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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 135<br />

Auflösungsrecht war bedingungslos und konnte daher vom Präsidenten der We<strong>im</strong>arer<br />

Republik zeitgleich mit dem Referendum nach Art. 73 Abs. 1 WRV eingesetzt<br />

werden. Stellt man sich jenes Konglomerat aus dem Veto über Art. 73 Abs. 1<br />

WRV verbunden mit der Inaussichtstellung einer Reichstagsauflösung vor, so<br />

dürfte dieses schon als Drohkulisse einige Kräfte freigesetzt haben, den Reichstag<br />

gegenüber dem Reichsoberhaupt und seinen politischen Vorstellungen gefügiger<br />

zu machen, da die Parlamentarier ansonsten Gefahr gelaufen wären, auf der Welle<br />

der politischen Empörung über ein Gesetz am selben Tag gleichsam eine für sie<br />

wichtige Norm und ihr Mandat zu verlieren.<br />

Aus staatspolitischem Blickwinkel darf daher nicht nur der tatsächlich vollzogene<br />

Vetoeinsatz gewürdigt werden, sondern man muss sich vor allem klarmachen,<br />

welche politische Dynamik eine entsprechende Vetodrohung, verstärkt mit<br />

dem möglichen Auflösungsszenario, für den Reichstag und seine um ihr Mandat<br />

bangenden Abgeordneten erzeugte. 437 Aus Sicht des Reichsparlaments ist die Bedeutsamkeit<br />

dieser vermeintlichen präsidialen Drohkulisse als erheblich einzustufen.<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint das Vetorecht des Reichspräsidenten aus<br />

Art. 73 Abs. 1 WRV als wirklich machtvoll und relevant. Dem Reichspräsidenten<br />

war zwar durch dieses nicht gestattet, den Gesetzgebungsakt an sich eigenständig<br />

für nichtig zu erklären (aus verfassungsrechtlichen Gründen konnte er dies jedoch<br />

über das Veto aus Art. 70 WRV tun), er konnte aber das Volk zu einer Art<br />

Schiedsrichter über die widerstreitenden Anschauungen zwischen ihm und der<br />

Legislative berufen.<br />

Allerdings erscheint die Einspruchsmöglichkeit des Präsidenten nicht nur <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit der Drohkulisse einer Parlamentsauflösung als machtvoll. Die<br />

Gefahr, dass er sich bei deren Einsatz eigentlich der Letztentscheidung über das<br />

Gesetz gleichsam wieder sofort begeben musste, konnte er durch weitere taktische<br />

Kniffe min<strong>im</strong>ieren. Venator beschreibt die Vetomöglichkeit daher als ein besonders<br />

starkes Recht und offenbart dabei auch die Finessen, die dem Reichspräsidenten<br />

politisch zur Verfügung standen, um seine Stellung <strong>im</strong> Verfassungsgefüge<br />

der We<strong>im</strong>arer Republik mittels Art. 73 Abs. 1 WRV zu manifestieren:<br />

„…Diese Regelung bedeutet jedoch u. E. nicht eine Schwächung, vielmehr eine Stärkung der<br />

Stellung des Reichspräsidenten der Volksvertretung gegenüber. Macht er nämlich von seinem<br />

‚Veto-Recht‛ nicht schon Gebrauch, wenn nach seiner Ansicht das betreffende Gesetz ganz<br />

oder in wichtigen Punkten dem Wohle des Volkes zuwiderläuft, oder wenn er sonst schwere<br />

Bedenken hat, sondern erst dann, wenn er aus best<strong>im</strong>mten Anzeichen darauf rechnen darf, daß<br />

437 Es darf in diesem Zusammenhang insbesondere nicht übersehen werden, dass es innerhalb der We<strong>im</strong>arer<br />

Wählerschaft nur äußerst rud<strong>im</strong>entär ausgebildete Parteibindungen gab. Am deutlichsten wird dieser Umstand<br />

daran sichtbar, dass sich weite Teile der Arbeitnehmer unter den Wählern innerhalb weniger Jahre weg von den<br />

Sozialdemokraten, hin zu den Nationalsozialisten orientierten. Über jedem Abgeordneten schwang somit das<br />

Damoklesschwert des Mandatsverlustes in viel dramatischerer Art und Weise, als Abgeordnete dies in den <strong>deutschen</strong><br />

Parlamenten unserer Zeit empfinden müssen.

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