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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 133<br />

schieden, sondern es würde in die Hände des Reichsvolks, als unmittelbarerem<br />

Träger der Staats- und damit Gesetzgebungsgewalt, gelegt. Zum anderen ist als<br />

wesentlich hervorzuheben, dass der Reichspräsident diese Verbringung zum<br />

Volksentscheid aus jeglichen ihm beliebenden Motiven vornehmen hätte können.<br />

Dies könnten sowohl verfassungsrechtliche als auch politische Beweggründe sein.<br />

Die WRV verlangte de facto noch nicht einmal von ihm, dass er diese Gründe<br />

offen legt. Nur mehr die öffentliche Entscheidung hätte eine Offenlegung der<br />

Motive durch den Reichspräsidenten erzwingen können. Wenn das ganze Einspruchsunterfangen<br />

nämlich nicht nur zu einer Verzögerung des Gesetzgebungsprozesses<br />

hätte führen sollen, wäre der Präsident gezwungen gewesen, das Volk<br />

argumentativ zur El<strong>im</strong>inierung des Reichstagsbeschlusses zu an<strong>im</strong>ieren. Die entsprechende<br />

Überzeugungsarbeit hätte den Präsidenten dazu genötigt, seine Einspruchsgründe<br />

zu offenbaren.<br />

cc. Vetoreflektionen für die Reichsebene<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass über den Art. 70 WRV hinaus, der wegen<br />

seiner Bedingtheit einige Problemfelder offen lässt, die Reichsverfassung der<br />

We<strong>im</strong>arer Republik mit Art. 73 Abs. 1 WRV den Reichspräsidenten mit einem<br />

Einspruchsrecht ausstattete, das zwar keine vollkommene und unbedingte Vetowirkung<br />

hatte, aber dennoch zunächst suspendierenden Charakter gegenüber dem<br />

davon betroffenen Reichstagsgesetz aufwies. 433 Dieser suspendierende Charakter<br />

konnte sich durch die Entscheidung des Reichsvolkes dazu auswachsen, dass der<br />

gesamte Gesetzesbeschluss nicht in Gesetzeskraft ergehen konnte. Mit dem<br />

Reichsvolk entschied somit eine andere Ebene über die Durchschlagskraft des<br />

ursprünglichen Vetos. Der Präsident konnte mithin das Gesetz zwar weder dauerhaft<br />

suspendieren noch letztgültig autark verhindern. Er konnte es jedoch hemmen<br />

und eine andere Instanz über dieses entscheiden lassen. Das Veto war somit<br />

devolutiv.<br />

Es lässt sich also klar feststellen, dass dem Präsidenten auf Reichsebene ein<br />

Veto zur Verfügung stand, welches dem Reichstag die Möglichkeit entzog, absolut<br />

über die Gesetzeskraft seines Beschlusses zu befinden. Ein exekutiv-präsidialer<br />

Appell an das Reichsvolk konnte mithin der legislativen Entschließung jegliche<br />

Wirksamkeit nehmen. Selbst <strong>im</strong> Fall der plebiszitären Bestätigung des Reichstagsbeschlusses<br />

erreichte der Präsident bezüglich unliebsamer Gesetze zumindest eine<br />

erhebliche Verzögerung bei deren Rechtskrafterlangung.<br />

Mit der Anordnung des Referendums nach Art. 73 Abs. 1 WRV durch den<br />

Reichspräsidenten trat der Widerspruch zwischen den Anschauungen des exekuti-<br />

433 Die Bezeichnung des Präsidentenrechts aus Art. 73 Abs. 1 WRV als Veto; findet sich auch bei: Nawiasky, in:<br />

Die Grundgedanken der Reichsverfassung, S. 72; noch heute: Friauf, in: FS Carstens Bd. 2, S. 553.<br />

Überdies war die Titulierung als „suspensives Veto“ in der einschlägigen staatsrechtlichen Literatur der We<strong>im</strong>arer<br />

Republik die gängige Bezeichnung für das Recht des Reichspräsidenten aus Art. 73 Abs. 1 WRV. – Vgl. Giese,<br />

Die Verfassung des <strong>deutschen</strong> Reiches v. 11. August 1919, Art. 73, S. 190.

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