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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

Schiedsgerichts, mit zusätzlicher Anklagekammer gegen oberste Reichsorgane und<br />

folglich weniger denjenigen eines wirklichen Verfassungsgerichtshofs. 417<br />

Die Suche nach einer Kontrollinstanz, die dem Gesetzgebungsgebaren des Nationalparlaments<br />

bei Verfassungsverletzungen Einhalt hätte gebieten können, wird<br />

somit verständlicher. Ob die Antwort in einem Prüfrecht des ohnehin von der<br />

WRV schon äußerst machtvoll ausgestatteten Reichspräsidenten die Lösung war,<br />

muss hier nicht mehr entschieden werden. Andere, für Verfassungskontrollfragen<br />

geeignetere Organe, hätte es geben können. Das deutsche Grundgesetz heutiger<br />

Tage mit seiner Verfassungsgerichtsbarkeit spricht hier belehrende Bände. 418 Mit<br />

der Zuweisung des Prüfungsrechts an den Präsidenten entschieden sich die Verfassungsgeber<br />

der We<strong>im</strong>arer Republik, mangels entsprechender Kompetenzen des<br />

Staatsgerichtshofs, ganz bewusst für den Reichspräsidenten als den „Hüter der<br />

Verfassung“ 419 .<br />

Art. 70 WRV beinhaltete also ein Recht für den Reichspräsidenten, welches in<br />

seiner inhaltlichen Ausformung einige Erweiterungen gegenüber dem Recht des<br />

Kaisers aus Art. 17 RV 1871 enthielt. Jene Ausweitung war aber nicht einer verfassungsrechtlichen<br />

Klarstellung geschuldet, sondern vielmehr der Weiterentwicklung<br />

des staatsrechtlichen Meinungsstandes. Es kann, wie bezüglich des Art. 17<br />

der Bismarckschen Reichsverfassung auch geschehen, bei Art. 70 WRV durchaus<br />

von einem Vetorecht gesprochen werden. Die Vergleichbarkeit entsteht trotz<br />

veränderter Verfassungskonstruktion dadurch, dass, heruntergebrochen auf das<br />

Recht aus Art. 70 WRV, in der Verfassung We<strong>im</strong>ars kein gravierender Stellungswechsel<br />

in der Position des Staatsoberhauptes gegenüber der des konstitutionellen<br />

Kaiserreichs stattfand. Auch in der We<strong>im</strong>arer Verfassungswelt war das Staatsoberhaupt<br />

nicht mehr an der Gesetzgebung beteiligt; somit machte seine rein<br />

417 Nähere Darstellungen zur fehlenden Kompetenz des Staatsgerichtshof für Verfassungsstreitigkeiten auf<br />

Reichsebene: Friesenhahn, Die Staatsgerichtsbarkeit (§98), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. II (1932),<br />

S. 523 ff – als für die Gesetzesprüfung wesentlich sei hier auf die Aussage verweisen (S. 526): „…Im geltenden<br />

Reichs- und Landesstaatsrecht findet eine solche abstrakte Normenkontrolle nur in Art. 13 Abs. 2 RV für die Vereinbarkeit von<br />

Landesrecht mit Reichsrecht. …“; Zum diesbezüglichen Parallelthema des in der WRV nicht normierten richterlichen<br />

Prüfrechts – Hippel, Das richterliche Prüfungsrecht (§99), in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. II (1932),<br />

S. 546 ff (insb. S. 558).<br />

418 So zumindest die wortexegetische Analyse der Reichsverfassung, die nach deren Wortlaut tatsächlich keine<br />

Kompetenzen des Staatsgerichtshofs, insbesondere in Form eines Normenkontrollverfahrens, für Reichsgesetze<br />

vorsah. Eine aufgrund des abrupten Endes der We<strong>im</strong>arer Republik nicht mehr zu Ende gebrachte Entwicklung<br />

hatte wohl der Staatsgerichtshof, flankiert durch die damalige staatsrechtliche Literatur (m.w.N. Anschütz, Die<br />

Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 70, S. 370), selbst ins Rollen gebracht. In einigen<br />

wegweisenden Entscheidungen (insb. StGHEntsch. v, 21. Nov. 1925 & StGHEntsch. v. 17. Nov. 1928) sah sich<br />

der StGH berufen, <strong>im</strong> Rahmen einer den Verfassungswortlaut sprengenden Auslegung, sich selber diverse Prüfrechte<br />

auch gegenüber Reichsgesetzen zuzugestehen. In letztgenannter Entscheidung erklärte der StGH ein<br />

Reichsgesetz in aller Form wegen Verfassungswidrigkeit für ungültig. (Vgl. Bühler, Die Zuständigkeiten auf dem<br />

Gebiete des Finanzwesens (§29), Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. I (1930), S. 324).<br />

Diese Entwicklungen mögen zwar die Zukunft der Verfassungsgerichtsbarkeit <strong>im</strong> Sinne des Grundgesetzes<br />

vorgezeichnet haben, mit dem Wortlaut der WRV gingen sie jedenfalls nicht konform, was letztlich auch die<br />

diesbezüglichen Überlegungen für ein starkes verfassungsrechtlich begründetes Ausfertigungs- und Verweigerungsrecht<br />

angesiedelt be<strong>im</strong> Reichspräsidenten belegen.<br />

419 Vgl. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, in: AöR 16 (1929) S. 161 ff; Jellinek, Das einfache Reichsgesetz (§72),<br />

in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. II (1932), S. 177/178.

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