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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 131<br />

Verfassungsverstoßes, anführen musste. 428 Zumindest vorläufig hätte ein derartiger<br />

Einspruch zur Folge gehabt, dass der Gesetzesbeschluss des Reichstags gehindert<br />

wird, in Gesetzeskraft überzugehen. Des Weiteren hing mit der reichspräsidialen<br />

Einspruchsbelegung über dem Normsetzungsbeschluss der Legislative das<br />

Damoklesschwert, unter Umständen durch das Volk gänzlich ausgeschaltet zu<br />

werden. Die WRV legte dem Reichspräsidenten also die Möglichkeit in die Hände,<br />

ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz, gegen das er Bedenken hatte, einfach<br />

nicht zu verkünden. Es fällt auf, dass ein derartiges Recht keiner der bisher behandelten<br />

<strong>deutschen</strong> Verfassungsurkunden innewohnte. In seiner faktischen<br />

Durchschlagskraft kann jene Möglichkeit gar nicht deutlich genug hervor gestrichen<br />

werden.<br />

Fraglich ist insbesondere die Motivlage des Reichsverfassungsgebers für diese<br />

Norm. Was waren die Beweggründe dafür, ein derartig zur Desavouierung des<br />

Legislativorgans Reichstag geeignetes Instrument zu kreieren? Wenn man sich die<br />

sonstigen evident erweiterten Möglichkeiten des Reichstags gegenüber der <strong>Exekutive</strong><br />

ansieht, erstaunt es, wie hilflos dieser <strong>im</strong> Bereich der Gesetzgebung derartigen<br />

Einsprüchen ausgesetzt war. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als der plebiszitären<br />

Entscheidung zu harren.<br />

Ein zusätzliches dramaturgisches Element gewinnt diese Konstellation insbesondere<br />

daraus, dass der Reichstag, der ja demokratietheoretisch für seinen „Vorgesetzten“,<br />

das Reichsvolk, schon entschieden hatte, von diesem auf das Offensichtlichste<br />

„zurückgepfiffen“ werden konnte. 429 Auch wenn es sich <strong>im</strong> Einzelfall<br />

nur um eine Sachfrage gehandelt haben dürfte, so darf die politische Folge nicht<br />

zu gering eingeschätzt werden. Je nach inhaltlicher D<strong>im</strong>ension des entsprechenden<br />

Gesetzes hätte die Negativentscheidung des Volkes bei der Volksabst<strong>im</strong>mung<br />

sogar die faktische Wirkung einer Delegit<strong>im</strong>ation des Reichstags mit sich bringen<br />

können. Es ist zwar richtig, dass die WRV ganz bewusst unmittelbare Demokratieelemente<br />

involvierte. Bei einer regulären Volksentscheidung hätte sich aber<br />

zuerst das Reichsvolk geäußert. Selbst wenn be<strong>im</strong> regulären Volksentscheid ein<br />

unliebsames Gesetz entstanden wäre, bliebe dem politisch Andersdenkenden<br />

Reichstag zumindest die Gesichtswahrung.<br />

Mittels Art. 73. Abs. 1 WRV konnte das für deutsche Verhältnisse schon weit<br />

entwickelte parlamentarische System We<strong>im</strong>ars bis auf den Rumpf gestutzt werden.<br />

Gerade an Art. 73 Abs. 1 WRV wird deutlich, dass das von der We<strong>im</strong>arer Reichs-<br />

428 Gemäß Art. 73 Abs. 4 WRV sind diese Verbringungsrechte zum Plebiszit in den Bereichen des Haushaltsplans,<br />

der Abgabengesetze und Besoldungsordnungen exklusiv für den Reichspräsidenten reserviert.<br />

429 Der Verfassungsgeber der We<strong>im</strong>arer Republik war sich über die D<strong>im</strong>ension des Anrufens des Volkes in Form<br />

eines Referendums durchaus bewusst. So beschreibt Venator, in: Volksentscheid und Volksbegehren <strong>im</strong> Reich<br />

und den Ländern, AöR 43 (1922), S. 55 – „…Bei der überragenden Stellung, die dem Parlament, vor allem auch als Vertreter<br />

des ‚Souveräns‛ in allen <strong>deutschen</strong> Staaten jetzt zugewiesen ist, ist es verständlich, daß nach den einschlägigen Best<strong>im</strong>mungen der<br />

<strong>deutschen</strong> Verfassungen eine fakultative Volksabst<strong>im</strong>mung nur stattzufinden hat bei Meinungsverschiedenheiten oder schroffer bei<br />

Konfliktfällen zwischen diesem und einem anderen an der Gesetzgebung beteiligten Organ bzw. bei Konfliktfällen zwischen der<br />

Mehrheit und Minderheit innerhalb eines Parlaments. …“ […] „…Arbeitet dagegen die Gesetzgebungsmaschine reibungslos, so<br />

bleibt für das Referendum kein Raum, das Volk ist mithin […] ausgeschaltet. …“

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