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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 145<br />

Die Meinung der Reichsregierung war für ihn überhaupt nicht maßgebend. 464 Die<br />

Gegenzeichnungsnotwendigkeit der Reichsregierung sollte den Reichspräsidenten<br />

niemals zu einem positiven Handeln zwingen, sie machte nur sein aktives Handeln<br />

von der ministeriellen Billigung abhängig.<br />

Jeder andere Ansatz hätte zur Folge gehabt, dass entweder aus der Gegenzeichnungsnotwendigkeit<br />

eine Einflussmöglichkeit auf den Reichspräsidenten<br />

seitens der Reichsregierung konstruiert würde, was wiederum den Präsidenten in<br />

eine von der Reichsverfassung nicht gewollte Hörigkeit gegenüber dieser gebracht<br />

hätte. 465 Oder das Recht aus Art. 70 WRV hätte ihn gezwungen, in der hier beschriebenen<br />

Konstellation seine Regierung zu entlassen. Der Art. 70 WRV wäre<br />

allerdings ein äußerst unpraktikables Recht gewesen, wenn der Reichspräsident<br />

allein wegen eines inhaltlichen Dissenses nun „seine“ Reichsregierung oder einen<br />

„seiner“ Minister bzw. sogar den Reichskanzler hätte entlassen müssen. Dass ihm<br />

ein solches Vorgehen möglich gewesen wäre, belegen die obigen Erörterungen.<br />

Dennoch stellen sich beide Alternativen eher als klassische ‚no win-Situation‛ für<br />

den Reichspräsidenten dar. Dies hätte faktischen Druck auf den Reichspräsidenten<br />

erzeugt, welcher mit der Stellung als sog. „Hüter der Verfassung“, die ihm<br />

allenthalben zugedacht wurde, nicht vereinbar gewesen wäre.<br />

Die sich auch zur Zeit der We<strong>im</strong>arer Republik <strong>im</strong>mer stärker durchsetzende<br />

Sichtweise, dass der Reichspräsident für die Verweigerung der Ausfertigung eines<br />

Reichsgesetzes nicht der Mitwirkung der Minister oder des Reichskanzlers in<br />

Form der Gegenzeichnung bedurfte, ist daher vorzugswürdig. Durch seine Unterlassungen<br />

konnte er also den Werdegang eines Gesetzes <strong>im</strong> negativen Sinne beeinflussen.<br />

466 Jellinek fasste dies wie folgt pointiert zusammen:<br />

„…Ob der zuständige Minister bei Unterlassungen, die er nicht billigt zurücktreten soll, ist<br />

seinem pflichtgemäßen Ermessen anhe<strong>im</strong>gegeben und ändert nichts an der Erkenntnis, daß die<br />

Gegenzeichnungspflichtigkeit aller Anordnungen des Reichspräsidenten, diesen nie zu einem<br />

positiven Handeln auf Vorschlag des Reichskanzlers oder eines Ministers zwingen kann… .“ 467<br />

Diese Erkenntnis gilt es vor allem deshalb hervor zu streichen, da sie die Vetoposition<br />

des Reichspräsidenten gegenüber dem Gesetzgebungsgebaren des Reichstags<br />

stärkte. Daher ist dieser an verfassungsrechtliche Bedenken gebundene Vetomöglichkeit<br />

aus Art. 70 WRV durchaus eine fundierte Durchschlagskraft zu<br />

bescheinigen, die sich zudem auch noch in die Gesamtsystematik der präsidialen<br />

Rechte in der WRV einfügte.<br />

464 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 70, S. 369.<br />

465 Vgl. Jellinek, Das einfache Reichsgesetz (§72), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. II (1932), S. 179.<br />

466 So auch Nawiasky, in: Die Grundgedanken der Reichsverfassung, S. 87; Jellinek, Das einfache Reichsgesetz<br />

(§72), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. II (1932), S. 179.<br />

467 Jellinek, A.a.O.

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