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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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120<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

nur oberstes Organ 394 des Reiches sein, sondern in dieser Gestalt gleichsam auch<br />

noch Organ der Gesetzgebung und somit befähigt einen lebensregelnden Satz<br />

zum Verpflichtenden zu erklären. 395 Die damit be<strong>im</strong> Volk liegende Staatsgewalt 396<br />

sollte gemäß der Verfassungsvorgaben, teils durch das von ihm abgeleitete Organ<br />

Reichstag, teils unabgeleitet durch Volksentscheid ausübt werden. Trotz der unmittelbar-demokratischen<br />

Elemente lässt sich aus den entsprechenden Verfassungsnormen<br />

der WRV entnehmen, dass der regelmäßige Weg des Zustandekommens<br />

eines Gesetzes der Normsetzungsbeschluss durch das Hauptlegislativorgan<br />

Reichstag 397 sein sollte. Art. 68 Abs. 2 WRV spricht diesbezüglich eine eindeutige<br />

Sprache, wenn er den Beschluss der Reichsgesetze dem Reichstag zuweist.<br />

398<br />

394 So niedergelegt in Art. 1 Abs. 2 Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. August 1919: „Die Staatsgewalt geht vom<br />

Volke aus“.<br />

395 Vgl. Finger, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, S. 363.<br />

396 Schon für die We<strong>im</strong>arer Republik wurde festgestellt, dass das Volk i.d.R. kein wirklich gestaltungsfähiger<br />

Akteur sein konnte. So schreibt Nawiasky, in: Die Grundgedanken der Reichsverfassung, S. 67/68: „….Das Volk<br />

ist nun, politisch betrachtet, eine gestaltlose Masse, hat keinen politischen Willen, keine Handlungsfähigkeit, zu einem politischen<br />

Faktor wird es erst durch Organisation. Die Masse kann sich natürlich nicht selbst organisieren, das müssen vielmehr die einzelnen<br />

Führer besorgen. Sie bedienen sich hierzu des Instruments der Parteien. Ohne Zusammenschluss in Parteien bleibt das Volk ohne<br />

Betätigungsmöglichkeit. Die Rolle, welche den Parteien zukommt, ist eine doppelte, eine empfangende und eine gebende. Einmal legen<br />

sie das Ohr an die Volksseele, erraten und erlauschen ihre Wünsche, beobachten ihre Bedürfnisse und Instinkte. Dann aber legen sie<br />

ihren Mund an das Ohr des Volkes, verbreiten ihre Ideen und besorgen so eine Politisierung. […] Wenn man sich diese Zusammenhänge<br />

klar macht, so wird es sofort verständlich, warum der Schwerpunkt der politischen Entscheidungen nicht be<strong>im</strong> Volk,<br />

sondern bei seinen Führern […] gelegen ist. …“.<br />

Auch wenn dies relativ apodiktische Aussagen zur Stellung des Volkes waren, die insbesondere von einer Sicht<br />

zeugen, welche noch in die Schule monarchischer Staatslehre gegangen ist, so macht sie doch deutlich, in welchem<br />

Funktionszusammenhang das Volk <strong>im</strong> Rahmen der neuen demokratischen Reichsverfassung tatsächlich<br />

gesehen wurde. Deutlich wird aber auch, welche Aufgabe die Parteien bei der entsprechenden Bildung des<br />

Volkswillens einnehmen sollen.<br />

397 Der Reichstag der We<strong>im</strong>arer Republik stellte nicht nur das erste Volkshaus auf <strong>deutschen</strong> Boden dar, dem die<br />

alleinige Gesetzgebung zustand, sondern auch die Spielregeln für die ihn konstituierenden Wahlen waren revolutionär<br />

demokratisch und speisten sich aus der sich nun vollständig auch in Deutschland bahnbrechenden<br />

Volkssouveränitätsidee. So wurde der Reichstag in allgemeiner, gleicher unmittelbarer und gehe<strong>im</strong>er Wahl von<br />

den über zwanzig Jahre alten Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Dies legte<br />

Art. 22 Abs. 1 WRV fest. Für das Deutsche Reich bedeutete dies die Einführung des Frauenwahlrechts.<br />

Der Reichstag bekam zwar noch nicht das Recht zugesprochen, die Regierung bzw. den Reichskanzler als Regierungschef<br />

zu wählen. Dennoch konnte er Kontrollmechanismen entwickeln, da er einzelnen Ministern, aber auch<br />

dem Reichskanzler, das Mistrauen aussprechen konnte. (Vgl. Art. 54 WRV „Der Reichskanzler und die Reichsminister<br />

bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen muß zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch<br />

ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.“) Des Weiteren wurde dem Reichstag ein zusätzliches Kontrollelement<br />

gegenüber der Reichsexekutive zur Verfügung gestellt. Gemäß Art. 34 WRV konnten nicht nur parlamentarische<br />

Mehrheiten, sondern auch Minderheiten einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Damit war nicht nur<br />

das Parlament als Ganzes gestärkt, sondern auch die Oppositionsrechte wurde erstmals ernst genommen. (Vgl.<br />

Art. 34 Abs. 1 WRV „Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse<br />

einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für<br />

erforderlich erachten. Die Öffentlichkeit kann vom Untersuchungsausschuß mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Die<br />

Geschäftsordnung regelt das Verfahren des Ausschusses und best<strong>im</strong>mt die Zahl seiner Mitglieder.“)<br />

Der Reichstag als wahrhafte Nationalrepräsentation war also gegenüber der Kaiserverfassung nicht nur in der<br />

Gesetzgebung gestärkt, sondern auch mit weit reichenden Kontrollrechten ausgestattet.<br />

398 Thoma fasst diesen „plan of government“ für die WRV wie folgt zusammen: „…Dieser ‚plan of government‛, d.h.<br />

die Organisation der Herrschaftsgewalt und die Ordnung des Zusammenwirkens der Organe ist derart konstruiert, daß er die<br />

Repräsentativversammlung ‚Reichstag‛ in den beherrschenden Mittelpunkt stellt. Die deutsche Republik ist insofern eine überwiegend

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