22.01.2013 Aufrufe

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

III. Analyse der We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung als demokr. Vorläufer des Grundgesetzes 125<br />

Gesetz nicht etwa bloß verkündet, wenn er will, wenn er nach einer Prüfung zu der Erkenntnis<br />

kommt, daß das Reichsinteresse dies verlangt, sondern, wenn er muß, d.h. wenn die formalen<br />

gesetzlichen Voraussetzungen für die Verkündung gegeben sind. …“ 409<br />

Mit der Ausfertigung und Verkündung war also nicht nur ein automatisch zu vollziehender<br />

Abdruck <strong>im</strong> Reichsgesetzblatt gemeint, sondern in Anlehnung 410 an das<br />

kaiserliche Recht aus Art. 17 RV 1871 gab dieser Vorgang den nachgeordneten<br />

Organen den Anwendungsbefehl. In der staatsrechtlichen Literatur der We<strong>im</strong>arer<br />

Republik war Art. 70 WRV ein vieldiskutiertes Thema 411 . Es wurde nämlich <strong>im</strong><br />

Gegensatz zur Kaiserverfassung zahlreich 412 angenommen, dass neben einem<br />

Prüfrecht bezüglich der formellen Verfassungskriterien dem Reichspräsidenten<br />

auch eine Überprüfung der materiellen Übereinst<strong>im</strong>mung mit der Verfassung<br />

zustand. 413 Dieses auch für unser heutiges Grundgesetz und die Norm des Art. 82<br />

Abs. 1 S. 1 GG wohl bekannte Streitthema soll jedoch nicht in seiner inhaltlichen<br />

Vielschichtigkeit das hier zu vorderst zu behandelnde Thema sein. Was aber auffällt,<br />

ist der Umstand, dass, wenn man <strong>im</strong> Prüfrecht des präsidialen We<strong>im</strong>arer<br />

Staatsoberhaupts neben der formellen auch eine inhaltliche Kontrollkomponente<br />

erkennt, dies die Relevanz der Vetofrage nur noch erhöht.<br />

Es muss an dieser Stelle, trotz der Verlockungen, die die Wortlautgleichheit<br />

zwischen Art. 17 der Kaiserverfassung und Art. 70 WRV bereithält, darauf hingewiesen<br />

werden, dass eine unreflektierte Bezeichnung als Vetorecht, wie sie letztlich<br />

be<strong>im</strong> kaiserlichen Prüfrecht erfolgte, mit einigen Problemen behaftet ist. Unzweifelhaft<br />

richtig ist zunächst, dass dieses Prüfrecht ein mit Verfassungsverlet-<br />

409 Finger, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, S. 381/382.<br />

410 Art. 70 WRV wurde von der We<strong>im</strong>arer Nationalversammlung in bewusster Anlehnung und anhand des<br />

Vorbilds aus Art. 17 RV 1871 geschaffen. – Vgl. Triepel, Der Weg der Gesetzgebung nach der neuen Reichsverfassung,<br />

AöR 39 (1920), S. 538.<br />

411 Eine den heutigen rechtshistorischen Wissensstand widerspiegelnde Abhandlung zur Diskussion des Ausmaßes<br />

des reichspräsidialen Prüfungsrechts bietet: W. M. Pohl, Die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei<br />

der Ausfertigung von Gesetzen, S. 117 ff. Maßgeblich ging es schon zur Zeit der WRV um die Frage, inwieweit<br />

der Reichspräsident über Art. 70 WRV über die Prüfung der formell-rechtlichen Konformität mit der Reichsverfassung<br />

auch die inhaltlich-materielle Übereinst<strong>im</strong>mung prüfen durfte.<br />

412 Umfängliche Darstellungen zum diesbezüglichen Meinungsstand in der We<strong>im</strong>arer Staatsrechtswissenschaft<br />

finden sich u.a. bei: Schneider, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, in: Isensee/Kirchhof HStR Bd. I, §5,<br />

Rn 65.<br />

413 Dieses von der Mehrheit Staatsrechtswissenschaft in der We<strong>im</strong>arer Republik dem Präsidenten zugestandene<br />

materielle Prüfrecht nahm der zweite Reichspräsident Paul v. Hindenburg auch ganz selbstverständlich für sich in<br />

Anspruch als er die Ausfertigung und Verkündung des sog. ‚Militärstrafgesetzbuches‛ verweigerte: Folgende<br />

Ausführungen des Reichspräsidenten v. Hindenburg sind überliefert: „…Ich könnte es nicht mit meinem Gewissen und<br />

der mir in Art. 70 der Reichsverfassung übertragenden Pflicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzgebungsaktes<br />

vereinbaren, ein vom Reichstag nur mit einfacher Mehrheit beschlossenes Gesetz auszufertigen und zu verkünden, wenn begründete<br />

Zweifel darüber bestehen, ob es mit der Verfassung des Reiches vereinbar ist, oder sie in diesem besonderen Falle durchbricht. …“ –<br />

aus: Poetzsch-Heffter, Vom Staatsleben unter der We<strong>im</strong>arer Verfassung, in: JöR 13 (1925), 1 (140).<br />

Als relevant muss hervor gestrichen werden, dass es bei der Prüfung der inhaltlichen Verfassungsmäßigkeit <strong>im</strong><br />

Kern der damaligen Debatte nicht um eine inhaltliche Kongruenz <strong>im</strong> Sinne der Übereinst<strong>im</strong>mung mit den<br />

Grundrechten, den Staatszielbest<strong>im</strong>mungen und sonstigem Staatsorganisationsrecht ging, sondern lediglich um<br />

die Frage, ob das Gesetz in der seinem Inhalt entsprechenden Form zustande gekommen war. – Vgl. W. M. Pohl,<br />

Die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen, S. 121.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!