. Insbesondere, wenn man die Auffassung danebenlegt, dass die<br />

Reichskanzler und die Reichsminister auch noch Vertrauenspersonen des Reichstags<br />

gewesen sein sollen. Mithin hätte dies zur Konsequenz gehabt, dass der<br />

Reichspräsident in seiner Amtstätigkeit vom Reichstag abhängig gewesen wäre. 469<br />

Es erscheint fraglich, wie diese vermeintliche Vertrauensabhängigkeit mit der ansonsten<br />

so starken Stellung des Reichspräsidenten in Einklang zu bringen ist.<br />

Nawiasky bringt das Dilemma auf den Punkt:<br />

„…Wenigstens in zwei Punkten sollte der Reichspräsident von der Reichsregierung unabhängig<br />

sein, dann nämlich, wenn ihn die Verfassung dazu beruft gegen den Reichstag aufzutreten und<br />

das Volk als Schiedsrichter in Aktion zu setzen. Sonst ist ihm ja nur ein Schwert ohne Klinge<br />

in die Hand gegeben. Es handelt sich um die […] Fälle der Auflösung des Reichstages und des<br />

Vetos gegen Gesetzesbeschlüsse. Und doch läßt sich gegen das Wort ‚alle‛ in dem aufgeführten<br />

Text des Art. 50 nicht ankämpfen. …“ 470<br />

Es mutet abstrus an, wie derartig divergierende politische Konzepte Eingang in<br />

ein und dieselbe Verfassung finden konnten. Das Konträre wird besonders deutlich,<br />

wenn man sich vor Augen führt, dass auf der einen Seite die Kompetenzen<br />

468 Vgl. Nawiasky, in: Die Grundgedanken der Reichsverfassung, S. 72 „…Wir sehen eine ungeheure Fülle von Macht.<br />

Wenn der Reichspräsident in allen diesen Punkten selbständig wäre, dann würde er ein vollkommenes Gegengewicht gegen den<br />

Reichstag darstellen … […] Alles hängt nun davon ab, wie die Stellung des Präsidenten zur Regierung gestaltet ist. Entscheidend<br />

ist Art. 50. […] Dadurch wird also der Reichspräsident gegenüber der Reichsregierung und insbesondere deren Chef, dem Reichskanzler,<br />

in Nachteil versetzt. Er kann nichts verfügen ohne diese Kontrolle und Zust<strong>im</strong>mung. …“<br />

469 So jedenfalls die Zusammenfassung von Nawiasky, A.a.O., S. 69/73.<br />

470 A.a.O., S. 73.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!