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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 137<br />

dass der Wille des Reichskanzlers oder des Reichsministers sich diesem anschloss.<br />

443 Dabei erzeugte die Gegenzeichnung keine Verantwortlichkeit des Präsidenten<br />

gegenüber der Reichsregierung, sondern verantwortlich sollte das Kabinettsmitglied<br />

durch die damit kundgegebene Billigung werden. 444 Jene Verantwortlichkeit<br />

bedeutete also, dass der gegenzeichnende Minister so angesehen wurde, als<br />

ob er und nicht der Reichspräsident die betreffende Anordnung erließ. 445 Als<br />

Quintessenz des Art. 50 WRV lässt sich somit feststellen, dass jede präsidiale Tätigkeit<br />

446 auf die Gegenzeichnung der Reichsregierung angewiesen war. 447<br />

Das politische Übergewicht des Reichspräsidenten sollte staatsrechtlich dadurch<br />

kompensiert werden, dass der Präsident seine Anordnungen und Verfügungen<br />

nur mit dem jeweiligen von der Volksvertretung abhängigen Ministerium<br />

ausüben konnte. Das Erfordernis der Gegenzeichnung war nach damaliger staatsrechtlicher<br />

Auffassung der wichtigste Anwendungsfall, in welchem der <strong>im</strong> parlamentarischen<br />

System allgemein anerkannte Grundsatz nach außen trat, dass der<br />

Reichspräsident zu seinen Regierungshandlungen der Zust<strong>im</strong>mung der parlamentarisch<br />

verantwortlichen Minister bedurfte. 448 Es war ihm zwar über Art. 53<br />

WRV 449 und dem damit gegebenen Recht der Ernennung und Entlassung des<br />

Reichskanzlers und der Reichsminister entscheidender Einfluss auf die Bildung<br />

dieser gegenzeichnungsnotwendigen Reichsregierung eingeräumt. Demgegenüber<br />

stand jedoch Art. 54 WRV 450 , welcher den Spielraum der präsidialen Kabinettsregierung<br />

absteckte. Soviel Einfluss der Reichspräsident auch auf die Bildung der<br />

443 Ob der Reichskanzler oder der zuständige Reichsminister zur Gegenzeichnung und damit zur Übernahme der<br />

Verantwortung berufen war, entschied sich <strong>im</strong> Einzelfall danach, ob eine Frage, welche die Richtlinien der Politik<br />

anging, also eine Frage von allgemeiner politischer Bedeutung, oder eine reine Ressortangelegenheit vorlag. – Vgl.<br />

Anschütz, Die Verfassung des <strong>deutschen</strong> Reichs v. 11. August 1919, Art. 50, S. 307.<br />

444 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des <strong>deutschen</strong> Reichs v. 11. August 1919, Art. 50, S. 305.<br />

445 Vgl., A.a.O, S. 305; Giese, Die Verfassung des <strong>deutschen</strong> Reiches v. 11. August 1919, Art. 50, S. 151.<br />

446 Die ministerielle Billigung in Form der Kontrasignatur war ausnahmslos für die gesamten Kompetenzen des<br />

Präsidenten anzunehmen erstreckte sich daher gegenständlich nicht nur auf Anordnungen und Verfügungen des<br />

Reichspräsidenten <strong>im</strong> engeren formalen Sinne, sondern auf das gesamte amtliche Verhalten, was sich nach<br />

damals überwiegender Auffassung selbst auf private Meinungs- und Willensäußerungen bezog. – Vgl. Anschütz,<br />

Die Verfassung des <strong>deutschen</strong> Reichs v. 11. August 1919, Art. 50, S. 306; Marschall v. Bieberstein, Die Verantwortlichkeit<br />

der Reichsminister (§45), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. I (1930), S. 531.<br />

447 Das aus der konstitutionellen Monarchie in die WRV eingeflossene Recht der Kontrasignatur fand seine<br />

Bedeutung vor allem in Folgendem: „…so soll auch das verantwortliche republikanische Staatsoberhaupt gehalten sein, auf<br />

den Einklang aller ihm anvertrauten Regierungstätigkeit mit dem von den anderen Regierungsfaktoren eingehaltenen Kurs der großen<br />

Politik stets bedacht zu bleiben; freilich gestattet die Verfassung. Diesen nicht etwa positiv einen inhaltlichen best<strong>im</strong>menden Einfluss<br />

auf die Tätigkeit des Präsidenten, demzufolge er rechtlich verpflichtet wäre, sich den Richtlinien des Reichskanzlers zu fügen oder gar<br />

die ihm zugemuteten Staatsakte zu erlassen, sondern sie beschränkt die Regierung ihm gegenüber auf die Negative, auf die Hemmung,<br />

indem sie sein amtliches Verhalten an die Billigung der verantwortlichen Minister bindet und ihnen die Rechtspflicht auferlegt,<br />

die Billigung zu veweigern… […] Diese Billigung ist also das, was die Verantwortlichkeit des zuständigen Ministers begründet –<br />

Vgl. Marschall v. Bieberstein, Die Verantwortlichkeit der Reichsminister (§45), in: Handbuch des Deutschen<br />

Staatsrechts Bd. I (1930), S. 530.<br />

448 Vgl. Poetzsch-Hefter, Handkommentar zur Reichsverfassung, Art. 50, S. 251/252.<br />

449 Art. 53 Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. August 1919: „Der Reichskanzler und auf seinen Vorschlag<br />

die Reichsminister werden vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen.“.<br />

450 Art. 54 Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. August 1919: „Der Reichskanzler und die Reichsminister<br />

bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen muß zurücktreten, wenn ihm der<br />

Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.“.

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